Gold wird gerne als "sicherer Hafen in Krisenzeiten" bezeichnet. Nimmt die Nervosität an den Aktienmärkten zu, flüchten Anleger in das Edelmetall, so die Logik. In der Realität kann allerdings ein klarer Wirkungszusammenhang zwischen Aktienmarkt und Gold kaum nachgewiesen werden. Längere Rally-Bewegung beim S&P 500 korrespondierten sowohl mit steigenden Goldnotierungen (2010/2011) wie auch mit fallenden Kursen (2012 bis 2015) oder einer seitwärts gerichteten Entwicklung (2016 bis 2018).
Bessere Signale erhalten Anleger hingegen von den Devisenmärkten. Gold wird wie nahezu alle anderen Rohstoffe auf den Weltmärkten in Dollar abgerechnet. Legt der Greenback zu, wird Gold für Anleger außerhalb der USA teurer, die Nachfrage leidet. Wertet der Dollar hingegen ab, nimmt meist das Interesse der Investoren zu, die nicht im Dollarraum aktiv sind.
Eine Auswertung von Index Radar zeigt den inversen Zusammenhang. Neigt der Dollar zur Stärke (rote Rechtecke im Kursverlauf unten), pendelte das Edelmetall in den vergangenen Jahren meist seitwärts (gelbe Rechtecke). Wertet der Dollar hingegen ab (grüne Rechtecke), befindet sich auch Gold oft im Aufwind (grüne Rechtecke im oberen Chart). Auch hier gilt aber: Kurzfristig ist der Einfluss eher gering, entscheidend für Gold ist der langfristige Trend des Dollars. Gegenüber dem Euro zeigt die 200-Tage-Linie (violett) seit Monaten abwärts, die Feinunze erfährt somit leichten Gegenwind.
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Zinsen sind wichtig
Unterstützende Signale kommen hingegen vom Anleihemarkt. Anders als Aktien oder Anleihen wirft Gold keine Zinsen oder Dividenden ab. Anleger die in Gold investieren, profitieren somit nur von möglichen Kurssteigerungen und verzichten auf Zinsen. Die entgangenen Zinsen sind somit als Opportunitätskosten zu sehen. Je höher das Zinsniveau oder die Dividendenrendite, desto höher die Kosten. Genau genommen ist der Realzins entscheidend, also die Differenz aus Nominalzins und Inflationsrate.
Dreht der Realzins in den negativen Bereich (blaue Linie steigt über null in der Grafik), kommt es zu Umschichtungen in das Edelmetall, der Goldpreis steigt. Zuletzt verbesserte sich das Umfeld, da die Fed ihren Zinserhöhungszyklus angehalten hat und weltweit die Notenbanken wieder den Geldhahn weiter öffnen. Bei gleichzeitig anziehender Verschuldung, sinkenden Zinsen und steigenden Inflationsraten hellt sich das makroökonomische Umfeld für Gold auf.
Notenbanken lieben Gold
Ähnlich denken offenbar auch einige Währungshüter. Auffällig waren im vergangenen Jahr die enormen Gold-Käufe durch die Notenbanken, die Bestände wurden um 651 Tonnen aufgestockt. Damit besitzen die Zentralbanken so große Goldreserven wie seit 1971 nicht mehr, als die Preisbindung an den Dollar aufgehoben wurde.
In die Karten spielen den Gold-Bullen natürlich die immer wieder aufkeimenden Sorgen vor einer Rezession. Bisher rechnet der Markt nur mit einer Wachstumsdelle, China könnte die Talsohle bereits durchschritten haben und im Erfolgsfall auch in Europa eine Belebung auslösen. Die Maßnahmen Pekings scheinen somit zu greifen, noch ist es für Entwarnung aber viel zu früh. An den Aktienmärkten wurde eine Belebung der Wirtschaft mit reichlich Vorschusslorbeeren eingepreist, nun müssen die Unternehmen liefern. Dominieren Enttäuschungen in der anstehenden Berichtssaison, dürften die Dividendenwerte leiden und Gold profitieren. Erste Tendenzen könnten bis Ende April vorliegen.
Saisonal betrachtet lockt Gold hingegen vorerst nicht mit viel Fantasie. Bis in den Juli hinein pendeln die Kurse meist seitwärts, die beste Zeit von Mitte Dezember bis Ende Februar ist vorbei.
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Klare Handelsmarken
Seitwärts ist auch ein gutes Stichwort, wenn der Kursverlauf auf Basis chart- und markttechnischer Signale durchleuchtet wird. In den vergangenen Jahren pendelte der Preis zuverlässig in dem von Index-Radar berechneten Schwankungs-Korridor (braun). Kombiniert mit den eingezeichneten Widerständen und Unterstützungen können so die lukrativen Wendepunkte bestimmt werden.
Gut unterstützt ist Gold somit bei 1275, im Extremfall reicht die Spanne auf der Unterseite bis 1215/1235. Nach oben ist Platz bis 1345 oder in Übertreibungsphasen bis 1370. Zwischen 1370 bis 1400 verläuft auch eine seit rund fünf Jahren bestehende Barriere. Erst ein Wochenschluss darüber würde den Weg frei machen für eine Rally bis in die Region um 1550.
Damit bestätigt das Kursbild die fundamentale Ausgangslage. Die Vorgaben vom Währungs- und Anleihemarkt neutralisieren sich derzeit, die erhöhte Risikobereitschaft am Aktienmarkt lässt Gold in Ungnade fallen. Allerdings kann hier der Wind schnell drehen, wenn die Konjunktur weitere Warnsignale liefert. Fazit: Vorerst dürfte Gold seitwärts in einer Spanne zwischen 1210/1275 bis 1400 pendeln.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. www.index-radar.de