Es geht weiter aufwärts an den Börsen. Weltweit. Dabei sind es vor allem die amerikanischen Techaktien sowie Mega-Caps - also die ganz großen Unternehmen mit mehreren Hundert Milliarden Dollar Marktkapitalisierung -, die von Rekordhoch zu Rekordhoch klettern. Auffällig ist außerdem, dass gleichzeitig der US-Dollar steigt und inzwischen auf einem Niveau notiert, das zuletzt vor drei Jahren erreicht wurde. Was hat das zu bedeuten? Haben wir es mit einer Flucht in den viel zitierten sicheren Hafen zu tun? Sicheres Wachstum und gleichzeitig keine Pro­bleme mit dem Coronavirus?

Vermutlich. Die Unsicherheiten in Fernost rund um Covid-19 bestehen schließlich weiterhin, auch wenn die chinesische Notenbank PBOC alles tut, um die Finanzmärkte am Laufen zu halten. Mit jeder Menge Liquidität, mit dem Verbot von Leerverkäufen, und mit der Anweisung an Großinvestoren, Investments nicht auf den Markt zu werfen. Auch deswegen kam es zu keinem Ausverkauf an den Börsen in Shanghai und Shenzhen. Trotzdem sind die Straßen in den chinesischen Metro­polen weiterhin gespenstisch leer und viele Fabriken immer noch geschlossen.

Trotz der Aktienrally herrscht also nicht gerade Hurrastimmung. Das sieht man auch in anderen Bereichen des Finanzmarkts. Abgesehen von der Flucht in den US-Dollar zeigt sich die Skepsis an den schwachen Rohstoffmärkten. Siehe Kupferpreis, siehe Ölpreis. Und man sieht es an den fallenden Notierungen der Rohstoffwährungen australischer und kanadischer Dollar.

Gleichzeitig machen auch die Nachrichten aus der Unternehmenswelt Sorgen. Autobauer wie Nissan, Hyundai und Kia Motors haben bereits die Produktion heruntergefahren, ebenso der iPhone-­Produzent Hon Hai Precision. Die globalen Lieferketten sind definitiv gestört.

V-förmige Erholung


An den Aktienmärkten scheint man derweil davon auszugehen, dass die Ausbreitung des Virus in nicht allzu ferner Zukunft eingedämmt wird. Und dass auch die weltweite Konjunkturentwicklung nur temporär beeinträchtigt wird und keinen großen Schaden nimmt. In der Ökonomensprache heißt das dann in Anlehnung an eine grafische Darstellung "V-förmige Erholung": schnell runter und genauso schnell wieder rauf. Im Gegensatz zu einer U-Form oder gar L-Form, bei denen konjunkturelle Dellen über längere, schmerzhaftere Perioden auszugleichen sind. Dass sich die Aktienmärkte relativ unbeeindruckt zeigen, hat inzwischen zu hohen Bewertungen geführt. Ein in den USA viel beachteter Indikator ist "The Rule of 20". Hier wird traditionell zum Kurs-Gewinn-Verhältnis des S & P 500 die CPI-Inflationsrate hinzugezählt. Ein Warnsignal entsteht immer dann, wenn die Kennziffer höher als 20 ausfällt. Im Moment steht sie bei 21,6 - so hoch war der Wert zuletzt Ende der 90er-Jahre während der Techblase.

Nun reicht ein Indikator allein nicht aus, um eine Entscheidung für oder gegen ein Investment zu fällen. Zumal andere Faktoren wie vor allem die Notenbankpolitik gegenteilige Signale senden. Außerdem gilt nach wie vor, dass ein Rekordhoch selten allein kommt und die Rally sozusagen die Rally füttert. Wir bleiben daher weiterhin vorsichtig optimistisch, raten aber gleichzeitig dazu - wie schon im vorangegangenen Heft -, die Cashquote auf 20 bis 25 Prozent hochzufahren, um das Risiko etwas zu reduzieren.