Der Juli neigt sich dem Ende zu. Er beschert den Börsen ein Plus. Und das, obwohl gerade der US-Arbeitsmarkt noch immer stark angeschlagen ist, die amerikanische Wirtschaft angesichts der Krisenfolgen fragil wirkt. Aber das scheint bei den Anlegern und Investoren schon abgehakt. Offensichtlich geht man einhellig inzwischen von einer vollständigen Erholung der Weltwirtschaft im kommenden Jahr aus.

So oder so macht sich wieder etwas mehr Optimismus breit: "Die Corona-Rezession könnte zum kürzesten Wirtschaftsabschwung aller Zeiten werden", sagt etwa Jeffrey Schulze, Investment-Stratege bei Clearbridge Investments. Maßgeblich verantwortlich dafür sei die Geldpolitik der US-Notenbank Fed, die die Wall Street stützt, und die Maßnahmen des Kongresses, der sich um die Realwirtschaft kümmert. In Europa wiederum ist es neben der EZB-Politik der jüngste Schulterschluss in Brüssel, der mit dem größten Finanzpaket der EU-Geschichte endete.

All diese stimulierenden Impulse sorgen gleichzeitig für steigende Asset-Bewertungen weltweit - von Aktien über Anleihen bis hin zu Edelmetallen oder Immobilien. Die politische Unterstützung in bisher nicht gekanntem Ausmaß absorbiert anscheinend einen großen Teil des vorangegangenen Schocks. Dass die Märkte mit Liquidität geflutet werden, "wirkt daher wie ein Sicherheitsnetz für Asset-Preise", folgert die Investmentgesellschaft Lyxor.

Wieder positive Indikatoren


Auch die Stimmungsindikatoren zeigen eine Fortsetzung der Erholung an. Die Einkaufsmanagerindizes für die Eurozone beispielsweise haben sich im Juli kräftig verbessert. Der Gesamtindex ist von 48,5 Punkten auf fast 55 Punkte gestiegen. Der wesentliche Schub kam dabei aus dem Dienstleistungsbereich, der von der Krise ja besonders gebeutelt war. Und hier wiederum waren es die Geschäftserwartungen, die den Index nach oben getrieben haben. Die Wirtschaft scheint also nach dem noch nie erlebten Einbruch eine ebenso rasante Erholung hinzulegen.

Die guten Zahlen sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass man von extrem niedrigem Niveau kommt. Es ist noch ein weiter Weg zu Vollbeschäftigung und ausgelasteten Produktionskapazitäten. Interessant findet Stratege Schulze derweil, dass dabei immer noch viel Geld gar nicht investiert ist: "Die Cashquote der Investoren fällt mit 18,8 Prozent der Marktkapitalisierung des Aktienmarkts sehr hoch aus", sagt er. "Wenn Investoren beginnen, dieses Kapital schließlich zu investieren, dürften auch kleinere Rückschläge am Aktienmarkt geglättet werden und Aktien ihren positiven Trend beibehalten."

Auch der Blick in die Geschichte zeigt, dass die kommenden Monate positiv verlaufen könnten: "Seit 1975 hat jede Rally, die innerhalb von 50 Tagen mehr als 20 Prozent Rendite eingebracht hat, auch danach für positive Renditen gesorgt", so Schulze. Im Mittel lag die Rendite innerhalb der folgenden sechs Monate bei 9,5 Prozent, innerhalb der folgenden zwölf Monate bei 17,2 Prozent.

Die neuen alten Risikofaktoren


Das Risiko dabei: Schießen die Anleger doch kein zusätzliches Kapital nach, kann es an den Märkten in den kommenden Monaten zu ungemütlichen Phasen kommen. Darüber hinaus tauchen nach dem Höhepunkt der Pandemie mit den wieder zunehmenden Handelsspannungen, den Wahlen in den USA und dem Brexit andere Risiken auf, die zur Herausforderung werden. Ein Selbstläufer ist diese Rally also sicherlich nicht.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com