Trotz kurzfristiger Entspannung am Markt könnten die Erdgaspreise schon bald wieder deutlich steigen. Welche Engpässe Experten sehen, warum Europa dringend auf neue Lieferungen angewiesen ist – und welche Chancen sich für Anleger daraus ergeben.
Zusammen mit der breiten Preiskorrektur an den Rohstoffmärkten hat auch der Preis für Erdgas von seinem Zweijahreshoch Mitte Februar nachgegeben. Die Aussicht auf ein reichliches Erdgasangebot drückt den Preis. Allerdings warnen Rohstoffanalysten vor zu viel Gelassenheit.
Sorgen machen zum einen größere Produktionsausfälle bei wichtigen Anbietern, die Europa beliefern. Zum anderen weist die EU-Agentur zur Zusammenarbeit der Energieregulierer (ACER) in einem Bericht noch mal auf den deutlich höheren Importbedarf der Europäischen Union in den Sommermonaten hin. Ziel ist es, die Erdgasvorräte auf 90 Prozent bis zum nächsten Winter aufzufüllen. Derzeit weisen die Speicher einen Füllstand von 36 Prozent auf. Das sind gut 25 Prozent weniger als vor einem Jahr. Daher seien sehr hohe Pipeline-Lieferungen und 20 Prozent mehr LNG-Lieferungen als im vergangenen Jahr notwendig.
Auch die Internationale Energieagentur hatte in ihrem Quartalsbericht darauf hingewiesen, dass die Europäische Union in diesem Jahr einen deutlich höheren LNG-Importbedarf hat. Norwegen, seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs der Hauptlieferant für die EU, ist mit seiner Förderkapazität von zuletzt rund 91 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr ziemlich am Limit.
Das Angebot wird knapper
Zwar soll das Angebot dank der Ausweitung der US-Exporte in diesem Jahr deutlich steigen — ein Plus von 25 Milliarden Kubikmeter ist hier avisiert. Doch selbst damit ist der LNG-Markt noch knapp versorgt. Dabei dürfte der im Vergleich zum Vorjahr recht hohe Gaspreis schon geholfen haben, die Importe zu steigern. Das heißt: Ein dauerhaft hoher Preis ist notwendig, damit die Produzenten auch weiterhin hohe Mengen an Erdgas fördern und per Schiff nach Europa verkaufen.
Dieses Szenario mit hohem Bedarf und fragiler Lieferkette birgt Spielraum für höhere Gaspreise.
Erdgas wird hauptsächlich an den Rohstoffbörsen in Chicago und New York gehandelt. Den Indikator liefert Henry Hub in Louisiana, USA, der zentrale Verteilungsknoten des US-Erdgasnetzes. Der Handel erfolgt in Form von Termingeschäften, aber auch zu tagesaktuellen Spotpreisen. Ein klassisches Termingeschäft umfasst eine feste Liefermenge zum fixen Preis an einem festen Termin. Diese Future-Notierungen sind aktuell höher als der Spotpreis. Ein Indiz, wohin es gehen könnte. Der Future-Preis ist auch der Basiswert für die ausgewählten Knock-out-Calls, über die auch private Anleger auf Kurssteigerungen des Erdgaspreises setzen können. Dabei gilt: Je höher der Hebel, umso höher die Gewinnchancen, aber auch das Verlustrisiko. Deshalb setzen Anleger je nach Risikoneigung individuelle Stoppkurse.

Übrigens: Dieser Artikel erschien zuerst in der neuen Print-Ausgabe von BÖRSE ONLINE. Diese finden Sie hier
Oder lesen Sie auch: 7,78% Dividendenrendite im Mai: Die besten deutschen Dividenden-Aktien