Auf nach Mallorca: Vom pandemiebedingt tiefen Stand im April haben die Flugbuchungen deutscher Touristen auf ihre Lieblings-Sonneninsel um das 25-Fache zugelegt. Für den Zweistundenflug von Frankfurt setzt die Lufthansa nun bald größere Maschinen ein, etwa die Boeing 747 mit 364 Sitzen. In München soll parallel dazu der ähnlich große Airbus SE A350 abheben. Mehr als ein Fünftel der Touristen in Spanien sind Urlauber aus Deutschland. Damit liegen sie nach Zahlen der auf die Luftfahrtbranche spezialisierten Marktforscher von Cirium klar an der Spitze. Diese Dynamik hebt auch die Stimmung in den Werken der Flugzeugbauer und ihrer Zulieferer. In China laufen die Geschäfte seit geraumer Zeit schon besser. Mit den erfolgreichen Impfkampagnen zieht das Geschäft der Flugzeugindustrie nun auch in den USA und Europa an.

Airbus und Boeing fahren hoch

Airbus will die Produktion der populärsten Modelle A320 und A220 behutsam hochfahren. Auch Boeing hofft nach einem holprigen Start ins Jahr auf eine Erholung der Auslieferungen. Das Basismodell 737, Konkurrent zum Airbus A320, ist der erfolgreichste Flieger des Konzerns mit Sitz in Chicago. Berenberg erwartet, dass im laufenden Jahr 379 Flugzeuge des Typs gebaut werden. Im Vorjahr waren es nur 43, vor allem wegen der Katastrophen des 737 Max.

Bei Airbus sollen im Vergleich zum Vorjahr zehn Prozent mehr A320-Flieger vom Band laufen - insgesamt 490 Stück. Für das Werk in Hamburg, wo die Maschine hergestellt wird, sind das gute Nachrichten. Im Vergleich mit Boeings 737 ist der Unterschied zur Produktion im Vorjahr gering. Die Jets des Toulouser Flugzeugbauers sind wegen der Sprit sparenden Triebwerke bliebt.

Entwickelt, gebaut und geliefert werden die meisten Turbinen für die A320-Familie vom Konsortium der Raytheon-Technologies-Tochter Pratt & Whitney mit der Münchner MTU Aero Engines. Airbus wird 2021 insgesamt 620 Flugzeuge bauen, ein Zehntel mehr als im Vorjahr, allerdings immer noch gut 30 Prozent weniger als 2019. Boeing legt mit 535 Fliegern gegenüber dem Pandemiejahr 2020 deutlich stärker zu, liegt aber auch mehr als 30 Prozent unter seinem Spitzenjahr 2018. Am 29. ?Oktober 2018 stürzte eine fabrikneue 737 Max der indonesischen Lion Air während ihres Flugs von Jakarta nach Sumatra ab. Die Folgen brachten Boeing in eine schwere Krise.

Nach Wechseln in der Chefetage und weiteren Führungsebenen will der Konzern nun wieder an Reisegeschwindigkeit gewinnen. Auch dass Airbus und Boeing nun überraschend bereit sind, ihren jahrzehntelangen Streit um milliardenschwere Subventionen zu entschärfen, freut Anleger.

Boeing stört bei seinem europäischen Rivalen, dass die EU den Start neuer Modelle mit günstigen Krediten stützt und dass Rückzahlungen erst fällig werden, wenn die Modelle ein bestimmtes Exportvolumen erreicht haben. Damit sei ein finanzielles Scheitern eines neuen Jets nahezu ausgeschlossen, heißt es. Aus Sicht der Welthandelsorganisation WTO ist das Verfahren jedoch konform, weil die Kredite zu marktüblichen Zinsen vergeben werden. Bei Boeing wiederum kritisiert Airbus, dass der Konkurrent mit erheblichen Steuernachlässen gefördert wird und darüber hinaus Zugriff auf milliardenschwere Förderprogramme der US-Regierung im Rüstungssegment hat.

Neuer Konkurrent in China

Ein wichtiger Faktor für die nun beschleunigte Suche nach einer Lösung im Streit um Subventionen ist auch der Aufstieg des chinesischen Rivalen Comac. Das Debüt dessen Modells C919, das gegen Boeing 737 und Airbus A320 antritt, wird für das laufende Jahr erwartet. Die C919 soll den Maschinen von Airbus und Boeing bei der Reichweite und im Verbrauch zwar klar unterlegen sein. Peking hat Chinas Fluggesellschaften jedoch verpflichtet, den Starterfolg des Jets mit Bestellungen abzusichern. Außerhalb Chinas trauen Experten Comac keine Erfolge zu. Mit Pekings großzügiger finanziellen Unterstützung für die nächste, technisch verbesserte Variante des Flugzeugs könnte sich das allerdings ändern.

Jedoch ist Comac bei der Entwicklung seiner Flugzeuge, anders als Airbus und Boeing, auf sich allein gestellt. Westliche Triebwerksentwickler und wichtige Zulieferfirmen zeigen wenig Interesse an einer Kooperation.

Airbus ist währenddessen im Reich der Mitte weiterhin gut im Geschäft. Boeing wird durch Chinas anhaltenden Konflikt mit den USA ausgebremst. Nach der Corona-Pandemie werde in China ein Viertel des Wachstums bei Flugzeugverkäufen stattfinden, sagte Boeing-Chef Dave Calhoun jüngst auf einer Konferenz der US-Bank Bernstein. Sollte Boeing als Folge der politischen Spannungen in China kaum oder gar nicht zum Zuge kommen, werde er die Führung abgeben, drohte Calhoun. China hatte nach dem Absturz der 737 Max 2018 als erstes Land ein Flugverbot für den Jet ausgesprochen, das noch nicht aufgehoben ist. Anders als etwa in den Vereinigten Staaten und Europa.

Airbus und Boeing sind auch nach der Krise durch volle Auftragsbücher gut abgesichert. Von den Bestellungen für 7.660 Flugzeuge vor Corona büßte Airbus lediglich sieben Prozent ein. Bei Boeing sind es wegen des 737-Max-Desasters 24 Prozent (5.625 Bestellungen) weniger, aber auch das ist ein guter Puffer.

Auch Triebwerksentwickler wie General Electric (GE), Raytheons Pratt & Whitney und in Europa MTU Aero Engines sowie Safran profitieren von den vollen Auftragsbüchern der Flugzeugbauer. Ihr Markt wird wegen der hohen Eintrittsbarrieren zugleich von wenigen Anbietern geprägt. GE und Safran in Frankreich verlängerten kürzlich ihr Joint Venture CFM International bis 2050. Sie entwickeln gemeinsam für A320 und 737 Max eine Turbine, die ein Fünftel weniger Treibstoff verbrauchen soll. Das Triebwerk soll mit synthetischem Treibstoff und Wasserstoff betrieben werden und 2030 auf den Markt kommen.

Das Konsortium aus Pratt & Witney und MTU Aero Engines hofft, ein Triebwerk fürs Nachfolgemodell von Boeings Bestseller 737 entwickeln zu dürfen. "Wir rechnen damit, dass Boeing diesen Markt öffnen wird - alles andere würde mich überraschen", hatte MTU-Lenker Reiner Winkler gegenüber €uro am Sonntag vor der Pandemie gesagt. Er hat diese Einschätzung zu Jahresbeginn bestätigt. Und Boeing-Chef Calhoun hat jüngst durchblicken lassen, dass es "nicht mehr lange" dauern werde, bis ein neuer Jet vorgestellt werde.
 


INVESTOR-INFO

Airbus

Gut in Form

Höhere Fertigungszahlen in der Familie der A320, für die zusätzlich zum Werk in Hamburg in Toulouse eine zweite Fertigung entstand, sind der wesentliche Treiber für höhere Margen. Airbus erreichte im Corona-Jahr 2020 mit knapp 50 Milliarden Euro Umsatz gut eine Milliarde Euro Nettogewinn. Für 2022 und 2023 erwarten Analysten jeweils prozentual zweistellige Zuwächse beim Umsatz und ein hohes Gewinnwachstum.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 250,00 Euro
Stoppkurs: 140,00 Euro

Boeing

Besserung erst ab 2022

Die Flugverbote für 737-Max-Jets bescherten Boeing schon vor der Pandemie ein hohes Minus. Das Corona-Jahr schloss der Konzern mit 5,8 Milliarden Dollar Verlust ab. Die Rückkehr in die schwarzen Zahlen erwarten Analysten erst 2022 mit 3,7 Milliarden Dollar Nettogewinn bei 89 Milliarden Dollar Erlös. Dann sollen auch wieder 737-Max-Jets geliefert werden. Die Aktie ist hoch bewertet, ein Investment nur für Risikofreudige.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 250,00 Euro
Stoppkurs: 140,00 Euro

Triebwerksentwickler

Lukrative Oligopole

Für Triebwerksdienstleister MTU hat sich der hohe Anteil des Servicegeschäfts während der Krise bezahlt gemacht. Beim Umsatz wird MTU das Vorkrisenniveau schon 2022 erreichen, früher als die meisten. Bei GE haben Jettriebwerke einen wesentlichen Anteil am Restrukturierungserfolg. Raytheon profitiert zusätzlich von seinen Rüstungssparten.