In Brüssel wollte die EU-Kommission über mögliche Gegenmaßnahmen auf US-Importe beraten, sollte Trump seine Drohung wahr machen und flächendeckend Stahl- und Aluminium-Importe in die USA mit Schutzzöllen belasten.

Kurz vor Cohns Rücktrittserklärung bekräftigte Trump seine Pläne und nahm vor allem die EU ins Visier. Den europäischen Autobauern drohte er mit einer Abgabe von 25 Prozent. Die internationalen Aktienmärkte reagierten verunsichert. "Mit Gary Cohn verlieren die Börsen den wohl letzten Advokaten des Freihandels im Weißen Haus", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. Jetzt gebe es wohl niemanden mehr, der Trump von der Einführung von Schutzzöllen abbringen könne. Der deutsche Leitindex Dax notierte ebenso tiefer wie die Börsen in Asien. Auch an der Wall Street wurden Verluste erwartet. Der Dollar gab nach.

Der frühere Goldman-Sachs-Investmentbanker Cohn nannte keinen konkreten Grund für seinen Abschied nach etwas mehr als einem Jahr im Weißen Haus. Aus Präsidialamtskreisen hieß es allerdings, sein verlorener Kampf gegen Trumps Zoll-Pläne sei einer von mehreren Gründen gewesen. Geknirscht soll es aber schon länger haben. Insbesondere die umstrittenen Äußerungen des Präsidenten zu rechtsextremen Ausschreitungen in Virginia im Sommer sorgten offenbar für einen Knacks. Obwohl Neo-Nazis für die Gewalt verantwortlich gemacht wurden, sprach Trump davon, es habe auf beiden Seiten des Konflikts in Charlottesville "sehr anständige Leute gegeben". Cohn habe dies offensichtlich missfallen, wie aus dem Regierungsumfeld verlautete. Schon damals wurde über einen Rücktritt spekuliert.

Trump hatte sich in der vergangenen Woche mit seiner Entscheidung für Schutzzölle über die Bedenken von Kritikern in den eigenen Reihen hinweggesetzt. Im Weißen Haus tobt in Handelsfragen ein zunehmend offen ausgetragener Machkampf zwischen Befürwortern der "America First"-Linie Trumps und Gegnern einer zu großen Abschottung der USA. Der "New York Times" zufolge drohte Cohn mit seinem Rücktritt, sollten tatsächlich harte und umfangreiche Maßnahmen eingeführt werden. Dennoch setzten sich Handelsberater Peter Navarro und Handelsminister Wilbur Ross durch, die eine härtere Gangart befürworten.

Seit Trumps Amtsantritt im Januar 2017 sind bereits zahlreiche ranghohe Mitarbeiter des Präsidenten zurückgetreten, zuletzt seine Kommunikationschefin Hope Hicks. Darauf angesprochen, gab sich Trump am Dienstag gelassen: Für jeden Posten im Weißen Haus stünden sofort zehn Spitzenleute zur Verfügung, die die Jobs wollten.

"SIEG FÜR DIE WIRTSCHAFTLICHEN NATIONALISTEN"



Es sei ihm eine Ehre gewesen, dem Land zu dienen, teilte Cohn in einer vom Präsidialamt veröffentlichten Erklärung mit. "Ich bin dem Präsidenten dankbar für diese Möglichkeit und wünsche ihm und seiner Regierung großen Erfolg in der Zukunft." Der Rücktritt als Chef des nationalen Wirtschaftsrats soll in einigen Wochen vollzogen werden. Trump kündigte an, in Kürze einen Nachfolger zu ernennen. Als Favoriten gelten Navarro und der konservative TV-Kommentator Larry Kudlow.

Cohn, der im Gegensatz zu dem Republikaner Trump Demokrat ist, galt als Bollwerk gegen das protektionistische Lager - mit anfänglichen Erfolgen. So soll er maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Trump im Frühjahr China nicht offiziell als Währungsmanipulator brandmarkte und auf eine Aufkündigung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta mit Mexiko und Kanada zugunsten von Neuverhandlungen verzichtete. Cohn gilt auch als Architekt von Trumps Steuerreform. Lange war er auch als Kandidat für den Posten des Notenbankchefs im Gespräch.

Mehr als jeder andere im Weißen Haus habe der 57-Jährige über Glaubwürdigkeit an den Märkten verfügt, sagte Analyst Ian Katz von der Finanzfirma Capital Alpha Partners. "Jetzt, wo er raus ist, fragt man sich, wer diesen Umhang übernimmt." Monica de Bolle vom Peterson Institute for International Economics, sagte: "Die wirtschaftlichen Nationalisten scheinen die Oberhand zu gewinnen."

Führende Vertreter der US-Notenbank Fed warnten vor Gefahren eines Handelskrieges auch für die USA. Alles, was die Beziehungen zu Partnern wie Kanada und Mexiko belaste, schade den Interessen der USA, sagte etwa der Präsident des Fed-Bezirks von Dallas, Robert Kaplan. Ein freier Marktzugang und der Abbau von Handelshemmnissen seien von zentraler Bedeutung für weltweites Wachstum und Beschäftigung, so Matthias Wissmann, Präsident des Weltautomobilverbandes OICA. Außenhandelspräsident Holger Bingmann warnte in der "Heilbronner Stimme" vor Vergeltungsmaßnahmen der EU. Die Rede ist von Zöllen auf sehr typische US-Waren wie Jeans, Motorräder und Whiskey. Niemand wolle einen Handelskrieg, sagte Bingmann: "Wir, die deutsche Wirtschaft, schon gar nicht."

rtr