Börsianer haben trotz nebliger Novembertage derzeit beste Laune: Der DAX markierte zuletzt gleich Rekordstände in Serie, viele Investoren erspüren sie bereits, die berühmte Jahresendrally. Schließlich zählen November und Dezember historisch und statistisch belegt zu den stärksten Monaten an den Börsen.

Auch 2021 gibt es gute Gründe, warum Anleger auf einen Schlussspurt hoffen dürfen. Die Stimmung unter Finanzexperten und Investoren hat sich zuletzt deutlich verbessert. Nach fünf Monaten mit Rückgängen in Folge stieg der vom Zentrum für Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim erstellte Index zu den mittelfristigen Konjunkturerwartungen im November wieder kräftig. Dazu kommt, dass die US-Notenbank Fed zwar die geldpolitische Wende eingeläutet hat und ihre Anleihekäufe verringern will. Die Zinsen sollen aber auf Sicht von Monaten nicht steigen. Aktuell stagniert auch der Ölpreis und heizt die Inflation nicht weiter an. Das nimmt Druck von der Europäischen Zentralbank, die lockere Geldpolitik zu ändern.

Hinzu kommt der Rückenwind aus der allmählich auslaufenden Bilanzsaison, in der viele Konzerne trotz Pandemie und Lieferengpässen mit steigenden Gewinnen aufwarteten. Zahlreiche Unternehmen hoben in den vergangenen Tagen ihre Jahresprognosen an.

Die Redaktion von €uro am Sonntag hat sich nach geeigneten Kandidaten für das diesjährige Finale umgesehen. Dabei kamen nur Unternehmen infrage, die die Redaktion fundamental überzeugen. Daneben sollten die Favoriten charttechnisch herausstechen. Wir haben acht Aktien herausgefiltert, die mit klarem Momentum aufwarten und neue Allzeithochs markiert haben. Ein neuer Kursrekord gilt als eines der stärksten charttechnischen Kaufsignale.

Linde

Das Unternehmen kombiniert den Charme seines bewährten Geschäftsmodells im Bereich Gase mit dem Reiz einer guten Positionierung im Zukunftsmarkt Wasserstoff. Linde ist das weltweit führende Unternehmen für Industrie- und Medizingase sowie im Anlagenbau in der Gaseindustrie. Derzeit erlebt Linde PLC, 2018 aus der Fusion der deutschen Linde AG mit dem amerikanischen Konkurrenten Praxair entstanden, Rückenwind auf allen Zielmärkten. In allen Regionen stiegen dank höherer Verkaufspreise und ausgeweiteter Absatzmengen die Umsätze und operativen Margen. Ein Schlüsselprodukt der Zukunft wird der grüne Wasserstoff. Seinen Umsatzanteil von sieben Prozent will Linde vervierfachen.

Sicherheit für die kommenden Monate gibt der Auftragsbestand, der im dritten Quartal im Vergleich zum Quartal zuvor um 81 Prozent auf 13,4 Milliarden Dollar stieg. Angesichts der guten Entwicklung konnte Linde das Jahresziel für den bereinigten Gewinn je Aktie auf 10,52 bis 10,62 Dollar (zuvor: 10,10 bis 10,30 Dollar) zum zweiten Mal in diesem Jahr anheben.

Fazit: Dividendenstarke Aktie auch für konservativere Anleger.

Merck KGaA

Der Pharma- und Spezialchemiekonzern ist mit seinen Sparten Lifescience, Healthcare und Electronics in prosperierenden Märkten unterwegs. Auf allen dreien läuft es rund für die Darmstädter. Ein Umsatzplus in den ersten drei Quartalen 2021 von fast zwölf Prozent auf gut 14 Milliarden Euro bei einer Ebitda-Marge von etwas mehr als 30 Prozent sind ein klarer Beleg. Auch die Aussichten sind auf absehbare Zeit sehr gut. Dafür sorgen neue Medikamente zur Therapie von Krebs und Autoimmunerkrankungen sowie die anhaltend hohe Nachfrage nach Halbleiter- und Elektronikmaterialien, die von der digitalen Transformation getragen wird. Zudem ist Merck wichtiger Zulieferer für die Impfstoffindustrie. Der Konzern geht davon aus, dass die Covid-19-Pandemie die Nachfrage nach Dienstleistungen und Produkten für Arzneimittelhersteller auch 2022 antreiben wird.

Fazit: Breit aufgestellt und starke Marge. Eine Aktie auch für Konservativere.

Puma

Hohe Frachtkosten, Lieferschwierigkeiten und phasenweise Einschränkungen des stationären Einzelhandels aufgrund der Pandemie machen dem Sportartikelhersteller zwar zu schaffen. Dennoch ist es Puma gelungen, im dritten Quartal sowohl den Umsatz als auch das operative Ergebnis (Ebit) um rund 20 Prozent zu steigern. Damit überraschte das Unternehmen die Analysten.

Für das Gesamtjahr zeigt sich Puma nun optimistischer und erhöhte die Umsatzprognose. Beim operativen Gewinn (Ebit) wird ein Rekordergebnis erwartet. Puma ist zwar unter den großen Sportartiklern wie Nike oder Adidas das kleinste Unternehmen, aber seit CEO Björn Gulden das Unternehmen wieder stärker auf Sportkompetenz ausgerichtet hat, das schnellste - zumindest was das Wachstum angeht. Nach 25 Prozent Umsatzsteigerung in diesem werden für das kommende Jahr 13 Prozent veranschlagt. Analysten empfehlen die Aktie mehrheitlich zum Kauf.

Fazit: Das Weihnachtsgeschäft könnte Puma zur Überraschung machen.

Cancom

Deutschlands zweitgrößtes IT-Systemhaus profitiert von dem nun auch bei kleinen und mittelgroßen Firmen starken Trend, Software häufiger via Web und im Abo zu nutzen. Wie bei Strom und Wasser wird für den Einsatz der Cloud-Software monatlich nach Umfang der Nutzung bezahlt. Im laufenden Jahr wird Cancom 1,4 Milliarden Euro umsetzen, schätzen Analysten, etwas mehr als 80 Prozent davon in Deutschland. Kleine und mittelgroße Firmen nutzen die Expertise der Münchner, um ihre IT-Systeme zu optimieren und - wo es wirtschaftlicher ist - auf Cloud-Software umzurüsten. Dass Cancom eigene Rechenzentren betreibt, bringt bei der Datensicherheit zusätzliches Vertrauen der mittelständisch geprägten Klientel.

Für globale Anbieter von Cloud-Software wie SAP, Microsoft, Workday oder Servicenow öffnen die Münchner Türen zu mittelständischen Firmenkunden. Im Sommer stellte Cancom sein profitables Geschäft in Großbritannien und Irland ins Schaufenster, um sich stärker auf Deutschland, Österreich und die Schweiz zu fokussieren.

Fazit: Aussichtsreicher, hoch bewerteter Cloud-Dienstleister für Spekulative.

Kion

Die weltweit starke Zunahme des Onlinehandels füllt auch die Auftragsbücher des Frankfurter Maschinenbauers Kion, Europas größtem Anbieter von Gabelstaplern und Warenlagertechnologie. Im Juli hatte Kion seine Ziele für das laufende Jahr erhöht und peilt nun beim Auftragseingang das obere Ende der Spanne von 10,65 bis 11,45 Milliarden Euro an. Im Vorjahr wurde mit 9,4 Milliarden Euro ein neuer Bestwert erreicht. Für Unternehmenschef Gordon Riske, der Kion zum Jahresende altersbedingt verlassen wird, ist diese Bilanz Krönung seiner Karriere. Unter seiner Führung hat das im Jahr 2006 aus dem Gasekonzern Linde herausgelöste Unternehmen auch das Geschäft mit Lagerlogistik ausgebaut. Die Technologie der Hessen liefert inzwischen mehr als 30 Prozent von 10,1 Milliarden Euro Umsatz, den Analysten für 2021 erwarten. Riskes designierter Nachfolger Rob Smith sollte den Erfolg fortschreiben. Aktuell ist der in Deutschland eingebürgerte Amerikaner Chef des finnischen Kranherstellers Konecranes.

Fazit: Starkes Gewinnwachstum für 2022 und 2023. Moderat bewertet.

Nemetschek

Softwareentwickler Nemetschek ist Europas größter Anbieter von Programmen für Architekturbüros und Baufirmen. Die Münchner decken die Wertschöpfungskette vollständig ab, vom digitalen Entwurf über den Bau und die Kostenkalkulation bis zur digitalen Verwaltung. Nemetschek profitiert vom Nachholbedarf der Branche in der Digitalisierung. Zudem setzen die Münchner die Akzente im Geschäft, vor allem in Europa. Seit geraumer Zeit liefern alle drei Segmente Design, Build und Manage bei Umsatz und Gewinn jährlich prozentual zweistellige Zuwächse.

Lediglich das Pandemie-Jahr 2020 war ein Ausrutscher. Der Kursentwicklung der Aktie verleiht das ein starkes Momentum. Für 2021 schätzen Analysten den Erlös auf rund 676 Millionen Euro, plus 13 Prozent. Beim Nettogewinn sollen es 147 Millionen werden, 51 Prozent mehr als im Vorjahr. Anders als der mit 4,4 Milliarden Dollar Umsatz viel größere US-Konkurrent Autodesk setzt Nemetschek auf mehrere starke Marken.

Fazit: Das starke Momentum sorgt auch bei hoher Bewertung für Kursfantasie.

Nagarro

Die Abspaltung des IT-Spezialisten Allgeier hat sich seit dem Börsenstart Ende 2020 hervorragend entwickelt und ihren Wert mehr als verdoppelt. Investoren überzeugt das rasche Wachstum des Digital-Engineering-Spezialisten. Analysten rechnen mit einem Anstieg des Gewinns von gut 24 Millionen Euro in diesem Jahr auf 37,4 im nächsten und mehr als 54 Millionen Euro 2023. Die in München angesiedelte Nagarro entwickelt Software für Unternehmen aus zahlreichen Branchen, für deren individuelle Anforderungen es keine passenden Standardprogramme gibt. Das können Programmierungen von Anwendungen oder komplette Prozesse sein. Den größten Umsatz erzielt das SDAX-Unternehmen mit Kunden der Automobilindustrie und der Finanzwirtschaft sowie mit dem Einzelhandel. Mittlerweile hat sich das Unternehmen nicht nur hinsichtlich der Kundenindustrien breit aufgestellt, sondern auch eine recht ausgeglichene globale Positionierung erreicht.

Fazit: Risikobereite nutzen das starke Momentum der Aktie.

Sixt

Auch wenn die Reise- und Kontaktbeschränkungen der Corona-Krise den Autovermieter stark beeinträchtigt haben, konnte Sixt selbst im Krisenjahr einen kleinen Gewinn verzeichnen. Und die Münchner haben die Pandemie auch genutzt. In den USA weitete Sixt sein Netz an Flughäfen erheblich aus und investierte in Digitalisierung und Apps.

Das antizyklische Investment kommt dem Unternehmen zugute, da der Flugverkehr zwischen den wichtigen Märkten in den USA und Europa wieder in Gang kommt und Sixt höhere Marktanteile beschert. Daneben profitiert der Autovermieter von Lieferengpässen bei Neuwagen, die das Marktpreisniveau für Mietwagen deutlich haben steigen lassen. Voraussichtlich bleibt es auch im kommenden Jahr hoch. Im Gesamtjahr erwartet Sixt einen Gewinn von 390 bis 450 Millionen Euro vor Steuern. Damit würde das Ergebnis des Vorkrisenjahres 2019 klar übertroffen.

Fazit: Die Aktie hat Potenzial, auch wenn Rücksetzer möglich sind.