Der Höhenflug beim Goldpreis setzt sich auch in dieser Woche fort. Am Mittwoch knackte der Preis für eine Feinunze (31,1 Gramm) sogar erstmals seit sechs Jahren wieder die Marke von 1.500 Dollar. Das ist gleichbedeutend mit dem höchsten Stand seit Frühjahr 2013.

Vor knapp einem Jahr sah die Ausgangslage noch ganz anders aus. Denn noch am 16. August 2018 markierte der Goldpreis damals mit 1.160 Dollar je Feinunze den tiefsten Stand seit Januar 2017. Doch anstatt weiter zu fallen, wie es damals die eingetrübte Charttechnik nahelegte, ging es anschließend nach oben mit den Notierungen.

Auf dem Weg nach oben hat die Notiz unter anderem die ausgehend vom Allzeithoch vom 6. September 2011 bei 1.920 USD begonnene Abwärtstrendgerade überwunden. Damit war eine erste wichtige charttechnische Hürde aus dem Weg geräumt, wie die BayernLB schreibt. Ein später erfolgter Test dieser Trendgerade verlief erfolgreich und bestätigte so den aufgenommenen Aufwärtstrend als intakt. Gestärkt dadurch startete Gold anschließend eine dynamische Aufwärtsrally.

Auf dem Weg nach oben lief der Unzenpreis bis Mitte Juni dann an die massive charttechnische Barriere von 1.360-1.375 Dollar heran. Und wenig später gelang auch hier ein Vorstoß über diese Hürde. Laut BayernLB war damit ein starkes charttechnisches Kaufsignal generiert. Gold befinde sich damit klar im Aufwind und dürfte seine Aufwärtsbewegung Fortsetzen, so das Urteil.

Ganz ähnlich sehen das auch die Analysten bei der Bank of America Merrill Lynch. Bei dem US-Finanzinstitut traut man dem Goldpreis sogar einen Anstieg bis auf 2.000 Dollar je Feinunze zu. BÖRSE ONLINE erklärt, wie die Bank of America zu diesem Anlageurteil kommt.

Die Inflation ist aufgrund von Demografie, Technologie und Globalisierung gesunken

Ein Jahrzehnt nach der globalen Finanzkrise haben es die Zentralbanken geschafft, viele der zugrunde liegenden Missstände zu beheben, schreibt die Bank of America in ihrer aktuellen Studie zum Goldpreis. Dennoch sei die Inflation hartnäckig niedrig geblieben und in letzter Zeit sei sie sogar wieder gesunken (siehe Grafik).

Die fehlenden reflationären Tendenzen würden vielerorts bei den Verantwortlichen als ein Problem wahrgenommen. Bis heute hätten die Zentralbanken deshalb eine lockere Geldpolitik beibehalten, da die Inflationsraten zumeist nach wie vor bei oder unter der Zwei-Prozent-Schwelle geblieben seien, die sich viele Notenbanken zum Ziel gesetzt haben.

Die Inflation bleibt trotz jahrelanger monetär expansiver Impulse gedämpft


Der gedämpfte Aufwärtsdruck auf das allgemeine Preisniveau sei in den vergangenen Jahren zum Teil ein Rätsel gewesen. Allerdings hätten auch eine Reihe von Dynamiken dazu beigetragen, den Inflationsdruck zu verringern, von denen einige auch noch existierten. Bei einer näheren Betrachtung des anhaltend gedämpften Aufwärtsdrucks auf das allgemeine Preisniveau komme man zu dem Schluss, dass dieser Trend stark von strukturellen Faktoren beeinflusst sei, so dass der Status quo nicht nur auf zyklischen Gründen beruhe.

Unter anderem habe sich die Globalisierung, auch wenn sie aktuell bedroht sei, als disinflationär erwiesen. Auch die steigende Produktivität habe die Inflation gedrückt. Zudem gehe von der demographischen Entwicklung in den entwickelten Ländern keine preistreibende Wirkung mehr aus. Das spiegele sich auch in der negativen Korrelation zwischen dem Altersabhängigkeitsquotienten und der Veränderung bei den Konsumentenpreisen wider.

Veränderungen des Verbraucherpreisniveaus seien zwischen 1948 und 2009 in der Regel von Produktivitätssteigerungen bei den US-Unternehmen außerhalb der Landwirtschaft begleitet worden. Eine wichtige Rolle habe dabei die Informationstechnologie gespielt. Die Analysten erkennen zwar an, dass sich die Produktivitätssteigerungen in jüngster Zeit etwas verlangsamt haben, aber es gebe Hinweise darauf, dass anhaltender technologischer Fortschritt (inklusive der Sharing Economy) ein Faktor gewesen ist, der die Reflation in Schach gehalten hat.

Wie bereits erwähnt habe auch die demographische Entwicklung die Inflation gedämpft. So sei zu beobachten, dass ein steigender Altersabhängigkeitsquotient (dieser steht für das Verhältnis der wirtschaftlich abhängigen Altersgruppen (Personen, die noch nicht bzw. nicht mehr im erwerbsfähigen Alter sind) zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter), der neben Deutschland auch in mehreren anderen OECD-Ländern existiere, mit sinkenden Wachstumsraten bei den Konsumentenpreisen verbunden sei.

Schließlich sei ebenfalls bereits angedeutet die Globalisierung in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein wichtiger Wachstumstreiber gewesen. Insbesondere die Entwicklung Chinas als globales Produktionszentrum sei dabei aber disinflationär gewesen. Während die Weltwirtschaft neuerdings weniger offen sei (die Zölle werden in der Regel auf die Käufer übertragen), habe dies bisher noch keine sichtbaren Auswirkungen auf die Preise nach sich gezogen.

Zentralbanken stemmen sich gegen den Wind


Angesichts des skizzierten Szenarios hätten sich die Zentralbanken gegen den Wind gelehnt und bis heute eine expansive Geldpolitik mit dem Ziel beibehalten, die jeweiligen Volkswirtschaften anzukurbeln. Wirklich abschließend erfolgreich seien diese Bemühungen bisher aber speziell nicht mit Blick auf den Versuch gewesen, die längerfristigen Inflationserwartungen dauerhaft anzuheben.

Abgesehen von den bereits erwähnten Einflussfaktoren wie die Produktivität, die Demographie und die Globalisierung sei vielleicht auch der institutionelle Aufbau der Währungsinstitute nicht hilfreich hinsichtlich einer Zielerreichung gewesen.

Die Herausforderung, welche die Analysten damit meinem, spiegele sich auch in den jüngsten Kommentaren der EZB wider. Denn darin sei dargelegt worden, dass "in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften die Unabhängigkeit der Zentralbanken und die Inflation traditionell eine signifikante negative Korrelation aufweisen."

Das heißt, die Zentralbanken vieler Entwicklungsländer haben hätten sich in der Vergangenheit in erster Linie darauf konzentriert, die Preise niedrig zu halten, was den Übergang zur Schaffung von Inflation nicht einfacher mache.

Auch hätten sich die Zentralbanken bei ihren Anstrengungen von den traditionellen geldpolitischen Instrumenten weg- und dafür hin zur quantitativen Lockerung bewegt. Selbst die Fed, die als erste der großen Notenbanken eine Normalisierung ihrer Geldpolitik angestrebt habe, habe nun den Abbau und damit die Normalisierung ihrer Bilanz gestoppt (siehe Grafik).

Zur Erinnerung: Die globalen Zentralbanken haben bereits frühzeitig während der Finanzkrise beschlossen, die traditionellen Zinssenkungen durch quantitative Lockerungen zu ergänzen. Dadurch haben sich die Zentralbankbilanzen in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet.

Die Bilanzen der Zentralbanken präsentieren sich weiter aufgebläht


Nach Einschätzung der Analysten der Bank of America deute dies darauf hin, dass die Zentralbanker weiter auf ihrer Ansicht bestehen, dass ein ausreichend starker monetärer Stimulus letztendlich zu Inflation führen wird.

Bemerkenswert sei dabei jedoch, dass die Akteure am Goldmarkt offenbar einen anderen Standpunkt eingenommen haben und völlig unbeeindruckt von der bisher fehlenden Inflation seien. Jedenfalls seien zuletzt die langjährig zu beobachtenden Korrelationen zwischen den Konsumentenpreis-Indizes und dem Preis für das gelbe Edelmetall zusammengebrochen.

Konkret habe es in den vergangenen 30 Jahren ein enges Zusammenspiel der Edelmetallpreise mit den Inflationsraten gegeben. Diese Korrelation habe jedoch in den vergangenen fünf Jahren abgenommen. Eine Dynamik, die besonders ausgeprägt in der Eurozone festzustellen sei, wo Gold derzeit praktisch keine Beziehung zum Verbraucherpreisindex mehr zeige.

Angesichts der Tatsache, dass Gold ein echtes Gut sei, stelle sich die Frage, warum dessen Notierungen zuletzt gestiegen sind? Aus der Sicht der Bank of America hat das nicht zuletzt mit einem wichtigen Preistreiber zu tun: den sinkenden Opportunitätskosten, die in der Regel durch das Zinsniveau erfasst werden.

Es gibt eine Korrelation von Gold mit negativ verzinsten Assets


Die immer wieder neuen Runden mit monetären Lockerungsmaßnahmen zogen nach dem Urteil der Bank of America eine Reihe von Nebenwirkungen nach sich. Neben fallenden Zinsen sei es so, dass es heutzutage rund 14 Billionen Dollar an Schulden gebe, die eine negative Rendite (einschließlich der 30-jährigen Bundesanleihen) abwerfen.

Dies sei ein wichtiger Katalysator für die jüngste Goldrallye gewesen, und da sich weitere Leitzinssenkungen abzeichneten, dürfte die damit verbundene Dynamik wahrscheinlich anhalten. Zu beobachten sei aber auch, dass die jüngsten Lockerungsrunden dem Dollar nicht mehr viel geholfen haben und auch die Märkte viel weniger von den damit erhofften positiven Impulsen begeistert sind.

Die Bank of America führt zu diesem Aspekt ergänzend aus, dass die Unterschiede in der Geldpolitik und dem Bilanzwachstum zwischen der Federal Reserve und der EZB ein wesentlicher Faktor für den Anstieg des USD in den Vorjahren gewesen sei.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch daran, dass der Dollar in der Regel ein wichtiger Treiber für die Goldnotierungen war. Ein fester Dollar war dabei in der Vergangenheit in der Regel belastend für den Goldpreis und umgekehrt. In jüngster Zeit hätten sich diese beiden Vermögenswerte aber entkoppelt, was die These untermauere, dass die Zinsen derzeit nach wie vor die treibende Kraft für das Edelmetall sind.

Auch gebe es unter den Marktteilnehmern offenbar zunehmend Zweifel, ob die Notenbanken in den entwickelten Ländern noch über genügend geldpolitische Munition verfüge, um damit ihre Ziele doch noch zu erreichen. Problematisch sei dies insbesondere dann, falls die lockere Geldpolitik irgendwann sogar selbstzerstörerisch wirken sollte. Das könnte dann der Fall sein, wenn sie lediglich zu einem Anstieg des Schuldenstands führt, der seit der globalen Finanzkrise bereits zugenommen hat.

Sollte sich ein Scheitern der quantitativen Geldpolitik abzeichnen und sich in Folge dessen die Märkte wieder mehr auf das hohe Verschuldungsniveau sowie das Fehlen von dynamischen globalen Wachstum konzentrieren, dann dürfte das wahrscheinlich zu einer erheblichen Zunahme der Volatilität führen, so das Urteil.

Gleichzeitig, und vielleicht auch in umgekehrter Richtung, könnte ein solcher Ausverkauf die Zentralbanken dazu veranlassen, noch aggressiver zu werden, was Gold zu einem noch attraktiveren Vermögenswert machen könnte. Ein solches Szenario könnte den Goldpreis dann sogar richtig nach oben schieben, heißt es.

Von der anhaltenden Anleihen-Rallye geht viel Rückenwind auf Gold aus


Das hauseigene Basisszenario sehe zwar für das zweite Quartal 2020 einen Goldpreis von 1.500 Dollar je Feinunze vor. Aber beim genannten Szenario seien bis dahin auch 2.000 Dollar denkbar. Denn die bei den Notenbanken vorherrschende Neigung, geldpolitisch expansiv zu agieren und die damit einhergehenden sinkende Zinsen seien jedenfalls die Hauptgründe, warum man weiterhin bullisch für den Goldpreis ist.

Die Zentralbanken sind weiterhin Netto-Goldkäufer


Wie es in der Studie heißt, haben die Zentralbanken auch über die Geldpolitik hinaus die Goldnotierungen durch anhaltende physische Goldkäufe nach oben getrieben. So hätten die Währungsbehörden jüngst beschlossen, ein 1999 eingeführtes und in der Zwischenzeit drei Mal verlängertes Goldabkommen der Zentralbanken zur Abstimmung von Goldverkäufen nicht zu verlängern, da die Notenbanken zu Nettokäufern von Gold geworden sind.

Die Notenbanken entpuppen sich neuerdings als stetige Goldkäufer


Laut dem World Gold Council "erwartet die Mehrheit der Zentralbanken, dass die globalen Goldreserven der Zentralbank im Laufe des nächsten Jahres steigen werden. 38 Prozent der Zentralbanken erwarten, dass die globalen Goldreserven unverändert bleiben, aber keine Zentralbank denkt, dass die globalen Goldreserven sinken werden."

Die Motivation hinter den jeweils verfolgten Gold-Reserve-Strategien variiere, habe aber mit der historischen Positionierung, der Rolle des Goldes als ein langfristiger Wertspeicher sowie als effektives Instrument zur Portfolio-Diversifikation ebenso zu tun wie dem fehlenden Ausfallrisiko.

Auch die teilweise angestrebte Ent-Dollarisierung, also die Verringerung der Abhängigkeit vom Dollar als Weltleitwährung) spiele eine Rolle als Motivator bei den Goldkäufen. Wobei es kaum überraschen dürfte, dass dieser Faktor vor allem bei einigen Zentralbanken in den Schwellenländern eine zentrale Rolle spiele. So agiere beispielsweise Russland als bedeutsamer Ent-Dollarisierer und als Goldkäufer.

Zusammengefasst bestätigt die Bank of America vor dem skizzierten Hintergrund ihre Goldpreis-Prognose. Angesichts der jüngsten kompromisslosen Haltung der Zentralbanken, die von einem Anstieg der negativ rentierenden Vermögenswerte begleitet wird, sehen die Analysten Spielraum beim Goldpreis, in den nächsten beiden Jahren auf 2.000 Dollar je Feinunze zu steigen, falls sich das dafür erforderliche Umfeld einstellen sollte, was aktuell nicht auszuschließen sei. Gleichzeitig erhöht man die langfristigen Preisprognosen und erwartet, dass Gold im Jahr 2024 durchschnittlich 1.350 Dollar je Feinunze kostet.