"Die direkten Folgen eines Grexit - etwa auf die deutschen Exporte - sind sicher gering", sagt der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner. Er schränkt allerdings ein: "Das Problem ist der Finanzmarkt: Wenn sich hier Schockwellen ausbreiten, dann sind die Konsequenzen für unsere Wirtschaft nicht abschätzbar."

Der sogenannte Grexit rückt immer näher: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat sein Verhandlungsteam gerade aus Brüssel abgezogen - wegen "großer Differenzen" in den Gesprächen zur Lösung des Schuldenstreits. Einigt sich die Regierung in Athen in der kommenden Woche nicht mit seinen Geldgebern auf die Freigabe neuer Milliardenhilfen, drohen Staatspleite und Euro-Abschied. "Wir schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass sich Griechenland aus freien Stücken aus der Euro-Zone verabschiedet, mittlerweile auf fast 50 Prozent", sagt der Leiter des Rentenfondsmanagements bei Union Investment, Frank Engels.

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NUMMER 38 DER WICHTIGSTEN EXPORTKUNDEN



Einig sind sich die meisten Experten darin, dass Griechenland im Falle einer Pleite ein ökonomisches Chaos und eine neuerliche schwere Rezession droht. So schlimm das für die dortige Wirtschaft wäre, so wenig würden es wohl die deutschen Unternehmen spüren - zu unbedeutend ist der Handel mit dem Mittelmeerland. 2014 verkauften die hiesigen Firmen Waren im Wert von nur knapp fünf Milliarden Euro dorthin. Das entspricht nicht einmal 0,5 Prozent der gesamten deutschen Exporte, die sich zuletzt auf mehr als 1,1 Billionen Euro summierten. Damit liegt Hellas auf Rang 38 der deutschen Kunden - hinter Luxemburg, Hongkong und Irland.

Unklar sind jedoch die Reaktionen an den Kapitalmärkten, sollte es im Griechenland-Drama kein Happy End geben. "Wir erwarten keine massiven Störungen an den Finanzmärkten", sagt der Europa-Chefstratege des Vermögensverwalters Deutschen Asset & Wealth Management, Stefan Kreuzkamp, der über die Anlage von Kundengeldern in Höhe von 400 Milliarden Euro mitentscheidet. "Rund 80 Prozent der griechischen Staatsschulden werden gehalten vom Rettungsschirm EFSF, der Europäischen Zentralbank und anderen Euro-Ländern. Das Ansteckungsrisiko für den Rest der Euro-Zone - insbesondere für Geschäftsbanken - ist daher gering." Das schätzt Union-Fondsmanager Engels, der mit seinen Kollegen etwa 50 Milliarden Euro verwaltet, ganz ähnlich ein: "An den Kapitalmärkten hätte die Ansteckung eine andere Qualität als noch 2010 oder 2012. Damals waren private Investoren und insbesondere die Banken sehr stark mit Griechenland verflochten. Das ist massiv zurückgegangen".

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KOMMT EIN INVESTITIONSSTREIK?



Allerdings sind die Märkte auch nicht immun gegen Erschütterungen, die von Griechenland ausgehen. Mehr als neun Prozent hat der deutsche Aktienindex Dax in den vergangenen zwei Monaten verloren - vor allem wegen des ungewissen Ausgangs der Griechenland-Frage. Die Zinsen in anderen südlichen Euro-Ländern sind in den vergangenen Wochen merklich gestiegen - in Spanien etwa haben sie sich binnen zwei Monaten mehr als verdoppelt, was Kredite für Investitionen und den Immobilienkauf verteuert und so den Aufschwung belasten kann. Bei einem Grexit könnten die Risikoaufschläge weiter steigen. Auch ziehen sich Investoren bereits zurück. "Wir haben Risiken abgebaut, indem wir nicht mehr so starke Positionen in Spanien, Portugal und Italien halten", betont Fondsmanager Engels. Auch das dämpft die wirtschaftliche Erholung.

"Kommt es zu Turbulenzen an den Finanzmärkten, führt das typischerweise zu einer Verunsicherung und Investitionszurückhaltung bei Unternehmen", warnt DIW-Experte Fichtner mit Blick auf langjährige Krisenländer wie Spanien. "Folgt dort ein Investitionsstreik, ist das gerade für die deutsche Wirtschaft schädlich. Denn ihre Exportschlager sind ja gerade Investitionsgüter wie Maschinen und Fahrzeuge." Immerhin gehen noch fast 37 Prozent der deutschen Exporte in die Euro-Zone. Auch das Bundeswirtschaftsministerium nennt deshalb in seinem aktuellen Monatsbericht "die Entwicklungen um Griechenland" ausdrücklich als Risikofaktor für den Aufschwung.

Wie stark die deutsche Wirtschaft genau von einem Grexit beeinträchtigt werden könnte, wagen Ökonomen aber nicht zu prophezeien. "Das lässt sich nicht seriös vorhersagen", sagt der DIW-Konjunkturchef. "Es ist einfach unkalkulierbar."

Reuters