In den vergangenen Jahren sind die Anleger in Scharen in Märkte gelaufen, in denen noch ordentliche Kupons zu holen sind: zum Beispiel High-Yield-Anleihen oder Schwellenländeranleihen. Demgegenüber werden Nachranganleihen von vielen Anlegern noch immer unterschätzt - und das, obwohl hier bei einer klugen Auswahl der Anleihen bessere Risiko-Rendite-Profile als in vielen anderen Marktsegmenten locken.

Nachranganleihen bieten deutlich höhere Kupons als vergleichbare vorrangige Anleihen des gleichen Emittenten. Das geht einher mit einem höheren Risiko, denn im Falle einer Insolvenz des Emittenten werden die Ansprüche der Investoren von Nachranganleihen eben nachrangig bedient. Gut für Anleger: Diese Risiken lassen sich verstehen und steuern, indem man etwa die Bilanzqualität des Emittenten und auch die individuellen Bedingungen der Anleihen fundiert analysiert. Weil die Nachranganleihen komplizierter gestaltet sind als herkömmliche Anleihen, passiert es oft, dass der breite Markt den fairen Wert einer Nachranganleihe falsch einschätzt. Solche Ineffizienzen sind für aktive Manager die große Chance.

Besonders attraktiv sind derzeit CoCo-Anleihen von Banken und Versicherungen, also diejenigen Nachranganleihen, die bei einer Schieflage des jeweiligen Emittenten unter bestimmten Bedingungen von Fremdkapital in Eigenkapital gewandelt werden. Gerade bei deren komplizierten Prospekten steckt der Teufel im Detail und kann für die Abwägung von Risiken und Chancen große Unterschiede machen. Wegen des bedingten Wandlungsrechts gelten sie zudem für Investoren als besonders risikoreich - und sind mit entsprechend höheren Zinskupons versehen als vorrangige Anleihen.

Der Markt fürchtet aber die geopolitischen Risiken, die auf den Banken lastenden niedrigen Zinsen und nicht zuletzt die schwache Konjunktur, die nun durch das Coronavirus weiter belastet wird. Dies drückt auf die Kurse der CoCos. Allerdings verkennt der Markt, welche enormen Fortschritte die Banken seit der Finanzkrise gemacht haben. Seither haben sich Kapital und Liquidität sowie die Qualität der Kredit- und Handelsbücher deutlich verbessert, und die Banken sind für Gegenwind besser positioniert. Die starke Regulierung ist ein weiterer Vorteil, weil sie für striktes Risiko- und Kapitalmanagement sorgt.

Stimmen muss natürlich auch das Geschäftsmodell des jeweiligen Instituts. Das ist zwar bei deutschen Instituten aktuell weniger der Fall, insgesamt sehen wir aber europäische Institute als gut aufgestellt und halten viele ihrer CoCo-Anleihen für attraktiv. Auch einige Versicherungskonzerne in Europa haben derzeit für Investoren aussichtsreiche CoCo-Papiere am Markt. Für Investoren von Nachranganleihen ist eine fundierte Analyse der einzelnen Emissionen zwar entscheidend, doch sollten sie sich mitnichten auf wenige Einzeltitel fokussieren. Eine Streuung der Risiken ist in diesem Markt von großer Bedeutung.

Dabei nicht zu vernachlässigen sind neben den CoCos auch herkömmliche Nachranganleihen ohne eingebautes Wandlungsrecht. Wir nennen diese Anleihen NoCos. Zu den wichtigsten Emittenten gehören hier neben Banken und Versicherungen zum Beispiel Energieversorger. Auch diese Papiere bieten zum Teil noch sehr attraktive Risiko-Rendite-Profile, die den breiten Anleihemärkten überlegen sind. Anders sieht es dagegen im Segment der Nachranganleihen aus, die vor allem in den USA in 25-Dollar-Stückelung für Privatanleger angeboten werden. Viele Emissionen rentieren hier bereits sehr niedrig, sodass die Risiken hier oft nicht entsprechend vergütet werden. Das Beispiel der CoCo-Bonds zeigt jedoch: Wer sich an den speziellen Markt der Nachranganleihen herantraut und konsequentes Risikomanagement betreibt, der kann Renditen einfahren, die am breiten Anleihemarkt bestenfalls eine schöne Erinnerung sind.


Mark Lieb

Lieb hat Wirtschaft am Connecticut State College studiert und hält einen MBA in Finance der University of Hartford. Er ist Gründer, Präsident und CEO der US-Anlagefirma Spectrum Asset Management aus Stamford, Connecticut, die sich auf nachrangige Anleihen spezialisiert hat. Lieb gilt als Miterfinder der nachrangigen Anleihen, die er vor 33 Jahren bei seinem damaligen Arbeitgeber Drexel Burnham entwickelte.