Die Preisentwicklung beim Gold kann im laufenden Jahr in zwei Phasen unterteilt werden. Auf fünf unspektakuläre Monate mit seitwärts tendierendem Goldpreis folgte ein Anstieg um 19 Prozent seit Juni. So fast Strategieanalyst Daniel Wachter von der St. Galler Kantonalbank das bisherige Geschehen bei dem gelben Edelmetall in 2019 zusammen. Außerdem erinnert er daran, dass Gold im August in Dollar gerechnet ein Sechsjahreshoch erreicht hat.

Geht es nach dem Edelmetall-Spezialist Heraeus, dann deuten die technischen Indikatoren beim Gold allerdings zunächst auf eine nachlassende Dynamik der Rally hin. Der Relative-Stärke-Index (RSI) zeigt, dass Gold überkauft ist, führen die Heraeus-Analysten in einer wöchentlich erscheinenden Markteinschätzung aus.

Während der Goldpreis zuletzt weiterhin gestiegen sei, habe der RSI nicht mehr weiter zugelegt. Dies ist ein Indikator für ein nachlassendes Momentum, so das Urteil. Die spekulative Netto-Long-Position in Gold-Futures habe am 20. August 30 Millionen Unzen (933,1 Tonnen) betragen, lediglich 2016 sei sie für drei Wochen noch höher gewesen.

J.P. Morgan wiederum schreibt in einer aktuellen Studie, die trotz einer anhaltenden Dollar-Stärke die bisher in diesem Jahr verbuchte rund zwanzigprozentige Aufwertung beim Goldpreis stark an die früheren Expansionsphasen erinnere. Gleichzeitig glauben die zuständigen Analysten in ihrer Ausarbeitung aber nicht, dass eine etwaige Rezession bereits vollständig im Goldpreis vorweggenommen ist. Vielmehr sieht man den Goldpreis bis Ende 2020 weiter deutlich steigen.

Für die derzeit zahlreichen Goldbullen dürfte das Wasser auf ihre Mühlen sein. Doch die Prognose von J.P. Morgan hat für die Gold-Optimisten auch einen Dämpfer parat. Worin dieser genau besteht und wie die Goldpreis-Prognosen konkret bis 2020 lauten, führen wir nachfolgend näher aus.

Synchronisierte Lockerung der Zentralbank und ihre Auswirkungen auf die Goldpreise


Allgemein stellt J.P. Morgan in einem elfseitigen Report die These auf, dass die wichtigste Determinante des frei schwankenden Goldpreises nach 1971 die Aktivitäten der Zentralbanken gewesen sei. Die Auswirkungen der Zentralbanken auf den Goldpreis seien dabei vereinfacht ausgedrückt in zweifacher Hinsicht zu sehen. Indirekt könnten die Zentralbanken durch ihre geldpolitischen Entscheidungen die Opportunitätskosten für das Halten von Gold im Vergleich zu anderen Anlageklassen beeinflussen. Aber sie könnten auch direktere Auswirkungen durch ihre Goldkauf-/Verkaufsaktivitäten bewirken, die sie im Rahmen der Verwaltung ihrer Devisenreserven durchführen.

Unter den Zentralbanken habe die Fed die Krone als stärkster Einflussfaktor bei der Bildung des Benchmark-Dollar-Goldpreises inne. Selbst als sich im Vorjahr die zehnjährigen US-Realzinsen in einer Spanne von plus 115 Basispunkten bis minus drei Basispunkten bewegten, habe das Niveau der US-Realrenditen etwa drei Viertel der Variation des Goldpreises auf Dollar-Basis erklärt (Grafik 1). Ähnliche Regressionen für zehnjährige deutsche Realrenditen lieferten eine etwa halb so starke Korrelation, während zehnjährigen japanischen Realrenditen sehr wenig konsistente Beziehungen aufwiesen.

Realer Spot-Goldpreis versus Modellpreis auf Basis der realen US-Zehnjahresrenditen


Quellen: Bloomberg, J.P. Morgan Commodities Research

Darüber hinaus deuteten auch empirische Belege darauf hin, dass die Preise in Bezug auf Gold am empfindlichsten auf die US-Zinspolitik reagieren (R² von 82 Prozent seit 2006) und weniger auf die Größe der Bilanz der Fed (R² von vier Prozent) sowie auf die Kauf- und Verkaufsaktivitäten aller Zentralbanken zusammen (R² von fünf Prozent). Die Faustregel besage, dass jede 25 Basispunkte-Bewegung in den USA bei den zehnjährigen realen Renditen dazu führen sollte, dass sich die Goldpreise um 80 Dollar pro Feinunze in die entgegengesetzte Richtung bewegen. Noch wichtiger ist, dass die gleiche Beziehung zwischen dem Goldpreis und den Markterwartungen der Overnight-Index-Swap-Rate besteht, was den Ausblick auf die zukünftigen Goldpreise weiterhin grundlegend stütze, wie es von J.P. Morgan heißt.

Dreizehn Monate seit Beginn des Handelskriegs gebe es Beweise dafür, dass große politische Schocks zu wirtschaftlichen Schocks werden, die das globale Wirtschaftswachstum dämpfen. Der globale Charakter dieser Verlangsamung erfordere eine umfassende politische Reaktion. Seitdem die Fed im Februar wieder auf eine expansivere Geldpolitik umgestellte hat, hätten auch andere Zentralbanken nachgezogen. Das sei sowohl in entwickelten Ländern als auch in den aufstrebenden Ländern zu beobachten.

Auch die Politik rund um das Geschäft der Zentralbanken habe sich verändert, so dass die politischen Entscheidungen heute eher auf Lockerung als auf Straffung ausgerichtet seien, wie es früher der Fall war. Das Fehlen eines inflationären Drucks weltweit sei eindeutig einer der Gründe für diese Veränderung, aber auch der Anstieg des Populismus und die übermäßige Abhängigkeit von monetären Stimuli zur Ankurbelung des globalen Wachstums hätten zu dieser Verschiebung beigetragen. In diesem veränderten politischen Umfeld gehen die Prognosen von J.P. Morgan nun davon aus, dass bis zum dritten Quartal 2020 19 Zentralbanken weltweit ihre Leitzinsen senken. Dabei dürften gemessen an einem BIP-gewichteten Durchschnitt die Leitzinsen in den entwickelten Ländern im Schnitt um 17 Basispunkte sinken und in den aufstrebenden Ländern um 39 Basispunkte.

In den USA gehen die Analysten von J.P. Morgan nach der Kürzung im Juli von einer weiteren Lockerung um 25 Basispunkte im September aus. Für das Jahr 2020 prognostiziert man aber keine weiteren Zinssenkungen. Dies unterscheide sich erheblich von dem, was der Markt derzeit erwartet, denn im Schnitt gehe man am Markt von Zinssenkung in einem Ausmaß von 114 Basispunkten bis Dezember 2020 aus. Vor dem Hintergrund der hauseigenen Vorhersagen rechnet man bei J.P. Morgan damit, dass die zehnjährigen US-Renditen bis Mitte nächsten Jahres wieder in Richtung zwei Prozent tendiert. Dabei betonen die Experten allerdings, dass die Abwärtsrisiken bei dieser Prognose zuletzt zugenommen haben. Die daraus resultierenden Folgen für den Goldpreis seien gravierend. Sei die hauseigene Vorhersage richtig, dann dürfte der Goldpreis mittelfristig wieder in Richtung 1.330 Dollar je Feinunze zurückgehen. Stimmen dagegen die skizzierten Markterwartungen, dann könnte das zu einem Goldpreisanstieg auf eine Spanne von 1.800 bis 1.900 Dollar je Feinunze führen.

Zur eigenen Meinung in Sachen Goldpreis heißt es, man sei schon länger für die Zeitspanne vom zweiten Halbjahr 2019 bis in das Jahr 2020 hinein optimistisch gewesen. Aber die jüngste Rallye habe die Erwartungen klar übertroffen, worauf man mit einer Anhebung der eigenen Prognose reagiere. Die Argumentation habe sich dabei nicht geändert. Die jüngsten Preisbewegungen an den Edelmetall-, Zins- und Devisenmärkten erinnerten an das Aufziehen einer Rezession. Beim Übergang von einer Expansion in eine Rezession könnten Gold, Anleihen und der US-Dollar erfahrungsgemäß von ihren Rollen als sichere Häfen profitieren. Trotz der jüngsten Rally dürfte eine Rezession im Goldpreis noch nicht vollständig eskomptiert sein. Vielmehr sehe man den Höchststand beim Goldpreis erst Ende 2020 bei rund 1.780 Dollar je Feinunze. Bisher war hier von 1.480 Dollar die Rede. Im Schnitt kalkuliert man dabei für 2019 mit Notierungen von 1.418 Dollar je Feinunze und für 2020 mit 1.724 Dollar je Feinunze.

Basierend auf den Modellberechnungen zum Preisverhalten von Gold während des gesamten Konjunkturzyklus habe man auch die Preisprognose für 2021 erheblich angehoben. Gleichzeitig habe man aber entschieden, die Vorhersagen für 2022 und 2023 unverändert zu belassen. Gleichzeitig heißt es, man stufe die derzeitige bullische Goldphase nicht als den Beginn einer weiteren Goldenen Ära an, die ein Jahrzehnt anhält, so wie das in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts der Fall gewesen sei. Während einige der damals vorherrschenden Faktoren, die zu einer Versiebenfachung des Goldpreises von 2001-2011 führten, auch jetzt wieder unterstützend wirkten (ETF-Zuflüsse, Einbruch der Realrenditen), glauben die Analysten dennoch, dass die aktuelle Eigentümerstruktur langfristig nicht gerade bullisch stimme. Vielmehr hält man die jüngste Rallye als Beginn für die typischen Aufwertung zum Ende eines Zyklus. Aber auch wenn es sich nicht um eine neuen Goldene Ära handele, so seien die Aussichten für die nächsten Jahr doch recht positiv.

Die J.P. Morgan-Vorhersagen zum Goldpreis im Überblick


Angaben in durchschnittlichen Quartals- und Jahresprognosen

Quelle: J.P. Morgan Commodities Research

Vermutlich kein Beginn einer neuen Goldenen Ära


Bei einem Goldpreisanstieg von über 20 Prozent im bisherigen Jahresverlauf stellt sich laut J.P. Morgan die Frage, ob wir uns an der Schwelle zu einer neuen jahrzehntelangen Goldenen Ära für Edelmetalle oder inmitten der üblichen Endzyklus-Aufwertungsphase. Auf der Suche nach einer Antwort blicken die Analysten zurück auf den letzten markanten Anstieg. In der ersten Dekade dieses Jahrhunderts, so führt man aus, trugen vier Haupttreiber zum siebenfachen Anstieg des Goldpreises bei. Erstens die Einführung von börsengehandelten Goldprodukten als neues Anlagevehikel auf dem Markt, zweitens sinkende Realzinsen in den USA und drittens der daraus resultierende Rückgang des handelsgewichteten Dollars um 27 Prozent sowie viertens die Entstehung der Verbrauchernachfrage in den Schwellenländern, insbesondere aus Indien und China, getrieben durch strukturelle Veränderungen beim Goldbesitz in diesen Ländern.

Die Zentralbanken hingegen hätten Anfang der 2000er Jahre nicht physisch zum spektakulären Anstieg von Gold beigetragen, da die Reserveverwalter während des größten Teils dieser Zeit, insbesondere in Europa, Nettokreditgeber oder Verkäufer ihres Goldes geblieben seien. Die Analyse von J.P. Morgan kommt zu dem Schluss, dass von den vier Treibern die Einführung der goldgestützten börsengehandelten Produkte und der Einbruch der Realrenditen wahrscheinlich am stärksten zum Anstieg der Goldpreise um 618 Prozent beigetragen haben. Konkret ging es damals von einem Tiefststand von 255 Dollar im Februar 2001 bis auf einen Höchststand von 1.888 Dollar je Feinunze im August 2011 nach oben. Jetzt stelle sich die Frage, ob die gleichen Bedingungen zu einer weiteren jahrzehntelangen Goldrallye führen können?

Eine Rückkehr der Summe der börsengehandelten Goldfonds auf frühere Höchststände könnte den Goldpreis möglicherweise um rund 100 Dollar je Feinunze erhöhen, so das Urteil. In den sechzehn Jahren seit der Einführung des ersten börsengehandelten Goldprodukts hätten Gold-ETFs den Goldanlagemarkt verändert. Sie hätten die Betriebskosten gesenkt, die Effizienz gesteigert und zusätzliche Liquidität und Zugang geschaffen. Es handele sich um ein etabliertes Anlagevehikel mit derzeit 110 verfügbaren Gold-ETFs. Zusammen hielten sie zum 31. Juli 2019 rund 2.600 Tonnen Gold im Wert von 120 Milliarden Dollar.

Mit den auf dieser Ebene verwalteten Vermögen konkurrierten die gesamten Gold-ETFs nun mit einigen großen Zentralbanken was die Bestände angehe. Derzeit rangierten die Gold-ETFs knapp hinter die USA, Deutschland und dem IWF, aber vor Italien und Frankreich. Dabei seien die börsengehandelten Produkte derzeit auch regional gut gestreut. Während die USA und Europa den Löwenanteil der verwalteten Vermögen ausmachten, seien auch die ETFs in Asien gewachsen.

Regionale Verteilung von Gold-ETFs


Quellen: World Gold Council, J.P. Morgan Commodities Research

Auf die selbstgestellte Frage, wie gesättigt der Markt ist, verweist J.P. Morgan darauf, dass sich die globalen Goldbestände der börsengehandelten Fonds derzeit nur 240 Tonnen unter ihrem Allzeithoch vom Dezember 2012 bewegen. Bezogen auf den Höchststand sei ein Großteil der Volumina bei nordamerikanischen börsennotierte ETFs verloren gegangen, die fast 460 Tonnen einbüßten. Die europäischen ETFs seien seit Anfang 2016 kontinuierlich gewachsen und machten derzeit 46 Prozent der gesamten globalen Bestände aus, hätten aber eindeutig Raum für weiteres Wachstum, falls die Region eine weitere Krise treffen sollte. Auch die in Asien gelisteten Produkte haben nach Ansicht von J.P. Morgan die Fähigkeit, weiter zu expandieren.

Eine variable Regression zwischen den monatlichen Veränderungen der globalen ETF-Bestände und dem Goldpreis in den vergangenen fünf Jahren deute darauf hin, dass die Goldpreise wahrscheinlich um etwa 42 Dollar pro Feinunze zulegen, wenn sich die globalen ETF-Bestände um 100 Tonnen erhöhen. Das bedeute letztlich, dass bei einer Rückeroberung der 240 Tonnen, die seit dem Ende der europäischen Schuldenkrise verloren gegangen sind, der Goldpreis um weitere 100 Dollar pro Feinunze zulegen könnte. Aufgrund des bereits hohen Basiseffekts glauben die Analysten jedoch nicht, dass die globalen ETF-Bestände auch nur annähernd in der Lage sind, künftig so schnell beim Volumen zu wachsen, wie das in den ersten acht Jahren nach ihrer Auflegung der Fall gewesen sei. Vielmehr dürfte das Potenzial bei den ETF-Beständen nach oben beschränkt sein und damit auch das über diese Schiene resultierende Potenzial für den Goldpreis.

Sinkende Realrenditen dagegen dürften nach wie vor eine wichtige Stütze für den Goldpreis bleiben, so die Einschätzung. Die US-Realrenditen seien Ende 2011 über die gesamte Kurve hinweg zusammengebrochen, wobei sich die Realrendite für zehnjährige US-TIPS von 343 Basispunkten im Februar 2001 auf elf Basispunkten im August 2011 nach unten bewegte. In Anbetracht des relativ hohen Beta von -3,2 zwischen dem Goldpreis und der zehnjährigen realen Rendite dürfte sich der Goldpreis in diesem Zeitraum alleine dadurch bedingt versechsfacht haben. Seit ihrem Tiefpunkt vor fast einem Jahr (1.176 Dollar je Feinunze am 17. August 2018) sei der Goldpreis aktuell um über 30 Prozent gestiegen. Die realen zehnjährigen US-Renditen hätten sich dabei von einem Siebenjahreshoch von 116 Basispunkten am 8. November 2018 auf ein Sechsjahrestief von minus neun Basispunkten am 28. August nach unten entwickelt. Gemäß der historischen Beziehung (jede 25-Basispunkte-Bewegung der realen Renditen sollte den Goldpreis um 80 Dollar je Feinunze in die entgegengesetzte Richtung bewegen) dürfte alleine dieser Rückgang der realen Renditen den Goldpreis auf etwa 1.530 Dollar je Feinunze nach oben gedrückt haben.

Zur Korrelation zwischen den Kauf- und Verkaufsaktivitäten der Zentralbanken und dem Goldpreis hält J.P. Morgan fest, dass diese gering sei. Die Zentralbanken seien in den vergangenen zehn Jahren beständige Nettokäufer gewesen. Im Jahr 2018 hätten sie sogar mehr Gold als in jedem anderen Jahr seit den frühen 1970er Jahren gekauft. Dies scheint eine Neubewertung beim angemessenen Platz von Gold in den Reserveportfolios widerzuspiegeln, wobei das wiederum vielleicht auch mit einer Neubewertung der Zukunft des Dollars als globale Reservewährung zu tun haben könnte. Der skizzierte Trend habe sich in diesem Jahr fortgesetzt und den Gesamtbestand auf heute rund 34.100 Tonnen erhöht. Vor allem das Kaufverhalten der Zentralbanken habe sich nur auf einige Länder konzentriert. Russland sei der engagierteste Käufer von Gold. Im Jahr 2017 entfielen zwei Drittel des weltweiten Nettogoldkaufs der Zentralbanken auf dieses Land. Und 2018 habe Russland bisher fast 274 Tonnen zu seinen Reserven hinzugefügt, die größte Menge, die jemals in einem einzigen Jahr gekauft worden sei. Kasachstan als Zweitplatzierter nach Russland zeichne 2018 bislang für fast ein Viertel des weltweiten Nettokaufs verantwortlich.

Nach einem vorläufigen Rückzug aus dem Markt ab Oktober 2016 habe China Ende letzten Jahres seine Kaufaktivitäten wieder aufgenommen und bis Juli dieses Jahres rund 84 Tonnen Gold erworben. Dadurch seien Chinas Goldbestände effektiv auf konstant drei Prozent seiner nationalen Devisenreserven gestiegen, der höchste Anteil seit 1998.

Global gemeldete Goldbestände der Zentralbanken


Quellen: IWF, J.P. Morgan Commodities Research

Würde China seine Goldbestände auf sechs Prozent seiner gesamten Devisenreserven verdoppeln (vorausgesetzt, die Gesamtreserven bleiben stabil bei etwa 3,1 Billionen Dollar), müsste China zusätzliche 1.940 Tonnen Goldbarren kaufen, was den gesamten Goldbestand der Zentralbank auf etwa 38.280 Tonnen erhöhen würde. Dies sei nicht weit entfernt von den historischen Höchstständen der Zentralbanken von 38.475 Tonnen Mitte 1966, als Gold eine wichtige Rolle im globalen Finanzsystem spielte, das nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut worden war. Das so genannte Bretton-Woods-System nutzte Gold als gemeinsamen Nenner für den Wert der nationalen Währungen, wobei Gold auf einen Preis von 35 Dollar je Feinunze festgelegt wurde und andere Währungen größtenteils einen festen Wechselkurs mit dem Dollar hatten.

Seit 1966, als der Goldstandard zu bröckeln begann, und bis zur globalen Finanzkrise im Jahr 2008, hätten die Zentralbanken ihre Goldbestände hauptsächlich reduziert. Seit 2008 haben die Zentralbanken laut J.P. Morgan jedoch kontinuierlich Gold zu ihren Reserven hinzugefügt, seitdem wurden rund 4.400 Tonnen gekauft. Zwei Drittel der Käufe fanden nach 2011 statt, als Gold ein Allzeithoch (nominal) erreichte, was aber praktisch nicht dazu beitrug, den Goldpreis anzukurbeln. Eine einfache Regressionsanalyse bestätige eine sehr schwache Beziehung zwischen dem Goldpreis und den Goldmanagementaktivitäten der Zentralbanken. Was die Nachfrage nach Goldbarren und Goldmünzen angeht, ergänzen die Analysten, dass sich diese zwischen 2003 und 2011 verfünffacht habe. Eine aktuelle Datenanalyse zeige aber, dass diese Nachfrage inzwischen sehr preissensitiv sei und in Zeiten sinkender Goldpreise steige und umgekehrt.

Zusammenfassend lässt sich nach dem Urteil von J.P. Morgan sagen, dass einige der Faktoren, welche die massive Rallye des Goldes von 2001-2011 auslösten, auch heute wieder unterstützend wirken (ETF-Ströme, sinkende Realrenditen). Aber die Analysten glauben trotzdem nicht, dass die derzeitige Eigentümerstruktur wirklich darauf hindeutet, dass wir am Beginn einer neuen "Goldenen Ära" mit massive steigenden Edelmetallpreisen stehen. Vielmehr sieht man die jüngste Rallye als Beginn der für Gold typischen Aufwertung am Ende eines Zyklus. Aber auch das stimme zunächst recht positiv für die weiteren Preisaussichten.

Jüngste Rally wohl als spätzyklisches Verhalten einzustufen


Die Analysten von J.P. Morgan erinnern daran, dass sie sich auch in den vergangenen beiden Jahren oft frühere Arbeiten zur Spätzyklen-Dynamik bei Edelmetallen bezogen hätten. Bezugnehmend darauf weisen sie darauf hin, dass im letzten Quantil einer Expansion (80-100 Prozent) Gold dazu tendiere, durchschnittlich um mehr als 40 Prozent zuzulegen. Darüber hinaus habe Gold nach dem Ende des Zyklus aufgrund seiner Attraktivität als sicherer Hafen in der Vergangenheit durchschnittlich eine weitere Preissteigerung von 18 Prozent erfahren. Die Geschichte zeige aber auch, dass die Performance von Gold im spätzyklischen Umfeld historisch sehr empfindlich auf die Entwicklung des US-Dollars reagiert habe (Gold steigt bei einer Dollarschwäche und umgekehrt). Dennoch scheine sich letztlich die Performance in Rezessionen unabhängig von der Richtung des US-Dollar-Kurses nach oben zu entwickeln

Durchschnittliche Goldpreis-Entwicklung nach Quantilen im Konjunktur-Zyklus


Quellen: S&P, NBER, J.P. Morgan

In den zwei Jahren vor 2019 habe sich Gold im Einklang mit dieser spätzyklischen Norm verhalten. Gold sei 2017 um 13,5 Prozent gestiegen, da der breite US-Dollar-Index um 7,4 Prozent gefallen sei. 2018 verlor er dann aber fast zwei Prozent, da der Dollar auf handelsgewichteter Basis um fast vier Prozent gestiegen sei. Die diesjährige Performance, mit einem Goldpreisanstieg von 20 Prozent und einem Dollaranstieg von drei Prozent, deute auf den Beginn einer Rezession in der Frühphase hin. Denn in solchen Phasen hätten Dollar und Gold auch früher schon dank ihrer Rolle als sicherer Hafen tendenziell zugelegt. Momentan zeige das globale Wachstum auch wenig Anzeichen für eine Verbesserung und das Wahrscheinlichkeitsmodell von J.P. Morgan für eine US-Rezession auf Sicht eines Jahres sei kürzlich auf ein neues Hoch für diesen Zyklus von 46 Prozent gestiegen.

Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA


Quelle: J.P. Morgan

Trotz der jüngsten Rallye bedeute das aber nicht, dass eine Rezession bereits vollständig im Goldpreis eskomptiert sei. Wenn man beispielsweise hypothetisch unterstelle, dass die gegenwärtige Expansion in diesem Monat enden würde, würde die durchschnittliche Performance der Vergangenheit bedeuten, dass die Goldpreise bis Mitte nächsten Jahres auf über 1.700 Dollar je Feinunze steigen und dann 2021 sogar fast auf 1.800 Dollar je Feinunze klettern.

Goldpreis in Expansions- und Rezessions-Phasen


Quellen: World Bank, NBER, J.P. Morgan. Framework adopted from J.P. Morgan Long-Term Investment Strategy team

Monetäre und finanzielle Bedingungen in Europa sprechen für das Halten von Gold


Das Universum mit negativ verzinslichen Anleihen sei Anfang August auf mehr als 13 Billionen Dollar gestiegen. Ein Allzeithoch, nachdem es im Monat zuvor um mehr als 1,6 Billionen Dollar gestiegen war. In Europa, wo die negativ verzinsliche Staatsverschuldung auf neue Rekordwerte gestiegen ist (mehr als 60 Prozent aller Schulden im Euroraum), erwäge die EZB eine Ausweitung ihrer Bilanz mit Hilfe von quantitativen Lockerungen. Betrachte man die vergangenen zehn Jahre, sei die Nachfrage nach europäischen Gold-ETFs der Größe der EZB-Bilanz ziemlich genau gefolgt. Ein Trend, der sich allerdings nicht unbedingt auch auf globaler Ebene widerspiegelt. Auch wenn die EZB-Bilanz jüngst eine Obergrenze erreicht habe, sei sie doch im relativen Vergleich mit der Bilanz der US-Notenbank weiter gestiegen. Das sei ein wichtiger Punkt, da er die Währungen und die Zinsen beeinflusse, und die wiederum Gold in bestimmten Regionen relativ attraktiv machten (und das erkläre auch, warum auf globaler Ebene nicht so eine enge Beziehung zu beobachten sei, wie das in Europa der Fall ist).

EZB-Bilanzgröße und europäische Gold-ETF-Bestände


Quellen: World Gold Council, Bloomberg, J.P. Morgan

Bilanzvolumen der G4-Zentralbank und globale Gold-ETF-Bestände


Quellen: World Gold Council, Bloomberg, J.P. Morgan

Zusammengefasst geht J.P. Morgan davon aus, dass die EZB zusätzlich zu einer Leitzinssenkung um zehn Basispunkte im September quantitative Lockerungen in Höhe von 30 Milliarden Euro pro Monat für einen Zeitraum von neun Monaten oder von insgesamt rund 270 Milliarden Euro ankündigen wird. Dies könnte zwar zu einer gewissen Euroschwäche gegenüber dem USD durch die Ausweitung der Zinsdifferenzen führen - nach Schätzungen der EZB drückten frühere quantitative Lockerungen den EUR/USD-Kurs um zwölf Prozent oder um etwa 0,5 Prozent pro 100 Milliarden Euro. Allerdings nehmen die Ökonomen bei J.P. Morgan an, dass die erwartete quantitative Lockerung dieses Mal den Euro-Dollar-Kurs nur um 1,3 Prozent drückt. Aber in Verbindung mit niedrigeren Zinsen und dem anhaltenden Rezessionsrisiko könnte diese Bilanzausweitung in Europa durchaus weiterhin Kapital in Gold-ETFs locken und so den Goldpreis stützen.