Die erst vor wenigen Jahren erworbene Bonner Tochter Postbank der Deutschen Bank könnte als eigenständiges Unternehmen verschwinden, wie mehrere mit den Überlegungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag sagten. Die Kunden aus den gelben und blauen Filialen würden dann zusammengelegt und tausende weitere Jobs gestrichen.

"Das ist eine Variante, die im Moment intern stark unterstützt wird, denn die Einlagen der Postbank sind bedeutsamer geworden", betonte einer der Insider. Auch das Investmentbanking stehe vor neuen Einschnitten - insbesondere im wichtigen US-Markt, wo die Deutsche Bank gerade versucht, eine 14-Milliarden-Dollar-Strafe wegen fauler Hypothekenpapiere herunterzuhandeln. Die Gespräche ziehen sich nun offenbar doch über die US-Wahl hin. Die Deutsche Bank wollte sich zu den Informationen nicht äußern.

Beschlüsse gibt es noch nicht. Der Aufsichtsrat kommt an diesem Mittwoch zusammen, um in aller Ausführlichkeit über die schwierige Lage der Bank zu beraten und den Weg für die Zukunft abzustecken. Denn die bisherigen Sanierungserfolge sind überschaubar, große Investoren werden zunehmend ungeduldig.

Vorstandschef John Cryan, im Sommer 2015 als großer Hoffnungsträger gestartet, konnte den Kursverfall der Aktie nicht stoppen, im Gegenteil. Vom jüngsten Rekordtief von 9,90 Euro hat sich das Papier zwar wieder erholt. Doch auch am Dienstag war die Deutsche-Bank-Aktie mit einem Minus von drei Prozent zeitweise größter Dax-Verlierer. Die Angst der Anleger ist groß, dass das Institut in dieser Woche neuerliche Hiobsbotschaften präsentieren muss: der Quartalsbericht steht am Donnerstag an und Analysten erwarten im Schnitt einen Nettoverlust von 600 Millionen Euro. Vor allem die vielen Rechtsstreitigkeiten, die noch schwelen, gelten als große Unbekannte.

ROLLE RÜCKWÄRTS



Kritikern zufolge sind die Altlasten aber nicht einmal das größte Problem. Entscheidender sei, dass die Deutsche Bank auch neun Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise kein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickelt habe, klagt einer der zehn größten Anteilseigner der Bank. Die letzte große Strategie-Entscheidung in den Frankfurter Doppeltürmen ist gerade einmal anderthalb Jahre her: Im Frühjahr 2015 beschloss die damalige Führung, dass die Deutsche Bank eine Universalbank bleiben soll. Der Konzern wollte weiter alles aus einer Hand anbieten - Investmentbanking, Privatkundengeschäft und Vermögensverwaltung - und nur ein bisschen schrumpfen: durch eine Reduzierung kapitalintensiver Geschäfte und den Rückzug aus einigen unwichtigen Ländern. Auch der mittelfristige Verkauf der Postbank an einen Konkurrenten oder über die Börse wurde damals beschlossen - und könnte nun rückgängig gemacht werden, weil die Verkaufsaussichten mau sind.

Das wäre dann die Handschrift von Cryan. Bislang hat er an der "Strategie 2020", die er von seinem glücklosen Vorgänger Anshu Jain geerbt hat, so gut wie nichts geändert. Nur den Abbau von weltweit 9000 Stellen setzte er oben drauf - davon 4000 Stellen in Deutschland und dies vornehmlich im "blauen" Filialgeschäft der Deutschen Bank. Jetzt könnten noch viel mehr Streichungen dazukommen, wenn von der Postbank nur noch die Marke übrig bleibt. Den Insidern zufolge ist die Vollintegration längst keine rein theoretische Option mehr, wie es noch im Juli den Anschein hatte. Denn die Überlegungen sind demnach konkreter geworden: diskutiert wird, ob das Privatkundengeschäft von Postbank und Deutscher Bank in einer eigenen Holding unter dem Konzerndach gebündelt werden könnte - die Deutsche Bank könnte dann auf die Einlagen der Postbank zugreifen, was ihre Refinanzierung erleichtert. Darauf schauen auch die Regulierer mit Argusaugen. Die Bankenaufsicht sei über die Überlegungen schon im Bilde, sagte ein anderer Insider.

"DER LETZTE TEIL IST AM SCHWERSTEN"



Die Holdingstruktur für die große deutsche Privatkundenbank würde eine klare Trennung vom Investmentbanking bedeuten - das weiterhin Kerngeschäft sein soll. Aber auch hier will Cryan den Rotstift ansetzen, wie aus dem Konzern verlautet. Seine Überlegungen drehen sich um die USA, wo die Deutsche Bank offenbar nicht mehr mitspielen will auf dem einst so lukrativen Markt für verbriefte Hypothekenpapiere, von denen sich viele in der Krise als wertlos erwiesen hatten. Auch hier sind die Details noch offen.

Wie das künftige US-Geschäft aussehen soll, könnte die Gespräche mit den US-Behörden über die Hypothekenstrafe durchaus beeinflussen, sagen Beobachter. Im Moment jedenfalls stocken die Verhandlungen: "80 Prozent sind durchverhandelt, aber der letzte Teil ist immer am schwersten", heißt es in Frankfurt hinter vorgehaltener Hand. Die Hoffnungen, einen Vergleich noch vor der US-Wahl am 8. November hinzubekommen, schwänden. Offiziell äußern sich dazu weder die Bank noch das US-Justizministerium. Der Sender "Sky News" berichtete, ein Vergleich könnte sich sogar bis zur Amtseinführung der neuen US-Regierung im Januar hinziehen. Neben der Deutschen Bank sind in dem Verfahren unter anderem Barclays und Credit Suisse auf der Zielgeraden.

rtr