Sowohl Industrie als auch Investoren fragen das Weißmetall stark nach. Daher dürfte sich die vor Kurzem begonnene Ralf fortsetzen.

Lange dümpelte der Preis für Silber vor sich hin. Seit Ende November verteuerte sich das Weißmetall dann aber kräftig von 18 auf 23 US-Dollar je Feinunze. Zum einen liegt das daran, dass es im Sog von Gold mit nach oben gezogen worden ist. Gilt Silber doch als der kleine Bruder des gelben Metalls. Zum anderen ist Silber — anders als Gold — in der Industrie sehr gefragt. Es ist ein Zwitter aus Edel- und Industriemetall. Rund die Hälfte des globalen Silberangebots wird von der Industrie nachgefragt — mit zunehmender Tendenz. Besonders die gute Leitfähigkeit macht das Metall so populär. War es früher vor allem die Elektronikindustrie, die es benötigte, sind heute andere Branchen dazugekommen wie der Photovoltaik-(PV-)Sektor, der für rund 13 Prozent des globalen Silberbedarfs verantwortlich ist. Im vergangenen Jahr wurde dort nach Schätzungen des Edelmetallanbieters Heraeus ein Rekordwert von 4000 Tonnen verwendet. 2023 sollte sich die Zahl noch erhöhen. Die in PV-Modulen genutzte Silberpaste ist eine der kostenintensivsten Komponenten bei der Solarzellenproduktion. Das führt dazu, dass der Silberanteil ständig reduziert wird. Im letzten Jahrzehnt gelang eine Verringerung des Silbergehalts um 80 Prozent. 

Solarenergie treibt Nachfrage

Das starke Wachstum der Nachfrage nach Solarenergie hat dennoch zu einem höheren Silberbedarf geführt. Bedingt durch den Ukraine-Krieg wird die Solarenergie weiter ausgebaut. Hinzu kommt, dass nach Aufhebung der Covid-Beschränkungen in China dort wieder mehr PV-Module installiert werden.

Elektroautos brauchen viel Silber

Starke Nachfrage kommt auch aus der Autoindustrie. Dafür sorgt der Boom bei Elektroautos. In einem Fahrzeug mit Elektroantrieb werden bis zu drei Unzen Silber eingesetzt. Bei herkömmlichen Autos ist es nur etwa eine Unze. Besonders in Airbags, Bremsautomatik, Fahrerwarnsystemen und Silber-/Kupferluftfiltern wird es benötigt. Die Branchenorganisation Silver Institute schätzt, dass die Branche 2025 jährlich rund 90 Millionen Unzen benötigen wird. Das ist mehr als im Bereich PV.

Hinzu kommt der hohe Bedarf durch die Einführung der 5G-Technologie. Das betrifft nicht nur die Hardware, sondern auch die sich dadurch ergebenden neuen Produkte und Anwendungen. Ein 5G-fähiges Ökosystem erzeugt Bedarf nach Halbleitern, Miniaturantennen und Sensoren, die Silber enthalten. Prognostiziert (siehe rechts) wird, dass die Nachfrage nach dem Weißmetall wegen 5G von 12 500 Feinunzen 2022 auf 16 000 Feinunzen 2025 klettern wird.


Indien spielt bei Schmuck wichtige Rolle

So stark ist das Wachstum im Schmucksektor nicht. Doch auch der ist nicht zu vernachlässigen. Immerhin kommen gut 18 Prozent des Bedarfs von dort. Vor allem Indien spielt dabei eine gewichtige Rolle. Wegen der in indischer Rupie hohen Goldpreises wichen die Einwohner des Subkontinents zuletzt auf das billigere Silber aus. Besonders bei Hochzeiten wird viel Schmuck verschenkt. Es ist jedoch nicht nur der niedrigere Preis, weswegen die Inder Silbergeschmeide bevorzugen. Mit hohen Zöllen und harten Strafen hat die Regierung dafür gesorgt, dass der Markt für legale und illegale Goldimporte deutlich geschrumpft ist.

2023 dürfte aber die Nachfrage nach Silber stagnieren oder sogar leicht fallen, da 2022 weit überdurchschnittlich viel eingeführt wurde. Das war eine Folge der Marktstörungen durch Corona in den Jahren 2020 und 2021.

Es gibt ein Angebotsdefizit

Gegenwind für den Rohstoff kommt auch von der Angebotsseite. 2022 gab es laut Silver Institute ein Angebotsdefizit von knapp 200 Millionen Unzen (ohne ETFs) — das höchste seit vielen Jahren. In diesem Jahr dürfte die Förderung von Kupfer, Blei und Zink wieder anziehen. Die Nachfrage nach diesen Basismetallen ging im Vorjahr wegen der Lockdowns in China zurück. Sollte sich die Wirtschaft Chinas nach der Aufhebung der Corona-Beschränkungen erholen, werden mehr Kupfer & Co dort importiert werden. Bei der Produktion dieser Metalle fällt Silber als Nebenprodukt an, wodurch dessen Angebot steigt. Trotzdem rechnen Branchenkenner 2023 -erneut mit einem Angebotsdefizit.

„Der entscheidende Faktor für den Silberpreis ist aber sowieso die Investmentnachfrage, da die anderen Nachfragekomponenten im Großen und Ganzen stabil sind“, sagt Martin Siegel, Manager des Fonds Stabilitas Silber + Weißmetalle. Da Silber ein enger Markt sei, könnten größere Kauforders am Terminmarkt den Preis stark beeinflussen. Im Vorjahr floss viel Geld aus Silber--ETFs ab. Kommt dieses wieder zurück, würde das den Preis des Metalls nach oben hieven.

Auf den Goldpreis achten

Er persönlich orientiere sich stark am Goldpreis. Da spreche nach Meinung Siegels viel für weiter anziehende Preise. Die Zinsen hätten den Höhepunkt fast erreicht. Wenn diese gesenkt würden, dürften Sachwerte wie Edelmetalle vom einfacheren Zugang zu -Kapital profitieren. Zudem sei die Inflation rückläufig. Überdies sei die Verschuldung der Staaten durch die Corona-Rettungspakete und Energiehilfen weiter angestiegen. Auch wachsende Militärausgaben tragen dazu bei. Das stütze Gold als Fluchtwährung.

„Was für Gold gut ist, ist auch gut für Silber. Das Weißmetall ist eine Option auf Gold mit Hebel zwei oder drei“, sagt Siegel. Gebe es wie zuletzt eine signifikante Aufwärtsbewegung beim gelben Metall, werde Silber noch stärker mit nach oben gezogen. Das Gleiche gelte aber auch nach unten, weswegen er das Weißmetall nur risikobereiten Anlegern empfiehlt. Rasch könnten Investoren damit auch hohe Verluste einfahren.

Neben der Industrienachfrage sollten Anleger also auch den Goldpreis im Auge behalten, wenn sie in den kleineren Bruder investieren wollen.

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