E-Autos und Windräder? Finden alle super. Doch mit Bergbaufirmen wollen viele Anleger nichts zu tun haben. Aber ohne Rohstoffe gibt es keine Energiewende. Von Andreas Höss

Ihr spanischer Name bedeutet „versteckt“, doch diese Mine ist alles andere als unsichtbar: Escondida hat sich Hunderte Meter tief in den Boden gefressen und ist mehrere Kilometer lang. Sogar aus dem Weltall ist sie zu erkennen. Der von den Konzernen BHP und Rio Tinto betriebene Tagebau liefert rund 1,4 Millionen Tonnen Kupfer pro Jahr, etwa sieben Prozent der globalen Produktion. Rund um die Uhr treiben Schaufelradbagger das Loch tiefer in die chilenische Atacamawüste, hausgroße Muldenkipper türmen gigantische Abraumhalden auf.

Das Loch wird weiter wachsen, Umweltverschmutzung hin oder her. Kupfer ist gefragt — was wiederum viel mit Klimaschutz zu tun hat. Die Energiewende ist auch eine Rohstoffwende. In einem einzigen großen Windrad sind bis zu 70 Tonnen Kupfer verbaut. Elektroautos verbrauchen im Vergleich zu Verbrennern ein Vielfaches an Kupfer, Nickel, Lithium oder seltene Erden. Die Batterie eines Tesla Model S benötigt zum Beispiel so viel Lithium wie 10.000 Handys.

Auch Solaranlagen oder Stromleitungen sind echte Rohstofffresser. Soll sich der Anteil erneuerbarer Energien weltweit wie geplant bis ins Jahr 2050 auf zwei Drittel verdoppeln, wird das die Rohstoffproduktion umkrempeln: Fossile Energieträger wie Öl, Kohle und Gas wären die Verlierer, Kupfer, Eisenerz, Nickel, Zink, Lithium und seltene Erden die Gewinner.

Die Weltbank erwartet, dass sich die Nachfrage nach Metallen und Mineralien in den nächsten dreißig Jahren verdreifachen wird. Um den Bedarf zu decken, müssten in dieser Zeit mehr als drei Milliarden Tonnen der Rohstoffe geschürft werden. Bei einzelnen Mineralien wie Lithium könnte sich die Nachfrage sogar um das 40-Fache erhöhen, glaubt die Internationale Energieagentur (IEA). 

Megatrend Nachhaltigkeit

Die Energiewende dürfte damit sowohl die Notierungen der Rohstoffe als auch die Aktienkurse der Produzenten steigen lassen. Die Fondsgesellschaft Fidelity spricht bereits von einem Megatrend: Bei einigen Metallen werde die Umweltbranche in Zukunft der größte Abnehmer. Statt heute rund 30 Prozent werde sie laut IEA-Schätzung im Jahr 2040 etwa 90 Prozent des weltweit geförderten Lithiums verarbeiten, bei Nickel dürfte ihr Anteil von zehn auf 60 Prozent steigen, bei Kupfer von 25 auf 50 Prozent. Laut Fidelity wird es „zu einem dauerhaften Preisanstieg bei Metallen kommen, bei denen die Produktionssteigerung nicht mit der Nachfrage Schritt hält“. Die Commerzbank stimmt dem zu: „Die meisten Industriemetalle sind ein essenzieller Teil der Dekarbonisierung“, heißt es dort in einer Studie.

Die Investmentbank Goldman Sachs bezeichnet Kupfer als „das neue Öl“. Bei den Preisen für diese Metalle hat sich in den vergangenen zwei Jahren schon viel bewegt. Die Notierungen von Kupfer, Aluminium und Nickel haben sich seit Frühjahr 2020 bis Ende Februar 2022 mehr als verdoppelt. Das liegt auch an der Erholung der Weltwirtschaft nach dem CoronaSchock, an pandemiebedingten Produktionsausfällen und Lieferengpässen sowie gestiegenen Energie- und Arbeitskosten. Aber eben auch an der Energiewende.

Seit Anfang März hat der Krieg in der Ukraine die Notierungen weiter nach oben getrieben. Russland exportiert Nickel und Aluminium. Außerdem will sich Europa seit dem Überfall Putins auf die Ukraine so schnell es geht von russischen Kohle-, Öl- und Gaslieferungen unabhängig machen.

Denn Moskau kann den Westen nicht nur mit Energielieferungen erpressen, sondern mit den Einnahmen daraus Kriege finanzieren. Unabhängigkeit von russischer Energie gibt es aber wiederum nur mit Wind-, Wasser- und Sonnenkraft.

Von Anlegern geächtet

Für die großen Rohstoffkonzerne bedeuten die hohen Preise jedenfalls gute Geschäfte. Egal ob BHP, Rio Tinto oder Freeport McMoran: Schon lange vor dem Ukraine-Krieg sprudelten überall Gewinne. Der weltgrößte Rohstoffhändler Glencore steigerte seinen Gewinn gegenüber 2020 um 84 Prozent und BHP zahlte Anlegern zuletzt eine Rekorddividende. Dennoch sind die Kurse vieler Bergbauriesen bisher eher moderat gestiegen.

Lediglich die Aktie des weltgrößten Kupferproduzenten Freeport McMoran hat sich in den vergangenen drei Jahren in Euro und inklusive Dividenden vervierfacht. Die Anteile von Glencore, BHP und Rio Tinto legten dagegen nur um je 50 bis 60 Prozent zu.

Eine richtige Rohstoff­Euphorie gibt es bisher nicht. Das mag auch daran liegen, dass der Sektor ziemlich in Verruf geraten ist. Glencore, BHP, Freeport McMoran und Vale stehen längst auf der Ausschlussliste des Norwegischen Staatsfonds, der für seine strengen Umwelt­ und Ethikstandards bekannt ist. Zu Mängeln bei Umwelt und Arbeitsschutz kommt, dass Bergbaukonzerne vor allem in Entwicklungs-­ und Schwellenländern agieren, wo Korruption und Menschenrechtsverletzungen ein großes Problem darstellen. Außerdem fördern und handeln sie neben für die Energiewende wichtigen Metallen oft auch mit Gold, Diamanten, Kohle oder Uran.

Zum großen Nachhaltigkeitsboom in der Finanzbranche passt das nicht. Es gibt zwar einen milliardenschweren Minenfonds von Blackrock, fast  alle auf Nachhaltigkeit spezialisierten Fondsgesellschaften machen jedoch einen großen Bogen um den Bereich. „Nahezu alle Unternehmen der primären Rohstoffförderung scheiden aus ökologischen Gründen oder wegen der Verletzung von Menschenrechten für uns von vornherein aus“, bestätigt der Nachhaltigkeitsanalyst Mathias Pianowski von Ökoworld.

Die Ablehnung ist verständlich. Wie soll man umweltbewussten Kunden auch erklären, dass man in Unternehmen investiert, die durch ihre Geschäfte Ökosysteme zerstören? Gleichwohl zeigt sich hier das ganze Dilemma. Denn ohne Rohstoffe keine Energiewende. Und Recycling allein wird den Bedarf nicht decken.

Im Nachhaltigkeitsdilemma

Einen Ausweg suchen bisher nur Nischenprodukte wie der 20 Millionen Euro kleine Rohstofffonds Sunares Sustainable Natural Resources. Er investiert in Förderfirmen, die für nachhaltige Trends wie den Ausbau der erneuerbaren Energien unentbehrlich und gleichzeitig wenigstens halbwegs sauber sind. „Das ist ein ziemlicher Spagat“, gibt Udo Sutterlüty zu, der den Fonds gemeinsam mit Colin Moor managt. „Wir müssen ständig abwägen: Wie wichtig ist das Unternehmen für die Energiewende? Und sind seine Geschäftspraktiken noch akzeptabel?“ Bei den Rohstoffriesen entscheidet er sich meist gegen ein Investment.

Als Entscheidungshilfe zieht Sutterlüty unter anderem die Nachhaltigkeitsratings von Sustainalytics heran. Dennoch darf man auch im Sunares­Fonds keine echten Saubermänner erwarten. Zu den größten Positionen zählen dort Unternehmen wie der Lithium­ und Eisenerzproduzent Mineral Resources, der Kupferkonzern Ivanhoe Mines oder der Bergbaukonzern Lynas, der seltene Erden  fördert. Sustainalytics ermittelt für sie  einen Nachhaltigkeitsscore von je rund 30, was im Vergleich zu anderen Rohstoffkonzernen sehr gut ist. Insgesamt stuft die Ratingagentur ihre Nachhaltigkeitsrisiken damit aber immer noch als hoch ein. Die Ironie daran: Beim Windradhersteller Vestas, der die Rohstoffe später verbaut, sieht Sustainalytics nur ein niedriges Umweltrisiko. 

Dieser Text stammt aus der Beilage €uroextra Nr. 02/2022 "Grünes Geld 2022" erschienen in BÖRSE ONLINE.

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