Die Börsen sind auf Talfahrt - gute Unternehmenszahlen haben fast keine positive Wirkung. Bei negativen Nachrichten hingegen werden die Aktienkurse von Firmen massiv abgestraft. Vor einem Jahr war das genau andersherum, da wollten die Bullen sich ihre Feierlaune auf keinen Fall vermiesen lassen. Haben Fundamentaldaten an der Börse als verlässliche Indikatoren ausgesorgt? Ich meine, ja. Technische Indikatoren und Sentimentindikatoren bestimmen zu 80 Prozent die Entwicklung an den Kapitalmärkten. Zumindest jetzt. Zumindest zeitweise.

Die aktuelle Börsensituation ähnelt dem Straßenverkehr, dort sind Ampeln ein wichtiger Signalgeber. Im größten Verkehrsgewühl der Frankfurter Innenstadt ist jeder Fußgänger gut beraten, an einer roten Ampel stehen zu bleiben. Auf einer einsamen ostfriesischen Landstraße ist das anders. Dort mag mancher in Versuchung geraten, trotz rotem Männchen die Straße zu überqueren. Der Automatismus "Rot - stehen bleiben - abwarten" hat dort zumindest für den Moment seine Sinnhaftigkeit verloren, wenn es darum geht, effizient ans Ziel zu kommen.

Am Kapitalmarkt wimmelt es nur so vor Ampeln in Form von Signalen und Indikatoren: Wir Asset-Manager haben heute mehr denn je davon zur Verfügung. Geldmenge, Ifo-Index, US- Einkaufsmanagerindex, Verbrauchervertrauen, Hauspreisindex, Unternehmenszahlen ... Und natürlich haben Fondsmanager gelernt, was welcher Indikator für die Börsenentwicklung bedeutet - theoretisch. Rote Ampel: stehen bleiben. Irgendwann glauben wir dann, wir hätten die Regeln komplett verstanden. Was wir nicht gelernt haben: dass Signale ihre Wirkung temporär verlieren können, so wie jetzt die Fundamentaldaten. Rein analytisch betrachtet ist das fundamentale Börsenumfeld schließlich immer noch recht ordentlich, doch das interessiert die Marktteilnehmer derzeit bei ihren Anlageentscheidungen nicht.

Ein klassisches anderes Beispiel für eine rote Ampel, die früher mitten in der City stand und dann plötzlich auf die Landstraße der (temporären) Irrelevanz wechselte: die Geldmenge. Einst ein eindeutiges Signal: steigende Geldmenge, steigende Inflationsgefahr, steigende Zinsen - die Ampeln für Aktieninvestments springen auf Rot, und selbstverständlich bleibt der Investor dann an der Seitenlinie stehen. Hatten wir so gelernt und hatte sich auch in der Vergangenheit bewährt. Nachdem wir mit unserem Fonds PEH Empire im Jahr 2008 gut durch die Finanzmarktkrise gesegelt waren und den Markt deutlich outperformt hatten, blieben wir vor der roten Ampel einer Geldmengenausweitung stehen und verfolgten eine eher defensive Anlagestrategie. Keine glückliche Entscheidung. Wir wissen mittlerweile alle, dass die Ausweitung der Geldmenge in den vergangenen Jahren alle möglichen Effekte an der Börse hatte, aber keine negativen.

Ich persönlich verfolge heute eine andere Strategie, und die funktioniert seit Jahren bestens. Ich behalte meine alten Ampeln, schaue intensiv darauf - und entscheide jedes Mal neu, wann ich mich nach welcher Ampel richte. Das ist mühsam, denn die klassischen Wenn-dann-Routinen werden damit bedeutungslos. Vielmehr muss man stets aufs Neue beobachten, welche Indikatoren aktuell eine Relevanz für den Markt haben und welche keine Beachtung finden. In unserer Anlagestrategie prüfen wir mittlerweile wöchentlich die aktuelle Aussagekraft von verschiedenen Indikatoren.

Natürlich darf man es sich als Fondsmanager auch mit diesem Ansatz nicht zu einfach machen: Denn vielleicht steht eine Ampel aus Kapitalmarktsicht demnächst weder in der Frankfurter City noch auf einer ostfriesischen Landstraße, sondern beispielsweise in der Innenstadt von Neapel: Dort sollte man als Fußgänger bekanntermaßen auch bei grünem Leuchtzeichen nicht einfach auf die Straße stürmen.