Es war aber der 1848 geborene Wilhelm Finck, der den Grundstein zu Ruhm und Reichtum der Gelddynastie legte. Wilhelm Finck hatte das Elternhaus früh verlassen und in Frankfurt eine Privatschule besucht. Mit 14 begann er eine Banklehre, arbeitete anschließend in einem Importunternehmen in London und wechselte 1870 zunächst als Prokurist zur neugegründeten Privatbank Merck, Christian & Co. in München. Bereits ein Jahr später wurde er Teilhaber. Die Bank sollte später zur Keimzelle des Finck’schen Familienvermögens werden.

Wilhelm Finck - er wurde 1911 vom bayerischen Prinzregenten Luitpold in den erblichen Adelsstand erhoben - machte rasch Karriere in der Bank, die sich bereits ab 1879 Merck, Finck & Co. nannte. Er entwickelte sich in der Hochphase der Industrialisierung im deutschen Kaiserreich zu einem visionären Unternehmer und war Mitbegründer von heute noch bedeutenden Firmen wie der Allianz Versicherung und der Münchener Rück, der Isar-Amperwerke oder der Brauerei Löwenbräu.

Sein Sohn August von Finck war schon mit 26 Jahren nach dem Tod des Vaters allein verantwortlicher Erbe geworden - sein älterer Bruder war im ersten Weltkrieg gefallen. August war ein brillanter Unternehmer, gründete Firmen, baute das Bankgeschäft durch Beteiligungen und Übernahmen aus. Und er war ein glühender Nazi-Unterstützer der ersten Stunde. Bereits 1933 trat er in die NSDAP ein und profitierte später von der Arisierung jüdischen Besitzes.

Der Bankier galt als knorrig und geizig, als erzkonservativ und gnadenlos autoritär. Er rauchte billige Zigaretten, feilschte beim Friseur ums Trinkgeld und bewilligte seinen Angestellten lange Zeit keine Armlehnen an den Stühlen - schließlich hätten sie doch beim Arbeiten die Hände auf dem Tisch. Zu seinem Privatbesitz gehörten ein Schloss in der Schweiz und ein Jagdrevier, ferner rund 4000 Hektar Felder, Wiesen und Wälder in Bayern. Autoritär war der Patriarch auch in seinem Privatleben. Herzlichkeit und Gefühle zu zeigen waren seine Sache nicht.

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Eine schmutzige Erbschlacht


1974 wurde in Deutschland die Schenkungsteuer erhöht. Um unnötige Zahlungen an den Fiskus zu umgehen, hatte der damals 75-jährige Firmenchef bereits im Jahr zuvor seinen älteren Söhnen August ("Gustl") von Finck junior und Wilhelm von Finck jeweils 25 Prozent an der Familienholding Agricola Beteiligungs-KG überschrieben, zu der auch die Bank Merck Finck & Co. gehörte. Die beiden damals noch minderjährigen Söhne Gerhard und Helmut aus seiner zweiten Ehe erhielten Unterbeteiligungen von je 20 Prozent des Milliardenvermögens.

In seinem Testament verfügte der sparsame Senior später, dass die vier Söhne das Bank- und Beteiligungsimperium zu gleichen Teilen erhalten sollten. Die beiden jüngeren Söhne Gerhard und Helmut wurden jedoch nur als Vorerben "männlicher blutmäßiger ehelicher Abkömmlinge" eingesetzt. Er fügte außerdem noch eine Klausel ein, die bis heute Anlass zu einer schmutzigen Erbschlacht gibt: "Sofern meine erbberechtigten Söhne bei meinem Tode noch nicht persönlich haftende Gesellschafter des Bankhauses sind, mache ich ihnen ausdrücklich zur Auflage, dies zu werden und zu bleiben."

Die beiden älteren Söhne saßen beim Tod des Patriarchen bereits in der Geschäftsleitung der Privatbank. Für Helmut und Gerhard jedoch galt: Sie sollten erst in die Bank aufgenommen werden, wenn sie in Deutschland oder der Schweiz ein Jura-Studium oder ein Studium der Betriebs- oder Volkswirtschaftslehre absolviert hatten. 1978 enterbte der Senior seinen Sohn Gerhard wegen seines angeblich "ehrlosen Lebenswandels".

1980 starb August von Finck senior im Alter von 81 Jahren an seinem Schreibtisch. Der Tod des übermächtigen Vaters warf seinen jüngsten Sohn Helmut völlig aus der Bahn. Er fiel in eine Lebenskrise, wurde Anhänger des indischen Gurus Bhagwan, lebte phasenweise in den USA in einer Bretterhütte und hatte Drogenprobleme. Seine beiden Halbbrüder hatten Angst, er könnte seinen Erbteil dem Guru vermachen. Sie zitierten ihn nach München und legten ihm einen Vertrag vor: Für 65 Millionen Mark verkaufte Helmut seinen Halbbrüdern sämtliche vom Vater erhaltenen Vermögenswerte sowie die Nutzungsrechte am Vorerbe, obwohl er wohl etliche Hundert Millionen hätte haben können. Inzwischen führt Helmut wieder ein bürgerliches Leben.

Von einem Teil des 65-Millionen-Erbes kaufte er ein Gestüt in der beschaulichen Lüneburger Heide und machte sich einen Namen als Pferdezüchter. Jetzt will er den Vertrag von 1985 anfechten. Er fühlt sich von seinen Halbbrüdern über den Tisch gezogen: Er sei damals in Behandlung gewesen. Bei klarem Verstand hätte er niemals auf so viel Geld verzichtet. August und Wilhelm hatten indes das väterliche Erbe neu sortiert. Wilhelm erhielt den Großteil der Land- und Forstflächen, August übernahm die unternehmerische Sparte.

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Markenzeichen Missmanagement


Markenzeichen Missmanagement


Die Rolle des Bankvorstehers fiel nun August von Finck junior zu. Der hochgewachsene Mann, den laut "Manager Magazin" einstige Gefährten als höflich und charmant, aber auch verschroben und zuweilen bösartig charakterisierten, zeigte zu Beginn unternehmerisches Geschick und machte Merck Finck & Co. zur drittgrößten Privatbank des Landes. Aber nach der anfänglichen Begeisterung mied er die mühevolle Arbeit zusehends.

Es fehlte ihm, urteilte die Presse, jene Fortune, die seine Vorfahren auszeichnete. Missmanagement sei sein Markenzeichen, lästerte der "Spiegel" und spielte auf von Fincks glücklose Vorstellung bei der bayerischen Traditionsbrauerei Löwenbräu an. Durch seine eigenwillige Personalpolitik habe er die Brauerei zum Sanierungsfall gemacht.

Sein größter Coup aber stand noch bevor. In einer beispiellosen Nacht-und-Nebel-Aktion verscherbelte er schließlich sein Geldhaus im Herbst 1990 für rund 300 Millionen Euro an die britische Barclays Bank. Der Bankendeal war der Beginn seiner Verlagerung in die steuermilde Schweiz, wo er sich mit seiner Frau Francine im Schloss Weinfelden im Kanton Thurgau niederließ. Schritt für Schritt trennte er sich nun von vielen seiner deutschen Beteiligungen, der Allianz, der Münchener Rück, dem Stromversorger Isar-Amperwerke und sogar von Löwenbräu. Die Erlöse investierte er in der Schweiz.

Der medienscheue Multimilliardär, der Franz Josef Strauß zu seinen Freunden zählte, gilt als sittenstreng und erzkonservativ. In die Schlagzeilen geriet er 2008 und 2009, als er über eine Tochtergesellschaft der FDP insgesamt 1,1 Millionen Euro spendete. "Gustl" von Finck gilt auch als Förderer der AfD und spielte wohl eine wichtige Rolle bei der Finanzierung der Partei in der Gründungsphase. Der ehemalige Bhagwan-Jünger Helmut von Finck fordert nun nicht nur die Rückabwicklung des Vertrags von 1985 - er will August junior und Wilhelm nachträglich enterben lassen. Die Begründung: "Weil sie mit dem Verkauf der Bank Merck Finck & Co. an Barclays gegen das Testament meines Vaters verstoßen haben." Der Erbschaftskrieg, der sich zu einer Familientragödie entwickelt hat, könnte also durchaus in einer Umverteilung des Milliarden-Nachlasses enden.