von Dirk Elsner

Die Postbank will in einer Studie herausgefunden, dass auch die technikaffinen Menschen in Deutschland mit ihrem Geld gar nicht so "digital" umgehen, wie dies gern vermutet wird. Und die Noch-Tochter der Deutschen Bank hält die digitalen Deutschen bei Finanzen sogar für konservativer als den Bundesdurchschnitt. Tatsächlich spielt das Thema Digitalisierung des Bankgeschäfts außerhalb der Kreise, die sich beruflich damit befassen, bisher kaum eine Rolle. Eine nicht repräsentative Fragerunde unter meinen Neffen und Nichten, die ich zur Generation Y rechne, zeigte, dass niemand auch nur einen der viele Anbieter kennt, über die ich seit Jahren schreibe. Alle nutzen für ihre Geld- und wenigen Anlagegeschäfte weiter klassische Banken. Das machen sie in der Regel online und per Smartphone. Ja, und alle sind auch ab und zu einmal in einer Bankfiliale.

Eine grafische Übersicht der Postbank suggeriert aber, dass die Filiale der Hauptkontaktpunkt auch für die Online-Generation ist. Daran habe ich erhebliche Zweifel, denn die meisten Kontakte wird auch die junge Generation per Smartphone und online mit der eigenen Bank haben.

Letztlich ist es wohl eine Frage des Designs der Studie, welche Ergebnisse man bekommt. Und Banken sollten sich die Entwicklung auch nicht schön reden. Eine Studie von Investors Marketing aus dem Frühjahr spricht von "massiven Wahrnehmungsdiskrepanzen" in Banken. Danach gingen Führungskräfte von Banken davon aus, dass 77% ihrer Kunden dem persönlichen Berater vertrauen. Allerdings sehen das nur 35% der Kunden ebenso. Auch die von außen wahrgenommene Kompetenz der Bank in finanziellen Fragen wird von den Banken gerne überschätzt.

Sollte die Filiale tatsächlich noch die große Bedeutung haben, wie sie die Studie der Postbank suggeriert, könnte man sich fragen, warum Banken nicht noch viel mehr Zweigstellen eröffnen. Ralf Keuper stellt süffisant in seinem Blog fest, dass die Fakten eine andere Sprache sprechen und postet eine Auswahl von Meldungen über Filialschließungen bei Banken und Sparkassen der letzten Wochen.

Die Gesamtzahl der Zweigstellen in Deutschland ging nach Daten der Bundesbank auch im Jahr 2014 weiter zurück. Ende 2013 gab es noch 36.196 Zweigstellen, die Anzahl sank im Laufe des Jahres 2014 um 894 auf nunmehr 35.302 Zweigstellen. Dies entspricht einem Rückgang von 2,5 %. Im Jahr 2013 betrug der Rückgang nur 0,2 % im Vergleich zu 3,8 % in 2012. Durchschnittlich kommt in Deutschland pro 2.174 Einwohner eine Bankstelle. Die Abbildung zeigt den schleichenden Rückgang der Filialen.



Viele Zweigstellen sind immer noch zu teuer. Bundesbank Vorstand Dr. Andreas Dombret sieht daher in einer weiteren Reduktion des Filialnetzes eine Möglichkeit, die Ertragskraft der Banken zu stärken.

Ich hatte schon einmal an anderer Stelle geschrieben, dass die Zuspitzung auf ein "entweder Filiale oder nur noch digitales Banking" eher der Fesselung der Leser dient, aber an der Realität vorbeigeht. Während viele neue Dienstleister aus dem Finanztechnologie-Sektor (FinTechs) heute ausschließlich auf den Online-Kontakt per PC, Smartphone oder Tablet setzen, halten die meisten klassischen Banken an einer Mehrkanalstrategie fest.

So verkehrt ist diese Strategie aber nicht. Auch ich wünsche mir eine Kombination aus mobilen und online-Angeboten, möchte im Zweifel aber auch stets eine persönliche Kontaktstelle haben. Gerade beim Thema Finanzen spielt Vertrauen eine besondere Rolle. Und man muss nicht Psychologie studiert haben, um zu wissen, dass Vertrauen über persönliche Kontakte leichter aufgebaut wird als über technische Plattformen. Gleichwohl muss man aber klar feststellen, dass der für Unternehmen immer teurer werdende persönliche Kontakt sich auf komplexere Leistungen beschränken wird. Das dafür notwendige Spezial-Know-How lässt sich nicht in jeder Zweigstelle vorhalten. Das führt im Ergebnis dazu, dass die im persönlichen Gespräch benötigten Spezialisten eher in Kompetenzzentren konzentriert werden und nicht in der Filiale vor Ort.

Die zentrale Frage für Banken ist daher nicht, ob sie noch Zweigstellen braucht, sondern wie sie herausfindet, für welche Leistungen eine persönliche Interaktion notwendig ist und wie diese am effektivsten geliefert werden kann. Hier gibt es auch pfiffige neue Ideen. So hat die polnische Idea Bank einen Auto-Service eingeführt. Und das ist wörtlich gemeint. Kunden können nämlich über eine App einen fahrbaren Bankautomat bestellen, der dann zum Kunden kommt.

Ob solche oder eines Tausender anderer Konzepte die klassische Bankfiliale ersetzt ist, ist heute offen. Fakt ist, dass sich viele Zweigstellen optisch in den letzten Jahren kaum weiterentwickelt zu haben scheinen. Wir werden auch in 10 Jahren noch physische Bankstellen besuchen wollen. Diese werden aber ganz anderen Ansprüchen gerecht werden müssen. Digitale und persönliche Kontakte werden dann so eng miteinander verwoben sein, dass es keine Rolle spielt, über welchen Kanal der Kunde kommt. Mit der Verbreitung digitaler Kanäle ändert sich deutlich die Perspektive für Banken, in denen die verschiedenen Kanäle der Kunden nebenher stehen.

Während früher die Zweigstelle das Zentrum für die eigentliche Durchführung der Geschäfte war und es für Banken wichtig war, dass Geschäftsstellen in der Nähe des Kunden waren, hat sich dies fundamental geändert. Der bequeme tägliche Zugang erfolgt längst über digitale Kanäle. Und trotz all dieser Veränderungen, vertrauenswürdige Beziehungen werden auch im digitalen Zeitalter vor allem durch den persönlichen Kontakt hergestellt und gefestigt. Vielleicht sind wie auch immer ausgestattete Bankfilialen künftig das letzte Merkmal, mit dem sich Banken von neuen Wettbewerbern abheben können, die nur noch digital unterwegs sind.

Dirk Elsner arbeitet als Unternehmensberater für die Innovecs GmbH.