Das klingt optimistisch: Die amerikanische Wirtschaft stehe am Wendepunkt zu mehr Wachstum. So formulierte es Jerome Powell beim Fernsehsender CBS, der ein längeres Interview mit dem US-Notenbankpräsidenten führen durfte. "Wir sind an einem Punkt, an dem die Wirtschaft beginnt, viel stärker zu wachsen", sagte Powell. Die Aussichten für eine weitere konjunkturelle Erholung hätten sich "erheblich aufgehellt". Der Notenbanker verwies dabei vor allem auf die bessere Lage auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt. Auffällig ist, dass Powell das nicht das erste Mal gesagt hat. Bereits in den zurückliegenden Wochen hat der Notenbanker mehrfach auf die konjunkturelle Stärke in den USA verwiesen. Gleichzeitig machte er aber auch immer wieder klar, dass er die lockere Geldpolitik vorerst ohne Abstriche fortsetzen wird.

Unerwartete Rückschläge


Offensichtlich will man sich alle Optionen offenhalten. Das wurde auch auf der jüngsten Frühjahrstagung von IWF und Weltbank deutlich, auf der sich die anderen großen Notenbanken ebenfalls weiter zur expansiven Geldpolitik bekannten. Denn trotz der billionenschweren Geldspritzen hinkt die Realwirtschaft gerade in der Eurozone im Vergleich zu den USA und China hinterher. Eine Enttäuschung lieferte zuletzt die deutsche Industrieproduktion: Die nahm im Februar um 1,5 Prozent ab, statt wie erwartet zu steigen. Nach dem negativen Januar ist das schon der zweite Rückschlag in Folge. Allerdings könnte das Minus auch mit Verzögerungen in den Lieferketten zu tun haben, da es an Aufträgen eigentlich nicht mangelt.

Aus diesem Grund bleiben die Geldschleusen eben offen. Zur Sicherheit. Zudem hat man gerade in Europa noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: Dass der Austritt Großbritanniens aus der EU-Zollunion und dem EU-Binnenmarkt beispielsweise zu einem ernsten Problem in Nordirland werden würde, hat man in den zurückliegenden Tagen gesehen, als es zu massiven Ausschreitungen in Belfast und Londonderry kam.

Dass die Notenbanken die Konjunktur so massiv stützen, zeigt sich an den Börsen - vor allem an den Handelsplätzen der westlichen Welt. So erzielte etwa der amerikanische S & P 500 dreimal in Folge ein Wochenplus. Ähnlich stark aufwärts ging es mit dem DAX und dem Euro Stoxx. Die klassischen Wachstumsbörsen in den Schwellenländern sind mit dieser Entwicklung zuletzt nicht mitgekommen.

Unerwartete Investitionen


Insgesamt sieht es also gar nicht so schlecht aus. John Vail, Chefstratege beim Geldverwalter Nikko Asset Management, erwartet jedenfalls, dass das Wachstum der Weltwirtschaft den Marktkonsens leicht übertreffen wird und es an den Aktienmärkten somit weiter aufwärts geht. "Die Impfkampagnen dürften den Optimismus einer viel größeren Anzahl von Anlegern steigern. Geopolitische Risiken sollten die wirtschaftliche Aktivität nicht beeinträchtigen", so Vail. Er geht davon aus, dass in den USA der private Konsum stark ansteigen wird, ebenso die Investitionen des privaten Sektors. "Besonders ausgeprägt dürfte der Umschwung Richtung Optimismus aber in der Eurozone und in Japan ausfallen", sagt Vail. Die Stimmung der Unternehmen werde die Investitionen in überraschendem Maße ankurbeln. Auch das dürfte ein guter Grund sein, weiter investiert zu sein, vor allem in zyklischen Aktien.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com