Vergangenes Jahr passierte es bereits zum sechsten Mal seit 2009: Der Nebenwerte-Index FTSE 250 lief deutlich besser als der Leitindex von Großbritannien. Das Plus gegenüber dem FTSE 100 summiert sich auf mehr als 160 Prozent. Grund für die gute Entwicklung ist neben der anziehenden Konjunktur die Zusammensetzung des Index: Im FTSE 250 stecken sehr viele Unternehmen, die vom Binnenkonsum profitieren.

Aufschwung mit Risiken



Auch in diesem Jahr sollte sich die britische Binnenkonjunktur gut entwickeln. Dabei wird das Inlandswachstum von zahlreichen Faktoren getrieben. So dürften die Gehälter dank niedriger Arbeitslosigkeit und steigendem Mindestlohn zulegen. Ein starkes Pfund und das billige Öl erhöhen die Kaufkraft der Briten zusätzlich. Auch die Firmen sind in bester Verfassung. Laut der Investmentbank Morgan Stanley hatten die Unternehmen in den vergangenen 25 Jahren im Verhältnis zum Eigenkapital nie zuvor weniger Schulden.

Die Hamburger Berenberg Bank sieht darin klare Zeichen, dass der Aufschwung in der Mitte des Konjunkturzyklus steckt. Weil der private Konsum 80 Prozent des Bruttosozialprodukts ausmacht, liegen die Schätzungen für das Wirtschaftswachstum 2016 trotz schwächelnder Weltkonjunktur um die zwei Prozent.

Dennoch droht der britischen Wirtschaft in diesem Jahr Ungemach. Größtes Risiko: das Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union (EU), das nach neuesten Meldungen bereits im Sommer erfolgen könnte. Scheiden die Briten aus der EU aus, drohen Ökonomen zufolge Milliardeneinbußen für die Volkswirtschaft. Weil die jüngsten Umfragen auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hindeuten, dürfte es an den Aktienmärkten zu starken Schwankungen kommen, je näher der Termin rückt.

Der zweite Unsicherheitsfaktor ist der Termin der bevorstehenden Leitzinserhöhung durch die Bank of England (BoE). Vergangenen Sommer hatte die britische Zentralbank erklärt, ihre Nullzinspolitik könne zum Jahreswechsel enden. Nachdem die Inflation 2015 jedoch bei null Prozent lag, rückte die BoE von diesem Vorhaben ab. Analysten erwarten nun eine Zinserhöhung in der zweiten Jahreshälfte. Auch vor diesem Datum drohen stärkere Kursschwankungen. Angesichts dieser Gemengelage sollten Investoren auf Aktien setzen, deren Geschäfte vergleichsweise unabhängig von äußeren Einflüssen sind und von der steigenden Kauflust der Briten profitieren.

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Nachholbedarf auf der Straße



Ein Beispiel ist die größte Autohandelskette des Landes. 2014 schaffte Lookers eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent und steigerte den Umsatz zum Halbjahr 2015 um neun Prozent auf 1,7 Milliarden Pfund. Grund für den Erfolg ist, dass die Neuwagenverkäufe in der Finanzkrise über ein Drittel einbrachen, während Alter und Zahl der Gebrauchtwagen auf den höchsten Stand seit 30 Jahren kletterten. Der Autohändlerverband Großbritanniens schätzt, dass in den kommenden Jahren weitere 2,5 Millionen Gebraucht- durch Neuwagen ersetzt werden müssen, wollen die autovernarrten Briten nicht ewig in ihren alten Schätzchen umherfahren.

Der Zement-, Asphalt-, und Baustoffhersteller Breedon Aggregates profitiert ebenfalls von einem Nachholbedarf - allerdings im Bauwesen. Auch dieser Sektor kam mit der Finanzkrise zum Erliegen, doch Nullzinspolitik, Immobilienboom und stabile staatliche Infrastrukturausgaben treiben die Branche seit einigen Jahren an. Ende 2015 meldete Breedon die Übernahme der Firma Hope. Gemessen am Geschäftsjahr 2014 verdoppelte das Unternehmen mit dem Kauf seinen Umsatz und operativen Gewinn. Analysten schätzen, dass die Akquisition bis 2017 zu einem Umsatz von 660 Millionen Pfund und einem Ebitda von 107 Millionen Pfund führt.

Mehr Praxen, mehr Pizza



Vergleichsweise krisenfest dürfte auch das Geschäft von CVS Group laufen. Das Unternehmen ist der zweitgrößte Betreiber von Tierarztpraxen, -laboren und -krematorien des Landes und besitzt eine Onlineapotheke für Tiermedikamente. CVS verfolgt in dem stark zersplitterten Markt eine Übernahmestrategie, dank der der Umsatz im Geschäftsjahr 2014/15 um 17 Prozent auf 173 Millionen Pfund stieg. Synergieeffekte wie Mengenvorteile beim Medikamenteneinkauf steigerten den Vorsteuergewinn überproportional um mehr als ein Drittel auf 8,5 Millionen Pfund.



Einen ganz anderen Treiber hat das Geschäft von Domino’s Pizza: Der britische Ableger des US-Fastfoodunternehmens baut sein Filialnetz von 850 auf 1200 Niederlassungen aus und investiert stark in Webauftritt und Apps. Die bessere Erreichbarkeit und der bequemere Bestellvorgang steigern sowohl die Zahl der Bestellungen als auch die Menge des georderten Essens. Zum Halbjahr brachte das mit 427 Millionen Pfund ein Umsatzplus von 14 Prozent, während der operative Gewinn dank der höheren Bestellwerte mit 32 Millionen Pfund um überproportionale 30 Prozent wuchs. Zudem stiegen Umsatz und Ergebnis das siebte Quartal in Folge. Damit ist die Bilanz von Domino’s zwar noch nicht so gut die des FTSE 250, doch dank der stabilen Binnenwirtschaft sollte der Appetit der Briten nicht so schnell gestillt sein.



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