Hat er das wirklich gesagt? 100 Jahre Hausse? Irrtum ausgeschlossen? "Zehn Jahre sind ja schon vorbei", sagt Christoph Bruns, Fondsmanager-Ikone und Vorstand bei der Fondsboutique Loys, und lächelt entwaffnend. "Zehn Jahre, die das Gros der deutschen Anleger verpasst hat." Bruns, der seit 2002 in Chicago lebt und arbeitet, macht nicht den Eindruck, als sei er nach Deutschland gereist, um die weichgespülten Phrasen zu wiederholen, die in der Finanzbranche überhandnehmen, seit die Anlegerschutzgesetze Klartext verbieten. Es sieht eher so aus, als wolle er seinem Heimatland die Leviten lesen.

Es ist nicht lange her, da sorgte Bruns mit einem unkonventionellen Vorschlag für Diskussionen: Die Bundesrepublik solle Staatsanleihen mit null Prozent Verzinsung emittieren und dafür Aktien kaufen, um die Altersvorsorge ihrer Bürger sicherzustellen. Dass die Politik diesem Vorschlag nicht folgen würde, war ihm wohl von Anfang an klar. Trotzdem wäre es ein Fehler, Bruns als Provokateur oder Oberlehrer abzutun. Die gewagten Thesen des 52-Jährigen verdienen durchaus Aufmerksamkeit. Zumal die Loys-Fonds eine wahre Fundgrube für interessante Aktienideen sind . Seine Thesen indes sind unter Anlageprofis keineswegs unumstritten. Was andere prominente Köpfe aus der Finanzbranche zu seinem Szenario vom 100-jährigen Börsenboom sagen, lesen Sie in der Leiste unten.

Seite 2: Trommeln für Aktien


Trommeln für Aktien


Auf Widerworte hat Bruns eine einfache Antwort parat: "Durch die Abschaffung des Zinses bleiben die Aussichten für den Aktienmarkt auf Jahrzehnte hinaus gut." Ob er das Wort Zinswende schon einmal gehört habe? "Der Versuch der Amerikaner, in die alte Normalität zurückzukehren, ist gescheitert." Seine Rechnung: "Die Staatsverschuldung der USA liegt bei 22 Billionen Dollar. Jedes Prozent Zinserhöhung kostet deshalb jährlich zusätzliche 220 Milliarden Dollar. Seine Frage: "Wer soll das bezahlen?" Noch sicherer ist sich Bruns, dass die Zinsen in der Eurozone für einen sehr langen Zeitraum nahe der Nulllinie verharren werden. "EU-Länder wie Italien, Spanien und sogar Belgien wären sonst über Nacht pleite, Griechenland sowieso."

Es ist ein sonniger Frühlingsnachmittag in Köln, als wir Bruns zum Gespräch treffen. Am Abend wird er Kunden und Vertriebspartnern seinen Fonds Loys Global MH vorstellen, jenen Leuten also, die das Produkt kaufen und verkaufen sollen. Kein Wunder, dass er bei dieser Gelegenheit für Aktien trommelt. Doch er vermittelt keineswegs den Eindruck, als wollte er die Risiken bagatellisieren.

Seite 3: Negativzins als Treibsatz für eine langfristige Hausse


Negativzins als Treibsatz für eine langfristige Hausse


"Schmerzhafte Korrekturen" werde es immer wieder geben, das habe die erste Dekade der 100-jährigen Hausse gezeigt. Der Markteinbruch im Sommer 2011 und das zweite Halbjahr 2018 hätten auch seinen Fonds zugesetzt, gibt er unumwunden zu. Trotzdem bleibe der Negativzins der Treibsatz für eine langfristige Hausse. In seiner Wahlheimat USA sei der Umgang mit Aktien entspannter. Sein 17-jähriger Sohn habe bereits in der Schule gelernt, wie man ein Portfolio anlegt. Sich in der Wirtschaft zu engagieren und am Kapitalmarkt zu investieren sei für Amerikaner eine Selbstverständlichkeit. "Schließlich wird dort das Volksvermögen verdient."

Dass die Deutschen ihre Altersvorsorge stattdessen immer noch auf Zinssparen aufbauen, ist für ihn "ein Fall für den Psychiater". Warum? "Versorgungswerke und Unterstützungskassen hängen alle am Zins. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Ruhestand gehen, kommt es zum Schwur! Gut möglich, dass die nächste große Krise eine Altersvorsorgekrise wird." Doch auch Bruns’ neuste Idee wird kaum Chancen auf Umsetzung haben: "Eine einfache Maßnahme zur Förderung der Aktienkultur wäre es, Verluste aus Aktiengeschäften mit anderen Einkommensarten verrechenbar zu machen. Dann verliert die Börse ihren Schrecken. In guten Aktienjahren kassiert der Staat ja auch mit."

Irgendwie spricht er damit wohl jedem Aktionär aus der Seele. Und wirkt am Ende wieder weniger streng, eher wie der nette Buddy aus Amerika, der keineswegs für sich in Anspruch nimmt, die Wahrheit gepachtet zu haben. "Es kann passieren, dass die Kurse nicht steigen", räumt er ein. "Dann muss die durchschnittliche Dividendenrendite von drei Prozent in unserem Fonds die Performance machen." Das sei immer deutlich noch mehr, "als mit Staatsanleihen zu erzielen ist".

Seite 4: Hausse! - Pro und Contra


Hausse! - Pro und Contra


Pro Hauuse: Jens Erhardt, DJE Kapital
"Zur möglichen Dauer eines Börsenbooms geben wir aus naheliegenden Gründen keine Prognosen ab, aber solange sich die monetäre Ausgangssituation nicht verändert, sprich die Zinsen nahe null bleiben, sieht das Umfeld für Aktien günstig aus. Insbesondere deutsche Werte haben Nachholpotenzial: Seit 2000 hat sich bei den Kursen wenig getan, aber die Gewinne und Dividenden sind seitdem deutlich gestiegen. Das zeigt: Aktien sind aus historischer Sicht nicht teuer. Im Vergleich zu US-Aktien sind sie sogar so günstig wie seit 50 Jahren nicht mehr."

Contra Hausse: Max Otte, Institut für Vermögensentwicklung
Die Abwesenheit des Zinses hat die Aktienmärkte, aber auch das hemmungslose Schuldenmachen befeuert. Vor allem in den USA haben Staats- und Unternehmensverschuldung, Auto- und Immobilienkredite bedenkliche Rekordwerte erreicht. Zusammen mit der instabilen geopolitischen Gemengelage ist das ein hochexplosives Gemisch! Es bedarf nur eines kleinen Auslösers, dann fliegt uns das gesamte System um die Ohren. Gemessen an dem, was dann droht, war die Finanzkrise von 2008 ein laues Lüftchen. Am Ende könnte ein System der Zwangswirtschaft stehen."

Pro Hausse: Robert Halver: Baader Bank
Der Totensonntag für Zinsen ist eingeläutet - und das wohl für die Ewigkeit. Daher sind Zweifel erlaubt, ob es mit 100 Jahren getan ist. Das hängt davon ab, wie lange unser heutiges Wirtschaftssystem Bestand haben wird. Solange es existiert, wird es keine Rückkehr zur Normalität geben, jedenfalls nicht in der Eurozone, wo sich die Mehrheit der Staaten keinen Leitzins von vier oder fünf Prozent leisten kann. Ein kapitalistisches System ohne Zinsen ist paradox, aber längst Fakt. Trotz aller Kursschwankungen sind Aktien der einzig vernünftige Ausweg für Anleger."

Contra Hausse: Eckart Langen von der Goltz, PSM Vermögensverwaltung
Aus der Erfahrung von über 50 Jahren wissen wir, dass nach einer Hausse gerne überoptimistische Prognosen gestellt werden. Wer Anfang der 1930er-Jahre in Aktien investiert war, musste in den meisten Fällen bis 1954 warten, bis die Einstiegskurse wieder erreicht wurden. Hatte man 1989 vor dem Kurssturz in Japan sein Geld dort in Aktien angelegt, ist nach fast 30 Jahren teilweise immer noch ein Verlust von bis zu 40 Prozent vorhanden. Wir beobachten die Märkte genau, denn unsere Kunden sollen zu Lebzeiten die Früchte unserer Arbeit ernten können."

Pro Hausse: Gottfried Heller, Fiduka-Depotverwaltung
Wir werden zwar noch relativ lang Nullzinsen und anschließend Niedrigzinsen haben - 100 Jahre kann jedoch niemand voraussehen. Das ist aber auch nicht entscheidend. Denn Aktien haben, seitdem es Börsenstatistiken gibt, langfristig die höchsten Renditen aller Anlageformen erzielt, trotz Kriegen, Krisen, Inflationen und Hochzinsen. Aktien werden verteufelt, weil Privatanleger angeblich nur das Nachsehen haben und Verluste erleiden. Reiner Blödsinn! Denn Aktien eignen sich gerade für Privatanleger, wenn sie langfristig anlegen und breit international streuen."

Contra Hausse: Thorsten Polleit, Universität Bayreuth
Glauben Sie bloß nicht, die Null- und Negativzinspolitik der Zentralbanken wäre etwas Gutes. Ganz im Gegenteil: Die Folgen sind katastrophal. Der Versuch der Zentralbanken, die Zinsen abzuschaffen, dürfte zwar die Preise für Aktien und Häuser zunächst weiter in die Höhe katapultieren, doch der Absturz ist programmiert. Denn ohne Zins ist es früher oder später vorbei mit der freien Marktwirtschaft und damit dem Wohlstand. Nicht alle Unternehmensmodelle werden das irrsinnige Null- und Negativzinsexperiment der Zentralbanken überstehen."

Seite 5: Marktaussichten und Anlagestrategien - Teil 1



Marktaussichten und Anlagestrategien - Teil 1


Loys Global MH: Wo Bruns sein privates Vermögen investiert

Die Anlagestrategie von Christoph Bruns bildet der Loys Global MH am besten ab, denn er selbst ist der größte Anteilseigner. Der Global MH wurde zunächst als Hedgefonds aufgelegt, 2015 aber in einen Mischfonds umgewandelt, allerdings mit mehr Freiheiten hinsichtlich der Investitionsquote und der Gewichtung einzelner Positionen.

Da Bruns am Aktienmarkt im Moment erheblich größere Chancen sieht als bei festverzinslichen Wertpapieren, sind Dividendentitel stark übergewichtet (und wenn man seinen Worten glauben darf, bleibt das auch die nächsten 90 Jahren so).

Bruns definiert vier Hauptkriterien für die Aktienauswahl: 1. Es muss klar sein, dass es das Unternehmen in zehn Jahren noch gibt. 2. Die Bilanz muss sauber sein, die Verschuldung möglichst gering. 3. Man muss das Unternehmen verstehen können, insbesondere, woher die Zahlungsströme kommen. 4. Die Aktie muss unter dem inneren Wert notieren, denn auch die besten Unternehmen werden keinen Gewinn abwerfen, wenn ihre Papiere überteuert sind.

2018 war kein gutes Jahr für den Fonds, 2019 läuft es dafür bislang umso besser. Wichtiger ist dem Manager aber: Seit der Gründung im Jahr 2006 gibt es keinen Fünfjahreszeitraum, aus dem der Fonds mit einem Minus hervorgegangen wäre. Die durchschnittliche Rendite liegt seither bei 7,5 Prozent jährlich.

Bayer: Hitzige Debatten auf der Hauptversammlung
Operativ läuft es ordentlich bei Bayer. Die Zahlen, die der DAX-Konzern in der zurückliegenden Woche begannt gab, übertrafen die durchschnittlichen Analystenschätzungen deutlich. Der Umsatz sprang im ersten Quartal wegen der Monsanto-Übernahme um 42,4 Prozent auf gut 13 Milliarden Euro nach oben. Aber auch aus eigener Kraft wären die Erlöse um 4,1 Prozent gestiegen. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) stieg um 44,6 Prozent auf knapp 4,2 Milliarden Euro. Netto verdienten die Leverkusener wegen der Kosten für den laufenden Konernumbau und der Monsanto-Integration mit 1,24 Milliarden Euro allerdings 36,5 Prozent weniger als vor einem Jahr. Das aber ist nicht das Problem, das auf der Hauptversammlung zum Eklat führte.

Vielmehr ist es der Umgang mit Pestiziden und anderen Pflanzenschutzmitteln, der die Menschen zu Protestaktionen auf die Straßen treibt. Für Aktionäre gipfeln die Risiken in den Unwägbarkeiten in den Glyphosat-Prozessen in den USA, die sich die Leverkusener mit Monsanto ins Haus geholt haben. Für Fondsmanager Bruns sind solche Situationen wie gemacht, um sich auf die Lauer zu legen. Kaufen würde er aber erst, wenn klar ist, dass mögliche Schadenersatzzahlungen an Krebspatienten nicht sogar existenzgefährdend werden können.

Bijou Brigitte: Familienaktionäre als "harte Nuss"
Laut Fondsmanagerlegende Peter Lynch gibt es nichts Besseres, als wenn sich kein Analyst mehr für ein Unternehmen interessiert. Bei Bijou Brigitte ist das laut Bruns der Fall, "weil der Chef alle frustriert". Mit dem Vorstandsvorsitzenden Roland Werner ist er offenbar schon mehrmals aneinandergeraten, weil er den Eindruck hat, dass die Familie das Unternehmen steuern möchte wie eine nicht börsennotierte Gesellschaft und Aktionäre als lästiges Beiwerk empfindet. Man präsentiere sich selten bis nie auf Investorenkonferenzen, es gebe keine Analystenveranstaltungen, die Kapitalallokation sei verheerend: Die 150 Millionen Euro Nettocash liegen in Geldmarktfonds, an eine Sonderausschüttung ist nicht zu denken, weil die Familienaktionäre diese Forderung mit dem Argument "Dann ist das Geld ja weg" vom Tisch wischen.

Aber: Erstmals seit Jahren ist der Umsatz im ersten Quartal wieder gewachsen. Zieht man die liquiden Mittel ab, ist das operative Geschäft gerade mal mit 200 Millionen Euro bewertet und wirft eine Marge von elf Prozent ab. Seine Hoffnung ist, dass das Unternehmen eines Tages mit einem saftigen Aufschlag auf den jetzigen Aktienkurs von der Börse genommen wird. Bis dahin sei aber noch "eine harte Nuss zu knacken". BÖRSE ONLINE meint: Recht hat er, aber die möglicherweise lange Wartezeit wird durch eine hohe Dividendenrendite versüßt.

Seite 6: Marktaussichten und Anlagestrategien - Teil 2



Marktaussichten und Anlagestrategien - Teil 2


Boeing: Geduldsspiel für Anleger
Ähnlich wie das Papier von Bayer ist die Aktie des US-Luftfahrtkonzerns Boeing ein klassischer Fall für die Lauerstellung. Zum Zuschnappen ist es allerdings noch zu früh. Denn noch ist unklar, welche Kosten das Debakel um den Unglücksjet Boeing 737 Max am Ende verursachen wird. Die US-Luftfahrtbehörde hatte Maschinen dieses Typs nach zwei Abstürzen Flugverbot erteilt. In der vergangenen Woche kassierte Boeing-Chef Dennis Muilenburg fast erwartungsgemäß die Prognose fürs Gesamtjahr, nachdem der Umsatz allein im ersten Quartal um mehr als eine halbe Milliarde Dollar gesunken war. Allerdings äußerte er "höchste Zuversicht", dass die Jets bald wieder fliegen werden. "Spiegel Online" hingegen zitiert Konzernkreise, wonach angeblich frühestens im Juli damit zu rechnen sei. Eine besonders peinliche Note erhält der Skandal um die mutmaßlich für die Abstürze verantwortliche Software dadurch, dass das System aus Kosten- und Zeitgründen in das alte 737-Design eingebaut wurde, das auf Entwürfe aus den 1960er-Jahren (!) zurückgeht. Da auch die Triebwerke des Modells 787 Dreamliner Probleme machen, sei es kaum möglich, einzuordnen, wann die Aktie ein lukratives Einstiegsniveau erreiche, meint Bruns. Aber "mit jedem Tag, den sie fällt, wird sie interessanter".

Federated Investors: Moderat bewerteter Vermögensverwalter
Wenn ein Fondsmanager sich Aktien eines Wettbewerbers ins Portfolio legt, muss er schon sehr überzeugt sein. Wobei sich der Konkurrenzgedanke in Grenzen halten dürfte, denn Loys sieht sich in erster Linie als kleine, aber feine Aktienfondsboutique. Federated Investors ist mit einem verwalteten Vermögen von rund 485 Milliarden US-Dollar ungleich größer und in erster Linie für Geldmarkt- und Rentenfonds bekannt. 1969 legte die Gesellschaft den ersten US-Staatsanleihefonds auf, 1972 folgte der erste Fonds für Hochzinsanleihen. In Deutschland werden die Federated-Produkte hauptsächlich über die LVM-Versicherung vertrieben. Das 1955 in Pittsburgh gegründete Unternehmen wächst beständig, sowohl aus eigener Kraft als auch durch Übernahmen.

Als klugen Schachzug wertet Bruns die im vergangenen Jahr bekannt gegebene Übernahme von 60 Prozent der Anteile an Hermes Investment Managers, einem Londoner Spezialisten für nachhaltige Geldanlagen, der bis dahin zur Pensionskasse der British Telecom (BT) gehörte. Die Zahlen fürs erste Quartal, die Federated in der vergangenen Woche vorlegte, verfehlten die Erwartungen der Analysten. Der Nettogewinn ging von 60,3 auf 54,5 Millionen US-Dollar zurück. Der Kurs geriet deshalb unter Druck, was mittel- bis langfristig eine Kaufgelegenheit sein könnte. Denn mit einem 2020er-KGV von etwa zwölf ist die Aktie nicht teuer.

RWE: Später Profiteur der Energiewende
Der Energieriese RWE gehört zu den führenden europäischen Stromversorgern und ist im Heimatmarkt Deutschland, in Großbritannien und in den Niederlanden stark engagiert. Seit dem beschlossenen Atomausstieg befindet sich RWE im Umbruch und will sich nach der strategischen Neuausrichtung vor allem auf die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien und den Energiehandel konzentrieren. Doch der Weg dorthin ist steinig. Die Zahlen für 2018 und der Ausblick ins laufende Jahr waren erneut schwach und verfehlten die Erwartungen. Operative Schlaglöcher verpassten dem Aktienkurs in den vergangenen Jahren immer wieder empfindliche Dämpfer. Auf Sicht einer Dekade hat sich der Börsenwert gedrittelt.

Zum Vergleich: Der DAX-Kursindex hat sich im selben Zeitraum verdoppelt. Seit rund vier Jahren geht es allerdings mit der Aktie kontinuierlich bergauf. Optimistisch gestimmte Analysten oder Fondsmanager wie Bruns sehen RWE langfristig als Profiteur der Energiewende. Für Bruns ist RWE eine substanzstarke, risikoarme Cashflow-Maschine. Das Vorzugspapier von RWE, das Privatanleger unserer Meinung nach der im DAX notierten Stammaktie vorziehen sollten, ist fundamental recht attraktiv gepreist. Da es aber noch Risiken gibt, stufen wir RWE vorerst nur auf "Beobachten" hoch.

Seite 7: Marktaussichten und Anlagestrategien - Teil 3



Marktaussichten und Anlagestrategien - Teil 3


Saipem: Eni-Tochter mit Turnaroundfantasie Eine der größten Positionen im Loys Global MH ist Saipem. Die Italiener stellen Maschinen, Plattformen und andere Produkte für die Erdölgewinnung her, verlegen Pipelines, bohren aber auch selbst nach Öl und Gas. Das Segment Drilling bietet unter anderem Hochseebohrungen an, wobei Tiefen von bis zu 10 000 Metern unter Wasser erreicht werden. Vor genau 50 Jahren wurde das Unternehmen vom Mutterkonzern Eni abgespalten und später eigenständig an der Börse notiert. Der Umsatz stieg im ersten Quartal von 1,92 auf 2,16 Milliarden Euro, der bereinigte operative Gewinn von 100 auf 126 Millionen Euro. Dass unterm Strich nur ein Nettogewinn von 29 Millionen Euro herauskam, ist Folge hoher Finanzierungs- und Restrukturierungskosten, die im Vorjahresquartal noch für einen Verlust gesorgt hatten.

Das lässt Raum für Verbesserungen. Vorstandschef Stefano Cao blickt optimistisch in die Zukunft. Dank eines signifikanten Anstiegs des Auftragseingangs hofft er darauf, dass sich die operative Performance ab dem laufenden Jahr erheblich verbessern wird, auch wenn der Gesamtmarkt in der Ölserviceindustrie bislang kaum Anzeichen einer Erholung zeige. Da 2017 und 2018 Verluste angefallen waren, werden die Verbesserungen zunächst noch zu moderaten Ergebnissen und einer eher bescheidenen Dividende führen. Für Turnaroundwerte ist das typisch.

TUI: Ausgebombte Aktie mit hohem Aufholpotenzial
Zu einer der aussichtsreichsten Aktien, die noch am Boden liegen, zählt die des deutsch-britischen Reiseveranstalters TUI. Der Titel hat sich vom Hoch im Mai 2018 bei 20,66 Euro mehr als halbiert und bietet mutigen Anlegern nun hohes Aufholpotenzial. TUI kappte gleich zweimal die Prognosen. Zunächst verhagelten der heiße Sommer 2018 und Überkapazitäten in Spanien die Bilanz, im März sorgte das Flugverbot für 737-Max-Maschinen des US-Herstellers Boeing für eine zweite Gewinnwarnung. Bis Mitte Juli müssen die 15 TUI-Flieger dieses Typs wohl noch am Boden bleiben. TUI ist einer der größten Kunden von Boeing in Europa und deutete an, dass Ansprüche gegen den Luftfahrtriesen erhoben werden. Ein Sondergewinn in Form einer Entschädigungszahlung ist aber unwahrscheinlich.

Denkbar wäre, dass TUI bessere Konditionen beim Kauf neuer US-Flieger aushandelt, auf die Firmenchef Friedrich Joussen unverändert schwört. Fondsmanager Christoph Bruns hält die Kurskorrektur bei TUI für überzogen. Seiner These nach unterstellt der Markt, dass es bei TUI fünf Jahre lang schlecht laufen wird. Die Boeing-Misere könnte indes schon im nächsten Jahr vergessen sein, glaubt Bruns. Auch Firmeninsider glauben an den Turnaround. Sowohl Vorstandschef Joussen als auch der neue Aufsichtsrat Dieter Zetsche kauften jüngst TUI-Aktien in Millionenhöhe.

Topix-EFT: Japan so günstig wie selten zuvor
Sich nur auf den deutschen Markt zu verlassen wäre laut Bruns ein Fehler. Die Politik habe nicht nur die Aktienanlage steuerlich sanktioniert, sondern auch zahlreichen Unternehmen geschadet. "Mobilität ab statt aufzubauen, die Schwächung der Versorger durch die Energiewende und jetzt die Diskussion um die Enteignung von Wohnungsbaugesellschaften - deutsche Sonderwege sind selten gut gegangen", sagt der Wahlamerikaner und rät, sich auch in anderen Ländern umzuschauen. Besonders auf Japan hat er ein Auge geworfen.

Der marktbreite Leitindex Topix notiere nur knapp über Buchwert und enthalte zahlreiche interessante Unternehmen, die noch weitgehend unentdeckt seien. Zwei davon zählen zu den Top-Positionen im Loys Global MH: das IT- und Softwarehaus Zuken sowie Proto Corp., die führende japanische Gebrauchtagenhandelsplattform im Internet. Beide sind mit einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von unter eins bewertet und wären "wahrscheinlich das Doppelte wert, wenn sie amerikanische Unternehmen wären". Dazu mag beitragen, dass beide Aktien nur in Japan gehandelt werden. Da es für Privatanleger zudem schwierig ist, Informationen über kleinere und mittelgroße japanische Unternehmen zu bekommen, empfiehlt BÖRSE ONLINE, gleich den ganzen, über 2000 Werte umfassenden Topix im Paket zu kaufen - etwa mit einem ETF von Lyxor.