von Julian Tietze, Rechtsanwalt

Bauzinsen sind in den vergangenen Jahren auf ein Rekordtief gefallen und machen den Immobilienkauf für viele Menschen attraktiv. Wer allerdings im vergangenen Jahrzehnt eine Finanzierung abgeschlossen und sich dabei für die üblichen zehn Jahre gebunden hat, hat von dem kontinuierlichen Zinsrückgang wenig gehabt. Nicht selten stehen in diesen Verträgen noch Zinssätze von fünf oder mehr Prozent - und die Häuslebauer schauen sehnsüchtig auf die aktuellen Konditionen von rund zwei Prozent. Doch die Baufinanzierer lassen ihre Kunden nicht aus den Verträgen heraus.

Allerdings ergibt sich nun für manche ein Ausweg. Denn die Banken haben in vielen Fällen Fehler gemacht, die den Kunden einen sofortigen Ausstieg aus den teuren Krediten ermöglichen. Konkret geht es dabei um die Widerrufsbelehrungen, die Bestandteil eines Kreditvertrags sind und es den Bauherren normalerweise ermöglichen sollen, innerhalb von 14 Tagen vom Vertrag zurückzutreten. Aufgrund einiger gesetzlicher Änderungen sind die Banken insbesondere zwischen 2002 und 2010 bei der Formulierung dieser Widerrufsklauseln in vielen Fällen von den Mustertexten abgewichen - ein Fehler, der sich nun rächt.

Denn durch diese Veränderungen wurden die Klauseln häufig unklar und damit unbrauchbar. So ergibt sich beispielsweise aus vielen Texten nicht eindeutig, wann die 14-tägige Widerrufsfrist denn nun genau beginnt. Zahlreiche Gerichte, einschließlich des Bundesgerichtshofs, haben entschieden, dass in solchen Fällen die Widerrufsfrist gar nicht zu laufen begonnen hat - mit der Konsequenz, dass Kunden auch heute noch widerrufen und somit mit sofortiger Wirkung von ihren teuren Finanzierungen zurücktreten können.

Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle. Schätzungen der Verbraucherzentralen zufolge sind rund 80 Prozent aller Baufinanzierungen betroffen, die zwischen November 2002 und Juni 2010 abgeschlossen wurden. Diese Zahlen decken sich auch mit den Erfahrungen, die wir in unserer Kanzlei gesammelt haben.

Die Chancen, aus einer teuren Immobilienfinanzierung auszusteigen und die gegenwärtig niedrigen Zinsen zu nutzen, stehen also nicht schlecht. Wer wissen möchte, ob ein solcher Widerruf auch für ihn infrage kommt, sollte zunächst die Widerrufsklausel seiner Finanzierung prüfen lassen. Das kann er zum einen kostenpflichtig bei einer Verbraucherzentrale tun, zum anderen bieten einige spezialisierte Anwälte kostenlose Ersteinschätzungen an.

Besonders spannend ist das Thema auch für all jene, die in den vergangenen Jahren eine Immobilienfinanzierung vorzeitig beendet haben und dabei eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen mussten. Auch hier lohnt sich eine nachträgliche Prüfung des Kreditvertrags. Wurde eine mangelhafte Widerrufsbelehrung verwendet, so bestehen auch hier recht gute Chancen, sich die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung von der Bank zurückzuholen.

Leider reagieren die Banken kaum, wenn sie nur durch den Kunden freundlich auf die potenziellen Mängel in den Kreditverträgen angesprochen werden. Die Erfahrung zeigt, dass es fast immer nötig ist, einen Anwalt einzuschalten. Sind die Argumente des Kunden gut, sprich ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft, dann knicken die meisten Banken jedoch früher oder später ein. Denn weitere Gerichtsurteile zu diesem Thema wollen sie um jeden Preis vermeiden.

Julian Tietze

ist Gründer der Frankfurter Kanzlei Tietze, Tsioupas und Partner. Spezialisiert ist er insbesondere auf Themen aus den Bereichen Banken- und Kapitalmarktrecht. Dabei vertritt er zahlreiche Mandanten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen Kreditinstitute. Zudem promoviert Rechtsanwalt Tietze an der Universität Wien.