BÖRSE ONLINE: Der Goldpreis hat sich von seinem jüngsten Tief Mitte August wieder etwas erholt, hat seitdem rund fünf Prozent zugelegt. Am Dienstag ging es um rund ein Prozent nach oben, an den Aktienmärkten stürzten die Kurse ab. Ist Gold wieder die Krisenwährung schlechthin?


Ronald-Peter Stöferle: Das Gold macht seinem Ruf als Portfolio-Versicherung wieder alle Ehre. Das Edelmetall profitiert naturgemäß von steigender Nervosität an den Finanzmärkten und hat eine negative Korrelation zum Aktienmarkt.

.... gehen die Kurse am Aktienmarkt nach unten, steigt der Goldpreis...


Diese Korrelationen sind nicht in Stein gemeisselt, doch statistisch kann man schon konstatieren, dass sich Gold in Aufwärtsphasen an den Aktienmärkten oftmals schwer tut, weil die Opportunitätskosten steigen. Aber wenn dann die Volatilität, die Nervosität an den Aktien- und insbesondere an den Bondmärkten zurückkommt, dann ist das Gold da, um das Depot zu stabilisieren. Das ist auch die wesentliche Aufgabe von Gold.

An den Terminmärkten ist die Stimmung wieder besser, dem jüngstem Commitments of Traders-Report der CFTC zufolge gibt es erstmals seit sechs Wochen wieder eine Netto-Long-Position. Warum?


Zuvor war die Stimmung einfach extrem pessimistisch, wir hatten in unserem letzten Chartbook geschrieben, dass wir am Terminmarkt derzeit die beste Konstellation seit 17 Jahren sehen. Die Großspekulanten waren zum ersten Mal seit 2001 netto short positioniert, während das sogenannte "managed money" (also Hedgefonds, CTA’s etc) die größte Short-Position der Geschichte aufgebaut hatten. Zudem hatte das sogenannte "smart money", also die Commercials, die niedrigste Short-Position seit Dezember 2015, als der letzte größere Move bei Gold begann. Insofern gibt uns der Terminmarkt definitiv grünes Licht für eine Rally.

Das heißt, der Goldpreis steigt weiter?


Der Goldpreis tendiert derzeit in praktisch jeder Währung fester. Auch beim Silber kommt langsam wieder Dynamik rein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir die Tiefststände vom August hinter uns gelassen haben. Gold wird uns in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren bestimmt noch viel Freude machen, ich bezeichne es oft auch als die "Anti-Bubble"

Die Streitigkeiten zwischen den USA und China sind mittlerweile nicht mehr nur auf Ebene des Handels, sondern auch auf Währungsebene. Was bedeutet das für Gold, die "Anti-Krisen-Währung"?


Die einzige Währung, die an einem Währungskrieg nicht teilnimmt, ist das Gold. Und das stimmt mich zuversichtlich. China beantwortet den Trump’schen Handelskrieg mit massiven Abwertungen des chinesischen Reminbis. Dies hat Donald Trump unter Anderem auch veranlasst, vermehrt Druck auf die US-Notenbank Federal Reserve auszuüben, nachdem die Zinserhöhungen und der Aufwärtungsdruck des Dollars bereits konjunkturelle Spuren hinterlassen. Insofern ist es unsere feste Überzeugung, dass man versuchen wird, den Dollar zu schwächen.

Der drohende Währungs- bzw. Handelskrieg ist nur eine der vielen Unsicherheiten, neben den Budget-Streitigkeiten in Italien, den schwierigen Brexit-Verhandlungen, um nur einige zu nennen. Welche dieser vielen Faktoren gibt dem Goldpreis dabei besonders Schub?


Diese politischen Risiken schwelen schon seit Längerem. Jetzt beginnt aber auch das Hochkonjunkturumfeld langsam zu bröckeln. In den Emerging Markets sehen wir bereits eine deutliche Abkühlung, in Europa ebenfalls. In den USA halte ich eine Rezession in den nächsten zwölf Monaten definitiv für nicht ausgeschlossen.

Wieso das?


Wenn man jetzt in den USA unter die konjunkturelle Oberfläche sieht, sieht man schon erste Anzeichen für eine Rezession: Die Immobilienmärkte bröckeln, die Unternehms-Guidance für das vierte Quartal ist sehr verhalten, der Automobilmarkt hat sich eingetrübt und Schuldner mit schlechter Bonität bekommen langsam Probleme. Und, die Geldmenge wächst nicht mehr so schnell. 2018 wird die Liquiditätsparty seitens der Notenbanken beendet, Quantitative Tightening entzieht dem Markt in diesem Jahr 420 Milliarden Dollar an Liquidität und 2019 bereits 600 Milliarden. Die Märkte haben sich aber an die enorme Liquidität gewöhnt. Der Entzug dieser Liquidität hat Konsequenzen, diese spüren wir nun langsam. Historisch gesehen standen steigende Zinsen immer am Anfang einer Rezession oder einer Krise am Finanzmarkt. Krisen beginnen meist in der Peripherie. Vor allem aber die Schwellenländer haben von der Liquiditätsflut der vergangenen Jahre enorm profitiert. Durch die Dollar-Stärke der vergangenen Monate und die Zinserhöhungen in den USA wird die Luft in den Emerging Markets langsam sehr dünn. Dort trübt sich das Bild mittlerweile deutlich ein: Nicht nur in der Türkei, auch in Brasilien, einigen Ländern in Südostasien, nicht zuletzt auch im arabischen Raum, zum Beispiel in Saudi-Arabien. Ganz drastisch trübt sich die Konjunktur in China ein.

Vor rund drei Monaten haben Sie in einem Interview mit boerse-online.de das Marktumfeld für den Goldpreis als nicht besonders gut beschrieben - wegen der boomenden Aktien-, Bond- und Immobilienmärkte, der guten Konjunktur und der US-Zinserhöhungen, um nur einige Faktoren zu nennen. Hat sich das Umfeld für Gold mittlerweile aufgehellt?


Ja, definitiv. Noch im Sommer war das Umfeld für den Goldpreis nicht besonders gut, ich hatte damals aber bereits vor einigen Dingen (Konsequenzen von Quantitative Tightening, Emerging Markets) gewarnt, die sich nun langsam manifestieren.

... die Aktienmärkte geraten ins Stocken, es gibt erste Anzeichen, dass sich die Konjunktur eintrübt, um nur einige Faktoren zu nennen ...


Der Goldpreis tut genau das, was er tun soll. Wenn der Markt realisiert, dass die niedrigen Zinsen in den USA der Vergangenheit angehören, dann wird der Goldpreis richtig Momentum aufnehmen - weil die Märkte so abhängig sind von der künstlichen Liquidität.

Ist jetzt ein guter Einstiegszeitpunkt?


Ja.