Die Weltwirtschaft steuert nicht auf eine baldige Rezession zu. Stattdessen erleben wir gerade das Ende einer Konjunkturabschwächung, die Mitte 2018 begonnen hat. Fiskalpolitische Stimulusmaßnahmen in China und eine expansivere Geldpolitik in den USA wirken sich positiv aus und helfen, die Weltwirtschaft zu stabilisieren. In beiden Ländern bestätigen vorlaufende Konjunkturindikatoren diese Ansicht und deuten an, dass die Wirtschaftstätigkeit in diesem Quartal anzieht.

Dennoch bleiben viele Anleger bei ihrer zögerlichen Haltung. Einige sind vermutlich wegen des ausgeprägten Ausverkaufs im vierten Quartal 2018 nach wie vor skeptisch. Andere empfanden die im ersten Quartal folgende Rally womöglich als «zu schön, um wahr zu sein» und kamen zu dem Schluss, dass eine Rezession in den USA bevorsteht - die kürzliche Inversion der Renditekurve schien sie in dieser Ansicht zu bestätigen.

Doch momentan halten wir es nicht für angebracht, Risiken zu scheuen. Die Bewertungen haben sich in den vergangenen Monaten offensichtlich verbessert. Das Rendite/Risiko-Verhältnis von Aktien fällt weiterhin zugunsten der Rendite aus - vorausgesetzt, die Weltwirtschaft lässt die Mini-Konjunkturverlangsamung tatsächlich hinter sich und die grossen Zentralbanken nehmen vorerst keine weiteren Zinserhöhungen vor.

Das Wachstum ist nicht verschwunden


Mit einer Rückkehr des Booms von 2017 ist indes nicht zu rechnen. Weitere Gewinne an den Aktienmärkten, die sich in den nächsten Monaten ergeben könnten, werden wahrscheinlich nicht das bemerkenswerte Niveau des ersten Quartals 2019 erreichen.

Schliesslich befindet sich die Weltwirtschaft zurzeit in der Spätphase eines verlängerten Konjunkturzyklus. Das Wachstum wird nicht ganz so stark ausfallen wie in den früheren Phasen des Zyklus. Wir erwarten für dieses Jahr ein globales Wirtschaftswachstum um 2,8 Prozent, gegenüber 3,2 Prozent im Jahr 2018.

Die jüngsten Verbesserungen der Indizes für das verarbeitende Gewerbe sind in diesem Zusammenhang ein gutes Beispiel. Der chinesische Einkaufsmanagerindex (PMI) stieg im März mit 50,5 über die entscheidende Schwelle von 50 und ist damit wieder auf Expansionskurs. Zum Vergleich: Im September 2017 hatte der chinesische PMI den Wert von 52,4 erreicht.

In den USA zog der durch das «Institute for Supply Management» (ISM) erstellte Index für die Auslastung von Fabriken im März ebenfalls an und erreichte den Wert von 55,3 - dies ist nach wie vor im Wachstumsbereich, aber eindeutig schwächer als die Marke von 60,8, die im September 2017 erzielt wurde.

Die USA und China sind gemeinsam für über die Hälfte des globalen Wirtschaftswachstums verantwortlich und zeigen daher sehr zuverlässig, wie es um die Weltwirtschaft bestellt ist. Die gute Nachricht ist, dass wir in der absehbaren Zukunft moderates Wachstum und - sehr wichtig - gleichzeitig eine niedrige Inflation erwarten dürfen.

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Die Rally kann sich fortsetzen


Zentralbanken, die sich derzeit abwartend verhalten, bieten den Finanzmärkten gerade angesichts des wieder anziehenden Wachstums eine sehr gute Ausgangssituation. Die Anleger haben immer noch Zeit, am Aufwärtstrend zu partizipieren. Risikoreiche Anlagen, insbesondere Aktien, dürften in den kommenden Monaten weiter zulegen.

Zweifelsohne wird es früher oder später zu einer Rezession kommen - das ist ein normaler Teil des Konjunkturzyklus. Doch eine Rezession in den USA halten wir in den nächsten zwölf Monaten für wenig wahrscheinlich, nicht zuletzt, da die Privatverschuldung weiterhin moderat ist.

Selbstverständlich bestehen Risiken, die ernst zu nehmen sind. Globale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds senken ihre Erwartungen für das Wirtschaftswachstum weiter. Ein Schlüsselrisiko bleibt der Handel, da die USA und China ihre Streitigkeiten nach wie vor nicht beigelegt haben und sich die Handelsspannungen zwischen den USA und Europa verschärfen könnten. Zudem herrscht weiter Ungewissheit bezüglich der Beziehungen zwischen Grossbritannien und der EU - der Brexit-Durchbruch lässt auf sich warten. Und nicht zuletzt hat die kürzliche Inversion der US-Renditekurve, die als Anzeichen einer drohenden Rezession gewertet wird, die Anleger verunsichert.

Trotz dieser Ungewissheiten wäre es verfrüht, wenn Anleger nun bereits das Ende des Zyklus verkündeten.