Als der Japanese Government Pension Investment Fund (GPIF) im Dezember ankündigte, dass er künftig keine Aktien mehr verleihen werde, fachte er damit eine schon lange schwelende Debatte wieder an. Denn durch die gängige Praxis des Verleihens von Aktien und Anleihen erzielen Fondsmanager relativ leicht zusätzliche Erträge. Doch bedenken sie dabei auch alle Nebeneffekte?

Diejenigen, die diese Praxis verteidigen, würden sagen, dass der durch die Wertpapierleihe ermöglichte Leerverkauf von Aktien dazu diene, den fairen Preis zu ermitteln. Immerhin würden Shortseller Schwachstellen in den von ihnen angegriffenen Unternehmen offenlegen. Ich bezweifle jedoch, dass dies, volkswirtschaftlich gesehen, eine große Bedeutung hat. Zumindest die wachsende Zahl extrem erfolgreicher Unternehmen, die zu einer enormen Größe heranwachsen, ohne an einer Börse gelistet zu sein, finden ihren wahren Wert ganz gut ohne den Mechanismus des Shortselling. Das gilt auch für die in Europa so zahlreich vertretenen Familienunternehmen, die in Generationen statt in Millisekunden denken.

Der ursprüngliche Zweck von Kapitalmärkten besteht doch darin, Unternehmen Kapital zur Verfügung zu stellen, die Wohlstand zum Nutzen der Gesellschaft im Allgemeinen schaffen. Dies lässt sich am besten durch eine langfristige Perspektive und überlegte Entscheidungen erreichen. Tatsächlich jedoch begünstigt unser Finanzsystem kurzfristigen Handel und Spekula­tion. Die Wertpapierleihe ist dafür ein gutes Beispiel: Sie ist nur ein Teil eines hochprofitablen Wirtschaftszweigs, der sich dem Sekundärhandel mit Wertpapieren und ihren Derivaten widmet. Sie trägt wenig zum Fortschritt der Gesellschaft bei - und produziert dabei noch nicht einmal viel Gewinn. Bei einem Drittel der von uns untersuchten Fonds waren es zwischen 0,01 und 0,05 Prozent, nur bei einem Bruchteil der Fonds bezifferte sich die Rendite aus der Leihe auf mehr als 0,1 Prozent. Wir schätzen, dass der GPIF aus dieser Tätigkeit Einnahmen von etwa 2,5 Basispunkten (0,025 Prozent) erzielt und dass die Gebühren an Finanzintermediäre fast ein Drittel der Einnahmen ausmachen.

Schlimmer noch: Ein Teil der Einnahmen aus der Wertpapierleihe fließt gar nicht in das Sondervermögen des Fonds, vielmehr streichen die Asset Manager sie für sich ein. Das ist mit unserem Verständnis eines Fondsmanagers als Treuhänder nicht vereinbar. Hier kommt ein weiterer Aspekt ins Spiel: die Ausrichtung von Portfolios an ESG-Kriterien, insbesondere am "G" wie Governance. Aktive Aktionäre sind gut für ein Unternehmen. Aber sie können einen stärkeren positiven Einfluss ausüben, wenn sie tatsächlich dauerhaft investieren. Aktien einem Leerverkäufer zu leihen läuft einem konstruktiven Engagement zuwider und kann geradezu unverantwortlich sein, vor allem wenn die Stimmrechte eines Investors vorübergehend auf Dritte mit diametral entgegengesetzten Interessen übertragen werden.

Denn für jene Zeit, in der die Aktien verliehen sind, übt der Ausleiher die Stimmrechte aus. So kann es für die tatsächlichen Besitzer mitunter schwierig werden, die verliehenen Aktien rechtzeitig zum Hauptversammlungstermin zurückzurufen. Damit kann gerade bei kurzfristig anberaumten außerordentlichen Hauptversammlungen die Stimmabgabe des eigentlichen Eigentümers behindert werden. Mit dem kuriosen Ergebnis, dass gerade über wichtige Fragen, die die Zukunft eines Unternehmens betreffen, nicht die eigentlichen Eigner mitentscheiden, sondern die kurzfristigen Ausleiher. Und das sind in den meisten Fällen die Spekulanten, die auf fallende Aktienkurse wetten.

Fonds, die ihre Aktienbestände verleihen, erleichtern Akteuren mit destruktiven oder sehr kurzfristigen Absichten also das Spiel und heizen auf diese Weise die Volatilität der Aktien an. Der Schaden für den Anleger ist größer als sein Nutzen.

Charles Plowden


Plowden studierte in Oxford Geschichte. Nach dem Studium begann er seine Karriere 1983 bei der schottischen Fonds­gesellschaft Baillie Gifford. Mehr als 20 Jahre war er Mitglied des Managementteams für britische Aktien, 1988 wurde er Part­ner, 2006 übernahm er die Verantwortung für den gesamten Investmentbereich des Fondshauses. Das von Baillie Gifford verwaltete Vermögen beträgt rund 225 Milliarden Euro.