Einzelhandel und Gastronomie haben schwere Wochen hinter sich, das aktuell noch zögerliche Konsumverhalten entspannt die Situation nur bedingt. Die finanziellen Einbußen durch den Lockdown haben den stationären Handel schwer getroffen und nehmen auch die Vermieter in die Pflicht, ihren Beitrag zur Rettung der Innenstädte zu leisten.

Immobilienvermieter stehen daher seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie in großer Verantwortung. Mit ihrer Verhandlungsbereitschaft für Mietstundungen oder gar Reduzierungen leisten sie einen Beitrag, per se gesunde Geschäftsmodelle auch bei stark eingebrochenen Umsätzen zu erhalten, Arbeitsplätze zu retten und Innenstädte vor steigenden Leerständen zu bewahren. Langjährige loyale Mieter zu binden, ist im Interesse der Investoren - das liegt auf der Hand. Hier gilt es aber nicht eindimensional zu denken, sondern die Gesamtsituation im Auge zu haben - Konzepte zu hinterfragen, nicht nur den Status quo zu betrachten, zwischen kurz- und mittelfristigen Auswirkungen zu differenzieren und dabei auch die Historie des Unternehmens und der Marke zu eruieren.

Die Krise wirkt auf viele angeschlagene Geschäftsmodelle wie ein Katalysator, deren Wirtschaftlichkeit auch ohne Covid-19 bereits starke Einbußen gezeigt hat. Es gilt also, jeden Mieter und jede Lage einzeln zu bewerten. Verfügt der in Not geratene Händler über ein Konzept, das mit den umliegenden Strukturen mittelfristig konkurrieren kann und das einen Mehrwert für die Attraktivitätssteigerung des Standorts bringt? Sprechen wir von kurzfristigen - soweit es die Einschätzungen aktuell zulassen - Umsatzeinbußen?

Bei Forderungen gegenüber den Vermietern, etwa nach einem Mietverzicht, muss immer auch die gesamte Wertschöpfungskette mitgedacht werden. Ist die Immobilie Teil eines Investmentfonds, stehen hinter dem Vermieter oftmals Kleinanleger, Versicherungsnehmer und Pensionäre. Ein Vermieter wirtschaftet dann nicht mit seinem eigenen Geld, sondern verwaltet Gelder, die ihm nicht gehören, und kann damit auch nicht eigenmächtig auf Ansprüche verzichten. Es muss zudem Rechtssicherheit gewährleistet sein, damit eine Einigung Bestand haben kann. Das gilt vor allem für Asset- und Fondsmanager, die ihren Investoren gegenüber treuhänderisch verpflichtet sind. Der freiwillige Verzicht auf Forderungen ohne Gegenleistungen ist mit diesen treuhänderischen Pflichten unvereinbar.

Vor allem aber stehen Immobilieninvestoren nicht nur gegenüber ihren Mietern in einer großen Verantwortung. Professionelle Investoren wie etwa Publikumsfonds, Lebensversicherungen, Pensionskassen oder Vermögenswerke tragen mit ihren Investments wesentlich zur Vermögensbildung und Altersvorsorge einer breiten Bevölkerung bei. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilie als Investment sollte nicht übersehen werden. Nahezu jeder Verzicht auf eine berechtigte Forderung institutioneller Investoren kommt am Ende der Wertschöpfungskette bei Privatanlegern an, die damit einen Teil ihrer Altersvorsorge bilden oder ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Eine Stundung der Miete hilft dem Mieter nur kurzfristig

Wollen sie einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, müssen Vermieter beziehungsweise Assetmanager diese beiden Interessen sehr genau abwägen, selbstverständlich immer im Rahmen des geltenden Rechts. Nicht immer müssen die Interessen gegensätzlich sein: Eine ausgewogene Lösung sollte in beiderseitigem Nutzen liegen. Eine Stundung hilft dem Mieter kurzfristig, aber auf lange Sicht muss er in der Lage sein, die ausgefallenen Einnahmen zu generieren, um die Miete nachträglich aufzubringen. Eine Mietreduzierung in Kombination mit einer Vertragsverlängerung kann hier beispielsweise ein zukunftsgerichteter Kompromiss sein. Schlägt das Pendel zu stark in die eine oder die andere Richtung aus, schadet dies letztlich allen.

Nur zusammen und im Bewusstsein der gegenseitigen Abhängigkeit von der Immobilie können Mieter und Vermieter ihrer Verantwortung für die Schaffung und Erhaltung belebter Innenstädte nachkommen.
 


Pamela Hoerr:

Real I.S. AG

Dr. Pamela Hoerr ist Mitglied des Vorstands der Real I.S. AG, einem Anbieter von Immobilieninvestments für private und institutionelle Anleger.

Iris Schöberl:

BMO Real Estate Partners

Iris Schöberl ist Managing Director und Head of Institutional Clients bei BMO Real Estate Partners Germany, einer Tochterfirma der Bank of Montreal.