Während in Deutschland die meisten Pleitefälle in der Versenkung verschwinden, gelingt in den USA einigen ein Comeback nach dem Insolvenzverfahren Chapter 11 und manchmal sogar der Weg zurück an die Börse. Sie haben dann weniger Schulden, so gut wie keine Pensionsverpflichtungen, geringere Betriebskosten. Das neue Management arbeitet Hand in Hand mit den größten Aktionären, die vorher meist Anleihebesitzer und Geldgeber waren.

Ein Beispiel für eine gelungene Sanierung ist der Autohersteller General Motors, der nach der Finanzkrise 2010 wieder an die Börse kam. Der Traditionskonzern reduzierte im Chapter-11-Prozess Schulden, schloss Fabriken und baute Stellen ab. Etliche Automarken wurden versilbert, Betriebsrentenansprüche eingedampft. Berkshire Hathaway, die Beteiligungsgesellschaft von Starinvestor Warren Buffett, ist nach dem neuen Börsenlisting mit 4,1 Prozent einer der größten Aktionäre geworden. Buffett gefällt offenkundig die günstige Bewertung, das Gewinn-Multiple ist einstellig. Seit 2018 fährt der Riese Milliardengewinne ein. Der Kurs befindet sich nahe am Allzeithoch. GM-Altaktionäre verloren allerdings während der Pleite im Sommer 2009 alles: Die US-Regierung in Washington um Präsident Barack Obama war nicht bereit, den Riesen zu retten.

Auch dem Autovermieter Hertz Global gelang das Comeback. Am 22. Mai 2020 beantragte das Unternehmen Gläubigerschutz nach Chapter 11. Ein paar Tage später verkaufte Hedgefondsguru Carl Icahn, der 39 Prozent der Aktien besaß, sein Aktienpaket. Er hatte über die Jahre 2,3 Milliarden Dollar in die Aktie gesteckt. Davon hat er nach Schätzungen 1,8 Milliarden Dollar verloren.

Der 102 Jahre alte Autovermieter rutschte ins Desaster, weil die Corona-Pandemie das Reisen fast zum Stillstand brachte. Schon vor dem Ausbruch der Pandemie war die Bilanz nach vier Verlustjahren angeschlagen. Der Vorstand begründete die Insolvenz damit, dass kein Geschäft für null Einnahmen gebaut sei. Zuvor hatten die Kreditgeber abgelehnt, eine Zahlungsfrist für das Autoleasing zu verlängern. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen bereits 18,8 Milliarden Dollar Schulden angehäuft. 12 000 Stellen fielen dem Rotstift zum Opfer. Hertz führte den Betrieb im Rahmen der Umstrukturierung fort.

Nach dem Insolvenzantrag geriet die Hertz-Aktie ins Visier der Reddit-Community. Der Kurs explodierte um fast 1000 Prozent von 59 Cent auf 5,50 Dollar, die Aktie wurde eine der am meisten gehandelten auf der Broker-App von Robinhood. Der Vorstand wollte den Höhenflug nutzen, um neue Aktien im Wert von 500 Millionen Dollar auszugeben. Doch die US-Börsenaufsicht SEC lehnte das Vorhaben ab. Im Oktober 2020 endete das Listing an der New Yorker Börse. Im Mai 2021 machten die Investmentfirmen Knighthead Capital Management, Certares Management und Apollo Global Management ein Übernahmeangebot, das die Aktie mit acht Dollar bewertete. Hertz war somit einschließlich Schulden 7,4 Milliarden Dollar wert. Die Wall-Street-Firmen wollten von der starken Erholung des Vermietgeschäfts nach dem Abflauen der Pandemie profitieren. Der ehemalige Finanzvorstand Jamere Jackson zeigte sich im Mai gegenüber der "New York Post" verblüfft: "In der Anfangszeit wusste niemand, ob wir überleben werden. Noch vor sechs Monaten hätte niemand eine solche Nachfrage nach unseren Autos vorhersehen können."

Unterbewertete Aktie

Im Juli war Hertz saniert und wurde aus der Insolvenz entlassen. Im Oktober übernahm Mark Fields, der ehemalige Ford-Chef, das Ruder. Er erklärte im selben Monaten, dass er 100 000 Tesla-Fahrzeuge kaufen wolle, um die gesamte Flotte zu elektrifizieren. Im November 2021 kam Hertz an die Nasdaq. Kaum an der Börse, kündigte Fields Ende November ein Aktienrückkaufprogramm an. Bis zu zwei Milliarden Dollar stellt er hierfür bereit. Das entspräche 18 Prozent des heutigen Börsenwerts von 11,3 Milliarden Dollar, was enorm wäre. Am 17. November emittierte Fields eine Hochzinsanleihe im Volumen von 1,5 Milliarden Dollar, um Vorzugsaktien einzuziehen. Das zeigt, dass es dem Firmenlenker ernst ist und er die Aktie für unterbewertet hält.

Unterdessen mehren sich insbesondere in der Energiebranche die Sanierungserfolge. Chesapeake Energy, der einst zweitgrößte Erdgasförderer der USA, kam im Februar nach abgeschlossenem Insolvenzverfahren zurück an die Nasdaq. Der Kurs legte in US-Dollar um etwa ein Drittel zu. Mit 6,6 Milliarden ist der Börsenwert zwar weit von alten Glanzzeiten entfernt, doch der Energiekonzern aus Oklahoma City ist gesund. Die Schulden wurden reduziert und sollen weiterhin gedeckelt bleiben, verspricht der neue Chef Nick Dell’Osso. Er zahlt eine steigende Quartalsdividende, die Ausschüttungsrendite ist mit 2,8 Prozent jährlich attraktiv. Täglich fördert Chesapeake 436 000 Barrel Erdgas und Öl. Elf Bohrinseln sind in Betrieb, darunter drei in Appalachia, sechs an der Golfküste, jeweils eine im South Texas Eagle Ford Shale und im Powder River Basin. Die Übernahme des Konkurrenten Vine Energy ist abgeschlossen. Nun gehören 900 zusätzliche Bohrareale im Haynesville-Schiefergestein dazu. Das KGV ist mit 6,4 äußerst günstig.

Der Branchennachbar Whiting Petroleum schloss Ende 2020 die Restrukturierung ab. Der Kurs schnellte vom Tief bei etwa 60 Cent auf 67 Dollar. Noch immer scheint der Börsenwert mit 2,2 Milliarden Dollar überschaubar, das Gewinnvielfache beträgt nur vier. Im dritten Quartal legte der Umsatz von 352 auf 401 Millionen Dollar zu. Das Ergebnis drehte von minus 61 Millionen auf plus 198 Millionen Dollar. Vorstandschef Lynn A. Peterson freut sich: "Das Team setzt unseren Geschäftsplan weiter um, wie die beträchtlichen Mittelzuflüsse aus der Geschäftstätigkeit von 190 Millionen US-Dollar im Quartal und 526 Millionen US-Dollar für den Neunmonatszeitraum zeigen." Das Geld sprudelt in der Tat. Für Rückenwind sorgen die sich erholenden Rohstoffpreise. Der Erdgaspreis ist schon lange über die wichtige Marke von drei Dollar je British Thermal Unit (BTU) gestiegen und tendiert in Richtung fünf Dollar.

Lukrative Projekte

Whiting Petroleum hat eine bärenstarke Bilanz und unterm Strich keine Schulden mehr. Der Öl- und Erdgasförderer tummelt sich überwiegend in den Rocky Mountains. Dank der Schiefergesteinprojekte Bakken und Three Forks in North Dakota beziehungsweise Montana zählt das Unternehmen dort zu den größten Ölproduzenten. Das Bakken-Projekt soll bis ins Jahr 2040 Öl und Gas liefern, so umfangreich sind die dortigen Reserven. Peterson kauft sogar Areale zu. Im September 2020 schaffte er es, das Chapter-11-Verfahren erfolgreich zu verlassen. Seinerzeit sagte er über Sanierung: "Wir freuen uns, unser neues Kapitel bei Whiting mit einem Schwerpunkt auf Kapitaldisziplin und freier Cashflow-Generierung zu beginnen, um langfristige Werte für unsere Aktionäre zu schaffen."

Oasis Petroleum gelang ein ähnlicher Erfolg. Die Aktie geht an der US-Börse durch die Decke. Der 330-Mitarbeiter-Betrieb aus Houston verspricht finanzielle Disziplin und will auf den Umweltschutz achten. Im dritten Quartal sprang bei einem Umsatz von 281 Millionen ein Überschuss von 83 Millionen Dollar heraus. Und mit dem 2,5-fachen Buchwert erscheint die Bewertung vertretbar. Eine Dividende fließt wieder seit März. Die Dividendenrendite beträgt etwa 1,5 Prozent. Die spekulative Aktie ist allerdings markteng. Wer kann, ordert in den USA.

 


US-Insolvenzrecht

Chapter 11

Einmal Insolvenz und zurück: Das US-Konkursrecht kennt zwei wesentliche Insolvenzverfahren, die nach den jeweiligen Kapiteln aus Buch 11 (Chapter 7 und Chapter 11) des United States Code benannt sind. Ein Chapter-7-Konkursverfahren regelt die Liquidierung eines bankrotten Unternehmens. Chapter 11 hingegen ist ein Sanierungsverfahren unter gerichtlicher Aufsicht. Es ermöglicht Unternehmen, die Geschäfte unter temporärem Schutz vor den Gläubigern weiterzuführen, um Zeit für die Restrukturierung zu gewinnen und die Pleite abzuwenden.

Hauptziel von Chapter 11 ist es, das Unternehmen zu erhalten und ihm einen Neustart mit möglichst wenig Schulden zu ermöglichen. Anleihebesitzer und andere Gläubiger erhalten meist Aktien der neuen, reorganisierten Gesellschaft als Entschädigung für ihre Forderungsausfälle. Da überschuldeten Unternehmen oft die Mittel zur Fortführung der Geschäfte fehlen, wird häufig eine sogenannte "Debtor in Possession"-Finanzierung mit Banken und anderen Geldgebern vereinbart. Die Rückzahlung dieses Neukredits hat Vorrang vor allen anderen Gläubigerforderungen. Die Altaktionäre der insolventen Gesellschaft hingegen gehen meist leer aus. Sollte sich während des Chapter-11-Verfahrens herausstellen, dass das Unternehmen nicht mehr zu retten ist, tritt die Liquidierung nach Chapter 7 in Kraft.