Dispokredite, beziehungsweise deren Kosten, gelten vielen als Ärgernis. "Zu teuer!", lautet ein häufiger Vorwurf an die Banken, die sich angeblich noch an der Flaute im Geldbeutel ihrer Kunden bereichern. Verbraucherschützer und manche Politiker fordern sogar einen Deckel für Dispozinsen. Einschlägige Internetportale warnen immer wieder schrill vor angeblicher Abzocke von in Not geratenen Sparern. So sehr man diese Behauptungen auch wiederholt - wahr werden sie dadurch nicht. Ein Blick auf die Fakten belegt das.

Dispokredite sollen im Einzelfall, wenn es eilt, die Liquidität des Kontoinhabers sicherstellen. Sie sind für den Kreditnehmer schnell und unkompliziert. Sie helfen, wenn plötzlich das Auto streikt, die Waschmaschine ihren Dienst versagt oder eine anderweitige finanzielle Notlage vor dem nächsten Gehaltseingang entsteht. Aus Sicht der Bank sind Dispokredite somit oftmals unplanbar. Sie sind zudem unbesichert und damit aufwendig sowie kostenintensiv. Außerdem ziehen sie häufig noch zusätzliche regulatorische Überwachungspflichten nach sich, die ebenfalls mit erheblichem Aufwand - und damit Kosten - verbunden sind. In dieser zusätzlichen Arbeit und der Flexibilität ist begründet, warum die Zinssätze bei Dispokrediten höher sein müssen als bei anderen Kreditvarianten oder als das allgemeine Zinsniveau am Geldmarkt. Sind Kontoüberziehungen wohlüberlegt und rasch wieder ausgeglichen, kann der Dispokredit gleichwohl ein einfaches und sinnvolles Hilfsmittel sein.

Dispokredite werden für die Kreditnehmer nicht "immer teurer", wie häufig behauptet wird. Das Gegenteil ist der Fall: Im Durchschnitt der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken belief sich der Disposollzins für Privatkunden im Jahr 2015 auf 9,07 Prozent. Seither ist er stetig zurückgegangen und lag zum Jahresende 2019 bei 8,07 Prozent - Tendenz weiter fallend. Damit liegen die Dispozinssätze der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken deutlich unter dem bundesweiten Bankendurchschnitt von 9,79 Prozent. In vielen Fällen haben Kunden aber ohnehin mit ihrer Bank Sonderregeln vereinbart, die ein Überziehen des Kontos unter bestimmten Bedingungen zu deutlich günstigeren Konditionen einräumen.

Im Übrigen steht es dem Kunden frei, nach besseren Konditionen unter den zahlreichen Mitbewerbern zu suchen. Der Markt für Zahlungskonten ist transparent und wettbewerbsorientiert. Neben der gesetzlichen Kontowechselhilfe gibt es zahlreiche private Portale zum Kostenvergleich für Girokonten. Dass diese Instrumente funktionieren, hat die Aufsichtsbehörde Bafin erst jüngst bestätigt. In einer Untersuchung zog sie ein positives Fazit zur Anwendung der Kontowechselhilfe. Ob allerdings der Dispozinssatz ein hinreichender Grund für einen Kontowechsel darstellt, ist eine andere Frage. Schließlich können Konten neben Dispozinsen viele andere Vorteile bieten, die für den Kunden relevant sind, zum Beispiel ein enges Netz an Geldautomaten oder andere Serviceleistungen.

Dass sich die Banken nicht an ihren Kunden bereichern, belegen ebenfalls die Zahlen. Privatkunden der bayerischen Kreditgenossenschaften zahlten 2019 rund 58 Millionen Euro an Dispozinsen an ihre Bank. Bei einem Gesamtzinsertrag in Höhe von fast drei Milliarden Euro entspricht das einem Anteil von zwei Prozent. Eine nennenswerte Ertragsquelle ist das wahrlich nicht. Der Dispokredit ist lediglich als Instrument gedacht, um den kurzfristigen Liquiditätsengpass zu bewältigen und nicht gleich in Zahlungsverzug zu geraten. Er ist aber kein Kreditmodell, das zur Regel werden sollte. Das drückt sich in den Konditionen für Dispokredite aus. Kunden, die mehr als eine kurze finanzielle Überbrückung benötigen, finden bei ihrer Volksbank und Raiffeisenbank günstige und attraktive Kreditalternativen. Mehr Regulierung oder gar ein Dispodeckel sind nicht nötig.


Über Jürgen Gros

Gros ist Vorstandsvorsitzender und Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Dessen Mitglieder sind 236 Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie über 1000 Unternehmen aus Branchen wie Landwirtschaft, Energie, Handel, Handwerk oder Dienstleistungen. Mit rund 50 000 Beschäftigten und 2,9 Millionen Anteilseignern bilden sie eine der größten mittelständischen Wirtschaftsorganisationen im Freistaat.