Der erste Schock angesichts des Dämpfers ist überwunden. An der Börse haben sich die Kurse der Aktien von Immobilienkonzernen nach dem Beschluss des Berliner Mietendeckels stabilisiert. Als am 5. Juni bekannt wurde, dass der Senat der Hauptstadt plant, den Anstieg der Mieten per Gesetz zu drosseln, gerieten Wohnungsvermieter an der Börse mächtig unter Druck - vor allem jene mit Immobilien in Berlin.

Bis Ende Juni hatten Ado Properties und Deutsche Wohnen jeweils ein Viertel ihres Börsenwerts eingebüßt. Branchenprimus Vonovia, mit nur zehn Prozent seines Immobilienportfolios in Berlin, verlor 14 Prozent, der in Berlin nicht engagierte Konkurrent LEG Immobilien zehn Prozent.

An der Börse sind die Gewinnmitnahmen vorerst gestoppt, geblieben ist die Verunsicherung über die langfristigen Auswirkungen eines Mietendeckels in Berlin. Die Maßnahme soll ab Januar Gesetz werden und rückwirkend ab dem 18. Juni 2018 für fünf Jahre gelten (siehe unten). Dass der Senat der Hauptstadt mit dieser Maßnahme vorgeprescht ist, überrascht auf den zweiten Blick nicht. Die durchschnittliche Miete von Appartements mit 60 bis 80 Quadratmetern hat sich in zehn Jahren auf zehn Euro pro Quadratmeter verdoppelt. Das ist der größte Anstieg im Vergleich mit den anderen Metropolen in Deutschland.

Berlin ist Deutschlands größte Mieterstadt - nur 15 Prozent der Wohnungen sind im Eigentum. Bundesweit liegt der Anteil der Mietwohnungen bei rund 55 Prozent. Mindestens bis zur nächsten Wahl des Berliner Senats im Jahr 2021 werden die Mieten in der Hauptstadt deshalb politisch ein großes Thema bleiben. Die Analysten der UBS Bank halten es für möglich, dass auch Hamburg und Bremen dem Beispiel Berlins folgen könnten.

Deutsche Wohnen, die Nummer 2 der börsennotierten Wohnungsvermieter mit rund 80 Prozent des Portfolios im Großraum Berlin, bekommt die Auswirkungen des Mietendeckels deutlich zu spüren. Der jährliche Zuwachs bei Mieteinnahmen auf gleichbleibender Fläche werde von 2019 bis 2022 von 3,1 auf 0,8 Prozent ­sinken, schätzt die UBS. Bei der ebenfalls auf die Hauptstadt fokussierten Ado Properties sollte demnach das jährliche Plus von 5,2 auf 1,3 Prozent schrumpfen. Damit sind beide Firmen an der Börse noch nicht aus dem Schneider. Vermieter mit einem relativ geringen Berliner Bestand wie der DAX-Konzern Vonovia sind von den Auswirkungen des Mietendeckels weitaus weniger stark betroffen.

In den Ballungszentren Nordrhein- Westfalens, wo LEG Immobilien präsent ist, und in Metropolen wie Frankfurt, wo Vonovia seinen Bestand im Knorr-­Viertel mit neuen Wohnungen und dem Ausbau von Dachgeschossen erweitert, gilt die Einführung solcher Obergrenzen als unwahrscheinlich. Die Aktien von Vonovia und LEG sollten ihre Kursdellen daher bald ausgleichen.

Sektor bleibt begehrt


Für Auftrieb sorgt das starke Interesse institutioneller Investoren an dem Sektor. Der wichtigste Faktor für Wert­steigerungen bei Immobilienfirmen sind niedrige Zinsen - und der bleibt ­bestehen, weil die EZB die erneut schwächelnde Konjunktur stützen will. Die Wohnungskonzerne können damit weiter günstig Zukäufe refinanzieren und Verbindlichkeiten reduzieren. Von politischen Risiken wie dem Zollstreit zwischen den USA und China bleiben die national geprägten Immobilienmärkte verschont.

Für risikobewusste Investoren wie Pensionsfonds, die große Summen anlegen, ist das ein starker Anreiz. Unterm Strich bleiben die Aussichten auf Kursgewinne gut. Das gilt auch für Aktien ­jener Unternehmen, die auf Gewerbe­immobilien spezialisiert sind. Beispiel VIB Vermögen: Das Geschäft des auf Liegenschaften für Logistik­unternehmen, Industriefirmen und Fachmärkte wie den Gartenbedarfshändler Dehner fokussierten Mittelständlers verläuft in der Öffentlichkeit geräusch­los. Jüngst erhöhte VIB die Dividende zum zehnten Mal in Folge. Mit der für 2020 avisierten Inbetriebnahme des Logistikstandorts Interpark mit 87.000 Quadratmeter Fläche in der Nähe von Ingolstadt in Bayern sollte das Gewinnwachstum der Firma mit Sitz in Neuburg an der Donau deutlich anziehen.

Indes dürfte sich auch der Aufstieg des Sektors Wohnimmobilien fortsetzen. Konzerne wie Deutsche Wohnen, Vonovia und LEG verfügen inzwischen über Bonitätsnoten internationaler Rating­agenturen wie Moody’s und finanzieren sich daher auch über Anleihen. Anders als bei Darlehen müssen Immobilien bei Bonds nicht verpfändet werden.

Pensionsfonds fördern Aufbau


Internationale institutionelle Investoren, deren Milliarden den Verwaltern von Wohnimmobilien an der Frankfurter Börse während der vergangenen Jahre deutlich mehr Gewicht verliehen haben, dürften weiterhin engagiert bleiben. Vonovia-Chef Rolf Buch schätzt den Kapitalbedarf für die weitere Entwicklung der Branche auf 80 Milliarden Euro jährlich, bezogen auf die nächsten zehn Jahre.

Buch sieht den Mietendeckel sogar als Chance, in der Debatte um Mieten "langfristige Lösungen zu entwickeln". Auf einer Veranstaltung überraschte der Konzernchef mit der Aussage, dass mit diesen Lösungen in Deutschland Entwicklungen wie in London, wo sich nur noch Superreiche gute Lagen leisten könnten, vermieden werden sollten.

Vonovia verwaltet bundesweit 395.000 Wohnungen und expandierte zuletzt in Frankreich, Österreich und Schweden. In der Öffentlichkeit ist der Ruf des Konzerns angekratzt. Mieter werfen Vonovia überzogene Neben­kostenabrechnungen vor. Der Konzern streitet das ab. Um ihren Ruf zu ver­bessern, bieten die Bochumer Mietern, die über 70 Jahre alt sind, Wohngarantien an. Kompromisse zwischen Mieter­interessen und Aktionärswünschen nach kontinuierlichen Dividenden sind zwar nicht einfach, aber möglich.

Mietendeckel:
Mietenstopp im Bestand


Der Berliner Senat aus SPD, Grünen und Linken beschloss am 18. Juni einen Mietendeckel. Die Koalition führte ihn mit sofortiger Wirkung für die Dauer von fünf Jahren ein, auch wenn das entsprechende Landesgesetz voraussichtlich erst Anfang Januar 2020 in Kraft treten wird. Der Deckel betrifft in der Hauptstadt rund 1,5 Millionen Bestandswohnungen in Mehrfamilienhäusern. Ausgenommen sind Wohnungen mit Preisbindung, klassische Einliegerwohnungen sowie Neubauten. Letzteres soll verhindern, dass der nach Zahlen von Engel & Völkers Commercial in Berlin zuletzt deutlich forcierte Bau von Wohnungen wieder nachlässt. Der Mietendeckel bedeutet nicht nur einen Mieterhöhungsstopp. Vielmehr will der Senat überdies Mietobergrenzen festlegen, auf die höhere Mieten abgesenkt werden können.

Investor-Info

Vonovia
Europa bringt Wachstum


Von den Auswirkungen des Mietendeckels sei Vonovia nicht betroffen, sagt Chef Buch. Der Manager kritisiert die Maßnahme, hält jedoch eine Regulierung des Mietmarkts für sinnvoll. Hierzulande setzen die Bochumer stärker als die Konkurrenz auf Nachverdichtung und Neubau in Modulen. Zudem expandieren sie als einziger großer Wohnungsvermieter im europäischen Ausland, aktuell in Schweden. Mit den höheren Mittelzuflüssen werden auch nachhaltig attraktive Dividenden finanziert.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 55,00 Euro
Stoppkurs: 36,00 Euro

Deutsche Wohnen
Nachhaltiger Dämpfer


Seit Juli hat Deutschlands zweitgrößter Vermieter mit mehr als 164.000 Wohneinheiten Mieterhöhungen so begrenzt, dass ein Haushalt nicht mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens für Wohnen bezahlen muss. Damit reagiert der Konzern auf den Druck in der Öffentlichkeit. Bei wichtigen Kennzahlen wie Rating und Leerstand glänzt der Konzern mit Bestwerten. Der Mietendeckel wird die Kurs­fantasie jedoch weiter bremsen. Halten.

Empfehlung: Beobachten.
Kursziel: 37,00 Euro
Stoppkurs: 27,00 Euro

VIB Vermögen
Solide Renditen beflügeln


Mit einer niedrigen Leerstandsquote von 0,7 Prozent zum Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres bringen Zukäufe und Projekte wie Interpark bei Ingolstadt Wachstum. Damit und mit der soliden Mietrendite von im Schnitt sieben Prozent sollte die Bewertung des Portfolios höher sein. Analysten der Berenberg Bank erwarten für 2019 eine Aufwertung um knapp neun Prozent. Der Mietdeckel betrifft den Spezialisten für Gewerbeimmobilien nicht.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 30,00 Euro
Stoppkurs: 19,80 Euro