Das Bundesfinanzministerium hat eingelenkt: Totalverluste aus Optionsscheinen werden nun doch vom Fiskus anerkannt. Doch das gilt immer noch nicht für Knock-out-Produkte. Von Gastautor Hartmut Knüppel

Anleger, die mit ihren Optionsscheinen die Marktentwicklung falsch eingeschätzt haben und deren Optionsscheine daraufhin wertlos verfallen sind, können jetzt zumindest mit Blick auf die steuerliche Anerkennung ihres Totalverlusts aufatmen. Im Januar hat der Bundesfinanzhof (BFH) in drei Urteilen entschieden, dass Verluste aus dem Verfall von Optionen steuerlich anerkannt werden müssen. Der BFH widerspricht damit dem Bundesfinanzministerium (BMF), das bisher die gegenteilige Auffassung vertrat. Doch jetzt hat das BMF in einem Schreiben klargestellt, dass Verluste aus dem Verfall von Optionen wieder steuerlich anrechenbar sind.

Soweit die Fakten, doch was bedeutet das für den Privatanleger? Um die neue steuerrechtliche Situation beim Verfall von Optionen leichter zu beurteilen, ist es hilfreich, wenn man sich zuvor noch einmal die Funktionsweise eines Optionsgeschäfts etwas genauer anschaut. Der Käufer einer Option (Optionsnehmer) erwirbt durch Zahlung einer Optionsprämie das Recht, einen bestimmten Basiswert wie eine Aktie oder einen Index innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder zu einem konkreten Zeitpunkt von einem Verkäufer der Option (Optionsgeber oder sogenannter Stillhalter) zu kaufen (Call-Option) oder an diesen zu verkaufen (Put-Option). Dieses Optionsrecht erlischt entweder durch Ausübung, sprich durch Kauf oder Verkauf des Basiswerts. Man spricht hier auch von Glattstellung. Das Optionsrecht kann aber auch erlöschen, wenn die Option nicht innerhalb der Optionsfrist ausgeübt wird. Die Option wird dann wertlos aus dem Wertpapierdepot ausgebucht. In diesem Fall spricht man vom Verfall der Option.

Verfällt die Option, so war nach bisheriger Auffassung des BMF der dadurch entstandene Verlust durch die Anschaffungskosten der Option nicht steuerlich anrechenbar. Der Verlust konnte also nicht mit Gewinnen aus anderen Kapitalerträgen verrechnet werden. Dies war eine gravierende steuerliche Benachteiligung von Optionen gegenüber allen anderen Wertpapieren. Doch am 12. Januar 2016 hat der BFH in drei Urteilen zugunsten der Anleger entschieden und das BMF in die Schranken verwiesen. Das BMF sah sich daraufhin genötigt, seine Rechtsauffassung zu korrigieren, und hat am 16. Juni in einem Schreiben an die obersten Finanzbehörden der Länder klargestellt, dass Verluste aus dem Verfall von Optionen wieder steuerlich anrechenbar sind. Und dies gilt nicht nur für unverbriefte Optionen, sondern auch für verbriefte Optionsscheine. Die steuerliche Berücksichtigung gilt im Übrigen rückwirkend und ohne zeitliche Begrenzung.

Das ist ein großer Erfolg für Privatanleger, für deren Belange sich der Deutsche Derivate Verband mehrfach beim BMF eingesetzt hat. Doch damit ist die Situation leider noch nicht vollständig geklärt, denn die Positionsänderung des BMF bezieht sich nur auf Optionen und Optionsscheine, nicht aber auf Knock-out-Produkte, die bei vielen Anlegern sehr beliebt sind. Hier vertritt der BFH zur alten Rechtslage bis Ende 2008 eine andere Auffassung, und das BFM will noch die Entscheidung des BFH in einem entsprechenden Verfahren zum neuen Recht ab 2009 abwarten.

Problematisch bleibt der Fall, in dem Anleger mit einem Knock-out-Produkt einen Totalverlust erlitten haben. Da den Banken hier die Hände gebunden sind, sehe ich nur die Möglichkeit, Verluste aus dem Verfall von Knock-out-Produkten in der Steuererklärung anzugeben. Wahrscheinlich werden diese Verluste vom Finanzamt nicht anerkannt. In diesem Fall empfiehlt es sich, dagegen Einspruch einzulegen, in der Hoffnung, dass der Bundesfinanzhof auch bei den Knock-out-Produkten ein Urteil im Sinne der Privatanleger fällt. Am besten sollte das jeder mit seinem Steuerberater besprechen. Das Gleiche gilt natürlich auch für Verluste aus Geschäften mit Optionsscheinen, die in der Vergangenheit von den Banken nicht berücksichtigt und nicht mit dem Verlusttopf verrechnet werden konnten.

Hartmut Knüppel



Der promovierte Wirtschaftsingenieur war Mitinitiator der "Jungen Liberalen" und Referent von Hans-Dietrich Genscher. Nach Stationen in der Industrie und als Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken ist Knüppel seit 2008 geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV), der die Interessen der 15 führenden Emittenten strukturierter Wertpapiere in Deutschland vertritt.