Die "Unexplained Wealth ­Order" (UWO) soll Behörden in ihrem Vorgehen gegen Individuen unterstützen, die auf illegitime Weise erlangte Gelder zum Erwerb von Vermögensgegenständen in Großbritannien nutzen.

Wie Donald Toon von der britischen National Crime Agency letztes Jahr betonte, ist die Unexplained Wealth Order ein äußerst effektives Mittel, um gegen das Problem der Geldwäsche im Londoner Immobilienmarkt vorzugehen. Dies wird insbesondere durch die Beweislast­umkehr erreicht sowie durch den großen Interpretationsspielraum bei der Identifikation verdächtiger Personen und den großen Druck, der durch die öffentlichen Verfahren auf die Angeklagten ausgeübt wird. Doch seit der Einführung der UWO im Januar 2018 gab es bisher keinen einzigen Fall, bei dem es zu einer erfolgreichen Verurteilung gekommen wäre. Die negativen Folgen für die britische Wirtschaft könnten hingegen weitreichend sein.

Zwang zur Darlegung der eigenen Vermögenslage


UWOs können von den britischen Vollstreckungsbehörden beim High Court für Vermögensgegenstände im Wert von mehr als 50.000 Pfund beantragt werden. Die Besitzer der Vermögensgegenstände müssen einer von zwei Kategorien angehören.

Bei Ersterer handelt es sich um Personen, welche einer schweren Straftat verdächtigt werden oder zu einem beliebigen Zeitpunkt mit einem mutmaßlichen Straftäter in Verbindung standen. Bei Personen mit Herkunftsland außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums reicht es hingegen bereits, wenn sie als sogenannte politisch exponierte Person (PEP) eingestuft werden können oder mit einer solchen Person in Verbindung standen. Damit sind Menschen gemeint, welche aufgrund ihrer herausragenden Position in der Öffentlichkeit für Korruption anfällig sein könnten. Ein Verdacht auf kriminelle Aktivitäten ist dann nicht notwendig.

Die britischen Behörden haben somit einen großen Spielraum bei der Identifikation verdächtiger Personen. Einer UWO wird vom High Court stattgegeben, sofern der begründete Verdacht besteht, dass die auf legale Weise erlangten Einkünfte des Eigentümers nicht ausreichen, um den fraglichen Vermögensgegenstand zu erwerben.

Der Besitzer des jeweiligen Gegenstands ist sodann gezwungen, den Vollstreckungsbehörden zu beweisen, dass er die finanziellen Mittel auf legale Weise erlangt hat. Der Erfolg dieses Vorhabens kann jedoch von zufälligen Faktoren abhängen, etwa ob jahrzehntealte Geschäftsunterlagen noch erhältlich sind. Sofern dies dem Angeklagten innerhalb der gesetzten Frist nicht gelingt, gilt der Verdacht der Geldwäsche als bestätigt, und es kann zu einem zivilen Enteignungsverfahren kommen.

Ein besonderes Merkmal von UWOs ist die Beweislastumkehr. Entgegen der sonst üblichen Praxis, wonach es dem Kläger obliegt, die Schuld des Angeklagten glaubhaft darzulegen, muss im Falle einer UWO der Angeklagte die Behörden von seiner Unschuld überzeugen. Der häufig zitierte Grundsatz "in dubio pro reo" scheint damit ebenso über den Haufen geworfen zu sein wie die Garantie des Grundrechts auf Eigentum. Aufgrund dieser vergleichsweise extrem niedrigen rechtlichen Hürden ist das Instrument denn auch umstritten.

Zudem scheint auch die praktische Umsetzung von UWOs durch die britischen Behörden fragwürdig zu sein. Und die negativen Aspekte, die eine solche Anklage für die betroffenen Personen mit sich bringt, werden vollständig ausgeblendet, insbesondere was den Schutz der Identität der Angeklagten anbelangt. Es ist einer der Grundsätze des modernen Rechtsstaats, eine ungerechtfertigte Anklage zumindest anfechten zu können. In Großbritannien ist die Anfechtung einer UWO zwar möglich, jedoch nur in einem öffent­lichen Gerichtsverfahren, durch welches die Identität des Angeklagten unweigerlich bekannt wird.

Wie groß das mediale Interesse an diesen Gerichtsverfahren ist, hat sich im Fall von Zamira Hajiyeva, dem ersten Anwendungsfall einer UWO, unlängst gezeigt. Nachdem ihr Ehemann, einst Chef der staatlichen International Bank in Aserbaidschan, dort wegen Finanzverbrechen verurteilt worden war, geriet sie wegen ihres aufwendigen Lebensstils ins Visier der Ermittler. Und wer eine UWO anfechten will, riskiert, sich damit auf die Titelseiten sämtlicher Boulevardblätter zu katapultieren. Die Schädigung der privaten sowie der geschäftlichen Reputation ist enorm und kaum mehr rückgängig zu machen.

Hinzu kommt, dass im Zuge von UWOs häufig sämtliche Bankkonten ­gesperrt werden, und zwar auch jene Geschäftskonten, auf die mehrere Geschäftspartner zugreifen können. Durch UWOs werden somit nicht nur die direkt Angeklagten, sondern eine ganze Reihe unbeteiligter Personen geschädigt. Das Risiko einer ungerechtfertigten Anschuldigung wird zudem zusätzlich vergrößert, indem sich UWOs explizit gegen den Besitz vermögender und politisch exponierter Personen mit Herkunftsland außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums richten. Wie die britische Zeitung "The Guardian" kürzlich berichtete, besteht die Gefahr, dass UWOs von den Regimen verschiedener Staaten dazu instrumentalisiert werden, unliebsame Mitbürger öffentlich in Verruf zu bringen.

Negative Folgen auch für die gesamte britische Wirtschaft


Großbritannien und insbesondere London gehören zu jenen Regionen, die weltweit am meisten ausländische Direktinvestitionen anziehen. Besonders für Investoren, die nicht aus dem Europäischen Wirtschaftsraum stammen, ist das hohe Maß an Rechtssicherheit in Großbritannien häufig der ausschlaggebende Faktor bei der Entscheidung für einen Investitionsstandort. Genau diese Zielgruppe dürfte vor dem Hintergrund der neuen Rechts­praxis allerdings vermehrt davor zurückschrecken, ihr Kapital in Großbritannien anzulegen, müssen sie doch jederzeit damit rechnen, zum Zielobjekt einer UWO zu werden und ihre Investitionen zu verlieren.

Im Hinblick auf das anhaltende Chaos im Zuge des Brexits wäre das Ausbleiben solcher Investitionen für die britische Wirtschaft fatal, denn die ausländischen Direktinvestitionen im Vereinigten Königreich sind allein im Jahr 2018 bereits um 13 Prozent gesunken. Eine weitere Schwächung des Wirtschaftsstandorts durch die Einführung umstrittener Rechtsinstrumente wie der UWO scheint daher wenig ratsam, und die britische Regierung sollte sich gut überlegen, wie viel Freiraum sie den Vollstreckungsbehörden wirklich zugestehen möchte.

Kurzvita

Gregory Nöthiger
Strategieberater bei Hendricks & Schwartz
Nöthiger hat an der Universität St. Gallen ­International Affairs studiert und anschließend Erfahrungen bei einem mittelgroßen Fonds sowie einem Start-up im IT-Bereich und einer ­Beratungsfirma ge­sammelt. Politik, internationales Recht und das Zusammenspiel von öffentlichem Sektor mit der Finanzwirtschaft ­interessieren ihn seit ­jeher. Nöthiger berät derzeit Fintechs im ­Bereich Regulierung.