Die Militärausgaben der europäischen NATO-Staaten könnten sich in kurzer Zeit mehr als verdoppeln. Die größten Aufträge dürften an Rheinmetall gehen. Überraschungspotenzial gibt es bei zwei anderen DAX-Konzernen.
Während der Konferenzschaltung mit Analysten holt Rheinmetall-Chef Armin Papperger eine Grafik mit blauen Balken hervor. Sie zeigt eine Hochrechnung, wie viel Geld die europäischen NATO-Staaten in ihre Armeen stecken müssen: Im vergangenen Jahr summierten sich die Budgets auf 440 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2030 könnte die Summe auf bis zu 969 Milliarden Euro steigen, sich also mehr als verdoppeln.
Europa muss zwei Schocks verarbeiten: erst Russlands Überfall auf die Ukraine. Dann die Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik unter Präsident Trump. Die Konsequenz: Europa muss seine lange vernachlässigten Armeen schnell und massiv aufrüsten. Wichtige Weichen werden im Juni auf dem NATO-Gipfel in Den Haag gestellt. Eines der Themen wird Geld sein. Die bisherige Zielvorgabe, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung zu investieren, dürfte angehoben werden, wohl mindestens auf drei Prozent.
Rheinmetall produziert schweres Militärgerät wie den Schützenpanzer Marder oder auch Luftverteidigungssysteme. Zusätzlich sind die Düsseldorfer der größte Munitionshersteller der westlichen Welt. Analysten kalkulieren mit Wachstumsraten, von denen andere nur träumen können. Laut Konsens sollte der Umsatz von 9,8 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf knapp 26 Milliarden im Jahr 2028 steigen, der Nettogewinn von 717 Millionen auf dreieinhalb Milliarden. Um die Nachfrage bedienen zu können, investierte Rheinmetall allein in den vergangenen zwei Jahren knapp acht Milliarden Euro in neue Werke, Zukäufe und Lieferketten.
Was aber passiert, wenn sich Russland und die Ukraine auf einen Waffenstillstand einlassen? Den Aktienkurs von Rheinmetall dürfte das zunächst wohl unter Druck setzen, die langfristige Investmentstory aber nicht kippen. Zu groß sind die Bestandslücken der westlichen Armeen. Die Investmentbank Morgan Stanley kalkuliert beispielsweise, dass es mehrere Jahre dauert, bis die Bundeswehr die NATO-Vorgabe erfüllt, Munition für 30 Tage Gefecht auf Vorrat zu haben. Zudem sind viele Verträge für Rüstungsgüter auf zehn Jahre, also langfristig, ausgelegt. Morgan Stanley sieht in einem für die Aktie von Rheinmetall positiven Szenario ein Kursziel von 2000 Euro.
Andere DAX-Konzerne profitieren in kleineren Geschäftsbereichen. Am bekanntesten ist das Militärgeschäft von Airbus. Die Rüstungs- und Raumfahrtsparte machte im vergangenen Jahr 17 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Wichtige Ereignisse waren Bestellungen für den Eurofighter aus Spanien und ein Großauftrag der Bundeswehr für ein satellitengestütztes Kommunikationssystem. Weniger beachtet sind die Militärsparten von zwei anderen DAX-Mitgliedern.
Next Generation Fighter
Die Triebwerke eines Militärflugzeugs müssen besondere Anforderungen erfüllen: Hohe Beschleunigung und Geschwindigkeit etwa sind bei einem Kampfjet wichtiger als bei einer zivilen Passagiermaschine. Der Triebwerkhersteller MTU Aero Engines erzielte im vergangenen Jahr etwas mehr als acht Prozent des Umsatzes mit Komponenten für Militärtriebwerke. Prominente Projekte der Münchner sind der Antrieb für den Eurofighter und den Militärtransporter Airbus A400M. Eines der Zukunftsprojekte ist der von Deutschland, Frankreich und Spanien in Auftrag gegebene Next Generation Fighter, der ab dem Jahr 2040 startklar sein soll. MTU und Safran haben sich den Auftrag für Entwicklung, Fertigung und Betreuung des Antriebs gesichert.
Die Ausweitung der Militärbudgets der NATO verschafft auch MTU Überraschungspotenzial. Unabhängig davon ist der Konzern in einem lukrativen Markt positioniert: Zivile Fluggesellschaften investieren viel Geld in neue Maschinen mit umweltschonenderem Antrieb. Weil die großen Flugzeugbauer wie Airbus mit Lieferproblemen kämpfen, bleiben ältere Maschinen länger im Einsatz, was MTU zusätzliche Aufträge für die Wartung bringt. Das macht auch die Aktie zu einem defensiven Wachstumswert.
Hightech-Transporter
Deutlich ausweiten will Daimler Truck seine Geschäfte im Militärbereich. Ein wichtiger Auftrag kam zuletzt von den kanadischen Streitkräften, die 1500 Logistik-Lkw vom Typ Zetros orderten. Diese Fahrzeuge sind auf den Geländetransport von Gütern und Personen spezialisiert. Besonders spannend ist eine Allianz mit dem Start-up ARX Robotics. Dessen Technologie soll Fahrzeuge in die Lage versetzen, selbstständig den optimalen Weg im Gelände zu finden, Minen ferngesteuert zu räumen oder auch Verletzte aus Gefahrenzonen zu evakuieren, ohne Besatzungsmitglieder in Gefahr zu bringen.
Das klassische Nutzfahrzeuggeschäft bleibt Kerngeschäft von Daimler Truck. Der Umsatzanteil der Sparte Mercedes-Benz Special Trucks, zu der auch die militärischen Fahrzeuge gehören, liegt derzeit noch unter einem Prozent. Auch in diesem Fall aber könnte ein stark wachsendes Rüstungsbudget der NATO für eine Überraschung sorgen.

Übrigens: Dieser Artikel erschien zuerst in der neuen Print-Ausgabe von BÖRSE ONLINE. Diese finden Sie hier
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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Daimler Truck.