Sie ist eine fröhliche junge Frau mit lockigem, brünettem Haar. Keine Spur von Jetset-Allüren, kein "Rich Kid", sondern eine bodenständige junge Frau mit einer großen Leidenschaft, dem Dressurreiten. "Ich träume davon, irgendwann einmal einen eigenen Stall zu besitzen und Pferde zu züchten", sagt Alexandra Andresen. Eine Leidenschaft, die sie von ihrer Mutter Kristin geerbt hat. Locker und entspannt zeigt sie sich auch auf Instagram (sie hat mehr als 72 000 Follower). Meist mit ihren vier Pferden, mit denen sie inzwischen in Florida trainiert. Oder mit ihrem Verlobten, dem norwegischen Mixed-Martial-Arts-Kämpfer Joachim Tollefsen. Er nennt sich "Ninja Viking" und bereitet sich ebenfalls in Florida auf eine Weltkarriere in dieser Vollkontakt-Sportart vor.

Trotz ihres Milliardenvermögens ist Alexandra Andresen relativ normal aufgewachsen. Sie besuchte, bevor sie in Norwegen in eine öffentliche Schule überwechselte, eine Privatschule in England, ihr erstes Auto war ein Gebrauchtwagen - der alte Golf ihrer Großmutter. "Vater erlaubt uns zwar, schöne Autos zu fahren, aber es dürfen keine Neuwagen sein."

Schon als kleines Kind war sie von Pferden fasziniert und ritt bereits als Dreijährige auf ihrem Shetlandpony durch Oslos Kongsgarden-Park. In Deutschland, auf dem Gestüt von Johann Hinnemann im niederrheinischen Voerde, in Norwegen und in den USA ließ sie sich zur Dressurreiterin ausbilden. Sie ist dreifache norwegische Juniorenmeisterin, gehört der Nationalmannschaft an und gewann mit ihrem Pferd Belamour bei den Nachwuchs-Europameisterschaften im französischen Compiègne die Silbermedaille. Ihr großes Ziel: die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio 2020. Aber sie ist realistisch: "Nur mit Geld wird man nicht erfolgreich."

Für Finanzinvestments zeigte sie bisher wenig Interesse. "Ich spare eigentlich immer, ich habe das auch immer schon getan. Ich spare mein Wocheneinkommen, meine Prämien von den Reitturnieren und mein Geburtstagsgeld", sagt sie. "Das bedeutet für mich, dass ich mir davon dann Sachen kaufen kann, die ich wirklich haben will, wie eine teure Tasche oder Schuhe, ohne dass ich meine Eltern um Erlaubnis fragen muss." Irgendwann möchte sie ihr eigenes Unternehmen aufbauen, verriet sie dem unternehmenseigenen Magazin "Ferdmagasinet". Ihre um ein Jahr ältere Schwester Katharina - nach Alexandra die zweitjüngste Milliardärin der Welt - schlägt einen anderen Weg ein. Sie studiert Sozialwissenschaften am Amsterdam University College und bewohnt dort ein kleines Zimmer in einem Studentenwohnheim.

Aber im Gegensatz zu ihrer Schwester lässt sich die 24-Jährige mit dem trendigen blonden Haarschnitt gern auf Partys, Megajachten, in teuren Autos oder im Urlaub an exotischen Stränden fotografieren. Sie mag den glamourösen Lifestyle. Katharina, die mit dem dänischen Model und Schauspieler Mads Madsen zusammen ist, gilt als "Fashionista" mit einer Vorliebe für teure Schuhe und Designer-Handtaschen.

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Zukunft offen



Ob und wann Alexandra und Katharina ins Familienbusiness wechseln, überlässt Vater Johan Andresen den beiden. "Ich will meinen Töchtern die Möglichkeit geben, sich als eigene Persönlichkeiten zu entwickeln und nicht als vorprogrammierte Roboter zu agieren", erklärte er in einem Interview. In Familienunternehmen sei diese Einstellung eher selten zu finden, schreibt das "Handelsblatt". Aber sie sei richtig, meint Øyvind Bøhren, Professor an der Norwegian Business School. "Zugespitzt kann man sagen, dass Familienunternehmen oft ein großes Herz, aber ein kleines Gehirn besitzen", zitiert ihn das Blatt. Zwar sei es von Vorteil, wenn der Besitzer des Unternehmens und die operative Leitung die gleichen Interessen verfolgten. Sehe man allerdings nur die eigenen Kinder als Nachfolger, verschenke man möglicherweise die Chance, besser geeignete Kandidaten zu finden. Auch deshalb habe Johan H. Andresen die operative Führung an Personen außerhalb der Familie übertragen. Damit habe er, so Bøhren, auch den Töchtern signalisiert, dass sie nicht unbedingt im Unternehmen arbeiten müssten.

Ferd, der norwegische Multikonzern, ist das größte Unternehmen des Landes. Der Reichtum der Familie Andresen geht auf das Jahr 1849 zurück. Damals erwarb der erste Johan H. Andresen die Tiedemanns Tobaksfabrik, die schnell zum größten Zigaretten- und Zigarrenhersteller in Norwegen wurde. Das Unternehmen verblieb im Besitz der Familie, bis der Erbe Johan Andresen 1998 das Unternehmen für 447 Millionen Euro an die dänische Gruppe Scandinavian Tobacco Company verkaufte und mit dem Erlös die Investmentgesellschaft Ferd (übersetzt: "Reise") gründete.

Der 1961 geborene Johan Andresen ist heute einer der weltweit erfolgreichsten Investoren. Er hatte erst in den USA am Dartmouth College Politik studiert und dann 1993 an der Rotterdam School of Management seinen MBA gemacht. Anschließend arbeitete er in den USA als Product Manager in einer Papierfabrik, stieg dann als Partner ins väterliche Geschäft ein und trat 1998 - in der fünften Generation - die Nachfolge seines Vaters als alleiniger Besitzer und Chef der Investmentgesellschaft an. Er gab diesen Job aber 2011 auf und übt seitdem als Aufsichtsratsvorsitzender weiterhin die Kontrolle über den Konzern aus. Formal sind seine Töchter Alexandra und Katharina die Haupteigner, der Vater verfügt aber noch immer über 70 Prozent der Stimmrechte.

Ferd gehört mit einem Investmentkapital von mehr als 3,3 Milliarden Euro zu den größten Familienunternehmen des Landes. Über Ferd ist die Andresen-Familie heute unter anderem an dem dänischen Arzneimittelriesen Novo Nordisk, dem Autozulieferer Autoliv, der Fluggesellschaft Norwegian Air Shuttle, dem Anlagenbauer Aker Solutions und vielen anderen Firmen beteiligt.

2007 hatte Vater Andresen seinen beiden Töchtern, die damals erst zehn und elf Jahre alt waren, je 42,2 Prozent der Ferd Holding überschrieben. In Norwegen ist es Tradition, dass reiche Familien ihr Vermögen bereits früh ihrem Nachwuchs vererben. Es war aber auch eine gute - und legale - Möglichkeit, die damals sehr hohen Erbschaftsteuern in Norwegen zu umgehen.

Dass der fast unfassbare Reichtum der beiden Töchter erst sehr viel später bekannt wurde, liegt ebenfalls am norwegischen Steuersystem: Bis zum vollendeten 18. Lebensjahr muss niemand in dem Land eine Steuererklärung abgeben. Die superreichen Teenager lebten also bis zu ihrer Volljährigkeit quasi völlig unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit, bis sie schließlich auf der "Forbes"-Liste der reichsten Menschen der Welt geoutet wurden.