Auf der Fulton Street, Ecke Broadway im New Yorker Finanzviertel steht zur Mittagszeit eine lange Schlange. Auf dem Gehweg kommen Passanten kaum vorbei, so groß ist die Menschentraube vor der Filiale der Fast-Food-Kette Chick-fil-A. Sie bietet hungrigen Bankern und Büroangestellten, worauf sie gerade den größten Appetit haben: frittierte Hühnchenbrustsandwiches. Der in Atlanta ansässige Konzern hat beim begehrten Snack landesweit einen Marktanteil von über 50 Prozent und kann sich kaum vor Gästen retten.

Hühnerfleisch ist nicht nur bei urbanen Schreibtischtätern beliebt. Vor allem in den Südstaaten ist es Usus, zum Drive-through zu fahren. Der Andrang ist auch in den ländlichen Regionen so groß, dass die Polizei hin und wieder den Verkehr regeln muss. Die Statistiken der Konsumforscher belegen die grassierende Hühnereuphorie eindrucksvoll: Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Fast-Food-Kunden in den USA, die zu einem Chicken-Sandwich griffen, um 21 Prozent, so der Marktforscher Technomic. Insgesamt 2,6 Milliarden Hühnchensandwiches verzehrten Amerikaner laut Zahlen der NPD Group.

Das helle Fleisch des Federviehs ist in, es gilt als gesund - und es ist vergleichsweise günstig. Nicht zuletzt deshalb überholte Geflügel bereits 1992 Rindfleisch als das am meisten verspeiste Fleisch, so das US-Landwirtschaftsministerium. 97,5 Pfund Hühnchen aßen Amerikaner demnach im vorigen Jahr pro Person. Zum Vergleich: Im Jahr 1960 waren es erst 28 Pfund.

Der Trend zeigt weiter nach oben, die Umsätze der Fast-Food-Ketten ziehen an. In den "Chicken-Wars" verdankt Primus Chick-fil-A die Oberhand einem sehr frühen Start: Bereits 1964 kreierte die Kette ihr Sandwich aus frittiertem Geflügelfleisch mit zwei Gurkenscheiben in einem getoasteten, mit Butter bestrichenen Brötchen. Doch mindestens zehn schlagkräftige Konkurrenten haben dem Rekordhalter inzwischen den Kampf angesagt.

Wettkochen der Sandwichbastler

Im August 2019 brachte die Kette Popeyes ein Huhnsandwich auf die Speisekarte, das aus einer knusprig gebratenen Hühnerbrust mit Gurkenscheiben, einem Klecks Mayo oder würziger Cajunsoße nach Wahl besteht, serviert wird die Kreation in einem Briochebrötchen. Das Sandwich war gleich so beliebt, dass es innerhalb weniger Tage landesweit ausverkauft war. Erst gut zwei Monate später, am 3. November und dem nationalen Sandwichtag, gab es den Bestseller wieder. Das Comeback wurde überschattet von einem Zwischenfall, als in einer Popeyes-Filiale in Maryland ein Streit ausbrach. Im Chaos kam es zu Drängeleien um das begehrte Sandwich, ein Kunde wurde mit einem Messer attackiert und verstarb auf dem Parkplatz.

Popeyes baute dank des Verkaufsschlagers im vergangenen Jahr den Umsatz auf bestehender Fläche um nahezu 18 Prozent aus. Zum Mutterkonzern Restaurant Brands International gehören noch Burger King und der kanadische Cafébetreiber Tim Hortons. Popeyes rührte übrigens geschickt in den sozialen Medien die Werbetrommel. Auf Twitter fragte das Unternehmen, ob das Sandwich von Chick-fil-A tatsächlich besser sei. So begann ein viraler Krieg.

Das Schnellrestaurant Wendy’s, das voriges Jahr sein eigenes Hühnchensandwich aufgewertet hat, verkaufte im ersten Quartal munter die Neuheit: "Unser Anteil an panierten Hühnchensandwiches innerhalb des Schnellrestaurantmarktes ist im März trotz erheblicher Wettbewerbsaktivitäten gestiegen", freute sich Chef Todd Penegor.

Geheime Testküche

Fast-Food-Riese McDonald’s entwickelte sein Konkurrenzprodukt in einer Testküche in Chicago. Dort wurden die besten Zulieferer für Filets, Brötchen und Soßen ausgesucht. Schließlich testete die Restaurantkette das neue Produkt in Houston, Texas, und Knoxville, Tennessee. Ende Februar 2021 kamen drei Versionen landesweit auf die Speisekarte: Original, Würzig-Deluxe oder mit Tomaten und Salat. Die Innovation schlug ein, der Umsatz auf vergleichbarer Ladenfläche stieg im ersten Quartal um 13,6 Prozent, was auch der Chicken-Innovation zu verdanken ist.

Die Dynamik des Marktes ist unerbittlich, Burger King kommt bereits mit einer zweiten Version. Das neue Ch’King-Sandwich steht seit 3. Juni landesweit auf dem Menü. Um Kunden von der Konkurrenz abzuwerben, spendiert die Kette einen kostenlosen Whopper, wenn Kunden einen brandneuen Ch'King bestellen. Das Unternehmen entwickelte innerhalb von zwei Jahren ein Verfahren, um frisches Hühnerfilet möglichst kostengünstig von Hand zu braten. Es wird auf ein geröstetes Kartoffelbrötchen mit Gurken und herzhafter Sauce gelegt.

Rivale Taco Bell, eine Tochter der Fast-Food-Holding Yum! Brands, entschied sich Ende Mai, sein Naked Chicken Chalupa zurückzubringen. Es ist eine verfahrenstechnisch gewagte Kreation: Ein Taco, ummantelt von einem gebratenen, panierten flachen Hühnchenteil, das einem Fladenbrot ähnelt, gefüllt mit Salat, Käse, Tomaten und einer Avocado-Ranch-Soße. Erklärtes Ziel der Führungsspitze ist es, "die Hühnerkriege aufzumischen".

Um sich von der Konkurrenz deutlich abzusetzen, entschied sich ausgerechnet Geflügelbrater-Dino KFC für eine besonders hippe Variante: veganes Huhn. Im August 2019 testete KFC in einem seiner Restaurants in Atlanta Hühnerfleisch-ähnliche Streifen auf pflanzlicher Basis, die KFC in Kooperation mit dem veganen Lebensmittelfabrikanten Beyond Meat herstellt. Sie waren innerhalb von fünf Stunden ausverkauft. Im Sommer 2020 begann KFC, das vegane Produkt in 50 Städten, darunter Los Angeles und San Diego, zu verkaufen. Die Strategie hat augenscheinlich Erfolg, der Umsatz von KFC in den USA zog im ersten Quartal deutlich an.

Landesweite Hühnerjagd

Amerikaner lieben ihr Fast Food, und die Restaurantketten bemühen sich nach Kräften, der Kundschaft zu geben, was sie begehrt. Zwar verkünden die meisten Unternehmen, insbesondere jene, die gerade mit neuen Produkten an den Markt gegangen sind, dass sie noch genügend Vorräte haben. Dass die landesweite Hühnerfleischjagd aber zu bemerkenswerten Herausforderungen in der Lieferkette führt, ist leicht nachvollziehbar. Viele Restaurants können tatsächlich kaum die Nachfrage bedienen. Außerdem besteht bei vielen Unternehmen intern die Sorge vor steigenden Preisen. Allerdings ist Rindfleisch nach wie vor deutlich teurer als Geflügel. Im Hühnchensandwich steckt deshalb für die Brater nach wie vor viel mehr Marge als im traditionellen Burger aus Rindfleisch.

Es profitieren nicht nur die Restaurants, sondern auch die Zulieferer, die eher ein Schattendasein an der Börse fristen. Zuletzt kletterte etwa der Kurs von Sanderson Farms nahe ans Allzeithoch. Es ist der drittgrößte Geflügelzüchter in den USA nach Tyson Foods und Pilgrim’s Pride. Vorstandschef Joe Sanderson sprüht vor Zuversicht: "Wir bleiben optimistisch für den Geflügelmarkt 2021." Der Grund sind natürlich die Fast-Food-Ketten, die nie satt werden, neue Produkte zu verkaufen.
 


INVESTOR-INFO

McDonald’s

Appetit auf mehr

Der Fast-Food-Primus, dessen Filialen zu 95 Prozent von Franchisenehmern betrieben werden, schnitt im ersten Quartal überraschend gut ab. Der Umsatz lag mit 5,1 Milliarden Dollar leicht über den Erwartungen, der Überschuss stieg von 1,11 auf 1,54 Milliarden Dollar. Analysten rechnen im laufenden Jahr mit einem kräftigen Umsatzplus von rund 17 Prozent, dem Re-Opening nach der Pandemie sei Dank. Seit 45 Jahren steigt die Dividende, die Rendite liegt bei gut zwei Prozent. Attraktiv.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 225,00 Euro
Stoppkurs: 164,00 Euro

Restaurant Brands Intern.

Expansionshunger

Zum Franchise-Imperium gehören die Fast-Food-Ketten Burger King und Popeyes sowie die Caféhaus-Kette Tim Hortons. Der Vorstand will die drei Marken rund um den Globus expandieren. So soll die Zahl der Restaurants in den kommenden neun Jahren von 27.000 auf mehr als 40.000 steigen. Die Dividende ist mit gut drei Prozent Rendite attraktiv. Der führende Aktionär ist die brasilianische Beteiligungsfirma 3G Capital, die den Konzern kosteneffizient ausbaut.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 65,00 Euro
Stoppkurs: 45,80 Euro

Yum! Brands

Promis essen mit

Mehr als 50.000 Niederlassungen in 150 Ländern haben die Amerikaner, zu denen die bekannte Marke KFC (Kentucky Fried Chicken) zählt. 2020 belief sich der Umsatz auf 5,6 Milliarden Dollar, das Ergebnis blieb mit 904 Millionen Dollar deutlich positiv. Im ersten Quartal wuchs das Geschäft auf bestehender Fläche um neun Prozent. Chef David Gibbs gewinnt Promis als Markenbotschafter und kauft massenhaft Aktien zurück. Halten.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 110,00 Euro
Stoppkurs: 82,00 Euro