BÖRSE ONLINE: Herr Nieding, die Deutsche Bank stärkt ihren Aufsichtsrat mit Investmentbankern, allen voran dem umstrittenen Ex-Chef von Merrill Lynch, John Thain, dessen Name auch für Boni-Exzesse an der Wall Street steht. Halten Sie diese Weichenstellungen für richtig?


Klaus Nieding: Ich bewerte die vorgeschlagenen Kandidaten vom Grundsatz her positiv. Es ist richtig, dass bei einem Institut mit einem so starken Geschäftsbereich Investmentbanking auch erfahrene Investmentbanker im Aufsichtsrat sitzen.

Ex-SAP-Chef Henning Kagermann und Ex-Eon-Chef Johannes Teyssen scheiden dagegen aus dem Gremium aus. Verliert die Deutsche Bank dadurch nicht weiter den Rückhalt in der deutschen Industrie?


Was wir vermissen, ist in der Tat eine stärkere Präsenz von Vertretern der deutschen Industrie. Da bleibt im Gegensatz zu früher jetzt nur noch ein Kandidat übrig, Herr Norbert Winkeljohann, den ich allerdings ebenfalls für eine gute Wahl halte. Es wäre aus meiner Sicht aber für das künftige Geschäft der Bank wichtig gewesen, sich noch mit weiteren Industrievertretern zu stärken. Der Mittelstand, der ja ausweislich der Äußerungen der Bank stärker in den Fokus rücken soll, ist überhaupt nicht vertreten. Wir fordern Aufsichtsratschef Paul Achleitner auf, sich zukünftig bei Revirements entsprechend umzuschauen.

Derzeit schaut sich Aufsichtsratschef Paul Achleitner insbesondere nach einem Nachfolger für den in Ungnade gefallenen Vorstandschef John Cryan um. Wie bewerten Sie diese öffentliche Demontage?


So etwas gehört hinter verschlossenen Türen diskutiert und geregelt und nicht auf dem öffentlichen Marktplatz. Das ist man dem Ansehen der Bank und der beteiligten Personen schuldig. Äußerst schlecht für die Bank sind die Gerüchte, wonach offenbar einige angesprochene Kandidaten aus welchen Gründen auch immer abgewunken haben sollen. Ich empfehle daher, dass dieses Thema mit der nötigen Sensibilität behandelt wird. Schließlich reden wir hier auch über kursrelevante Tatsachen.

Angesichts des Missmanagements: Werden Sie Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bank auf der Hauptversammlung am 24. Mai entlasten?


Das hängt von der weiteren Entwicklung der Angelegenheit ab. Wenn überhaupt, beträfe das aber nur den Aufsichtsrat. Ich kann gegenwärtig nicht erkennen, wieso der Vorstand im Hinblick auf die Nachfolgediskussion von Herrn Cryan nicht entlastet werden sollte.

Im Zuge der Strategiediskussion ist erneut der Vorschlag aufgetaucht, das Privat- und Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank mit dem der Commerzbank zu fusionieren. Für wie wahrscheinlich halten Sie diese Überlegungen?


Ich halte Kooperationen in einzelnen Geschäftsbereichen für weitaus wahrscheinlicher als eine echte Fusion.