Die Koordinaten für das Treffen des Öl-Kartells Opec nächsten Donnerstag sind eindeutig. Der Ölpreis sinkt und sinkt. Grund ist der Schieferölboom in den USA, der zu einem drastischen Überangebot an den Weltmärkten geführt hat. Dennoch rätseln selbst langjährige Opec-Beobachter darüber, ob die Organisation Erdöl exportierender Länder kommende Woche auf den Preisverfall reagiert und die Förderung drosselt. Denn Saudi-Arabien als weltgrößter Ölexporteur und wichtigster Opec-Staat ist ein enger Verbündeter der USA, die wegen der Ukraine-Krise im Clinch mit Russland liegen. Und das riesige ölreiche Schwellenland ist eines der Hauptleidtragenden des Preisverfalls. Das Treffen des Kartells hat somit eine weltpolitische Dimension.

Der saudi-arabische Ölminister Ali al-Naimi hat den Märkten bislang keine Signale gegeben, in welche Richtung die Opec marschieren könnte. "Zum ersten Mal habe ich echt keine Ahnung, was bei dem Treffen passiert", sagt ein Ölmarkt-Experte. Der Minister betonte zuletzt zwar, Saudi-Arabien habe kein Interesse daran, Öl als politische Waffe einzusetzen. "Hier geht es nur ums Geschäft." Doch damit stieß er bei den Anlegern offenbar auf taube Ohren, der Preisrückgang hielt an.

Denn die Hinweise sind widersprüchlich: Noch im September und Oktober hatten saudi-arabische Regierungsvertreter Opec-Beobachtern signalisiert, man könne mittelfristig auch mit einem niedrigen Ölpreis leben. Angesichts hoher Währungsreserven sei deutlich gemacht worden, dass das Land bis zu ein Jahr lang Preise von 70 bis 80 Dollar verkraften könnte, sagten Insider. Die Anleger reagierten prompt: Direkt danach rutschte der Preis unter die 80-Dollar-Marke. Damit kostet Öl derzeit so wenig wie zuletzt vor mehr als vier Jahren. Seit Juni sind die Preise um gut ein Drittel gesunken.

Das schmerzt vor allem Russland, das rund 40 Prozent seiner staatlichen Einnahmen aus dem Öl-Export bezieht. Im Haushaltsplan für 2014 rechnet die Regierung in Moskau mit einem durchschnittlichen Preis von 104 Dollar je Barrel (159 Liter). In Moskau ist daher längst von einem Komplott die Rede. Leonid Fedun, Miteigentümer der russischen Ölfirma Lukoil, verweist dabei auf einen Besuch von Präsident Barack Obama in Riad im März: Obama habe den König von Saudi-Arabien inmitten der Ukraine-Krise getroffen, um ihn zur Kooperation zu drängen. Von offizieller Seite wird diese Theorie indes nicht bestätigt. Auch der Iran hat den beiden Feinden USA und Saudi-Arabien konspirative Absprachen vorgeworfen, die sich gegen die Wirtschaft des Landes richteten.

"Bilde ich mir das ein, oder haben wir es mit einem globalen Ölkrieg zu tun, mit den USA und Saudi-Arabien auf der einen Seite und Russland und dem Iran auf der anderen?", schrieb kürzlich der "New York Times"-Kolumnist Thomas Friedman. US-Außenminister John Kerry goss zuletzt noch etwas Öl ins Feuer. Als man ihn bei einem Besuch in Riad im September nach der Bedeutung des Ölpreises für den russischen Haushalt fragte, lächelte er und sagte: "Die Saudis sind sich ihrer Fähigkeit, die Preise auf dem Welt-Ölmarkt zu bestimmen, sehr, sehr genau bewusst."

Doch auch für die USA könnte der sinkende Ölpreis über kurz oder lang zum Problem werden. Denn die Schieferölproduktion ist kostspielig. Das schwarze Gold muss mit hohem technischem Aufwand aus Schiefergestein gelöst werden. Mehrere US-Produzenten haben signalisiert, dass sie profitabel bleiben können, wenn sich die Preise über 70 Dollar behaupten. Derzeit kostet US-Leichtöl gut 74 Dollar. Die Internationale Energiebehörde IEA rechnet damit, dass die Investitionen in die US-Schieferölproduktion im nächsten Jahr um rund zehn Prozent sinken. Einige Experten vermuten daher, dass Saudi-Arabien in der Ölpolitik auch auf die wachsende Konkurrenz aus den USA schielt.

Reuters