Eine Branche, deren Exklusivität bislang mit der Idee von Beständigkeit und Zeitlosigkeit in Verbindung gebracht wurde, verändert sich in rasantem Tempo. Es entstehen innovative Unternehmen, die durch die Verschmelzung der Gaming-, Mode- und Kryptowelt eine neue Kultur und ein neues Umfeld für den Konsum von digitaler Kunst, Mode sowie Luxussammlerartikel schaffen.

Im Jahr 2019 verkaufte das niederländische Mode-Start-up The Fabricant das weltweit erste ausschließlich in digitaler Form geschaffene Kleid mit dem Namen "Iridescence" über die Blockchain für 9500 US-Dollar. Das Objekt existiert lediglich online und kann im Netz vollständig verfolgt und gehandelt werden. Der Gründer der Marke, Kerry Murphy, ist der Überzeugung, dass sein Unternehmen das erste Milliarden-Dollar-Unternehmen der digitalen Modebranche werden wird. Im Mai 2021 veranstaltete das italienische Luxusgüterhaus Gucci im Rahmen der 100-jährigen Jubiläumsfeier einen Auftritt auf der Spieleplattform Roblox, wodurch ein virtueller "Gucci Garden"-Erlebnispark im "Metaversum" entstand, in den der Teilnehmer vollständig eintauchen konnte. Anschließend kam es zum Wiederverkauf einer digitalen, als Sammlerstück eingestuften "Queen Bee Dionysus"-Handtasche zum Preis von 4115 US-Dollar - gegenüber 3400 US-Dollar für ein Exemplar aus der realen Welt.

Gerade in jüngster Vergangenheit hat die Luxusindustrie zahlreiche Veränderungen erlebt. Doch die aktuelle Umwandlung verspricht, die "revolutionärste" Entwicklung aller Zeiten zu werden, und sie wird von den sogenannten Digital Natives (Generation Z) sowie den Digital Biased (Generation Y) vorangetrieben, deren Anteil bis zum Jahr 2025 zwei Drittel der gesamten Luxusausgaben ausmachen könnte. Laut einer Deloitte-Umfrage zu digitalen Medientrends geben 87 Prozent der Generation-Z-Konsumenten an, dass sie mindestens einmal pro Woche Videospiele auf ihren Smartphones, Spielekonsolen oder Computern spielen. Es wird angenommen, dass diese Generation Videospiele um mehr als das Zweifache bevorzugt gegenüber dem Konsum von Unterhaltungsmedien.

Die daraus entstehende Verschmelzung der Grenzen zwischen der physischen Persönlichkeit der jüngeren Konsumenten und ihren virtuellen, in Spielen verkörperten Avataren eignet sich ideal für die "Tokenisierung" - eine Dateneinheit, die auf einem digitalen Logbuch beziehungsweise einer Blockchain gespeichert ist und dabei Handel und Besitz von angebotsbeschränkten Luxussammelgegenständen ermöglicht, in Verbindung mit einem physischen oder einem reinen Onlinekauf. Die fälschungssichere Tokenkunst der digitalen Sneakermarke RTFKT Studios führte zu einem Umsatz von 3,1 Millionen US-Dollar innerhalb von lediglich sieben Minuten auf dem NFT-Marktplatz Nifty Gateway. Jeder digitale Sneaker ist mit einer physischen Produktversion gekoppelt. Für die Markenhersteller bietet sich somit die ideale Gelegenheit, ihre Lieferketten zu optimieren, indem sie eine digitale Version des begehrten Produkts verkaufen, während der Verbraucher auf die physische Version wartet.

Unabhängig von der aktuellen Begeisterung für NFTs (Non-Fungible Tokens) zeichnet sich die Richtung einer hybriden, "phygitalen" Zukunft für die Luxusindustrie ab, mit einer Vielzahl etablierter Marken, die zunehmend ihre Spuren hinterlassen, während die digital arbeitenden Start-ups mit voller Kraft voranschreiten. Ein partnerschaftlicher Ansatz, wie die Entwicklung der weltweit ersten globalen Luxus-Blockchain durch LVMH, Prada und Cartier, könnte den Weg für zukünftige branchenweite Initiativen ebnen. Das könnte bedeuten, dass wir weniger als ein Jahrzehnt vom ersten rein digitalen Luxuskonglomerat der Welt entfernt sind. Als aktive Investoren werden wir diese Entwicklungen aufmerksam verfolgen.

 


Swetha Ramachandran

Ramachandran ist als Investmentmanagerin im European Equity Team für die Verwaltung des GAM Luxury Brands Fund und das Research in den Sektoren Basiskonsumgüter und zyklische Konsumgüter zuständig und verfügt über mehr als 17 Jahre Anlageerfahrung, besonders mit Konsumgüteraktien. GAM verwaltet Vermögenswerte in Höhe von rund 125 Milliarden Schweizer Franken für Institutionen und Privatanleger.