Totgesagte leben länger. Schien nach dem Reaktorunfall in Fukushima vor elf Jahren der Anfang vom Ende für die Kernenergie gekommen zu sein, feiert diese nun eine Renaissance. Neue Kernkraftwerke sind rund um den Globus geplant. Allein in China sind aktuell 13 neue Meiler im Bau. Frankreich kündigt den Bau von bis zu 14 neuen an. Sogar in Deutschland wird über die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken nachgedacht.

Laut der internationalen Atomenergiebehörde IAEA wollen rund 30 Staaten neu einsteigen. "Unsere neuen Prognosen zeigen, dass die Kernenergie künftig eine unverzichtbare Rolle bei der kohlenstoffarmen Energieerzeugung spielen wird", sagt IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi. Selbst viele Umweltschützer setzen sich für die Atomenergie ein, da diese keine CO2-Emissionen erzeugt und dazu beitragen kann, die Klimaziele zu erreichen.

Zuletzt haben zwei Ereignisse der Atomkraft Auftrieb gegeben: die neue EU-Taxonomie-Verordnung und der Krieg in der Ukraine. Die EU-Kommission will Atomenergie ab 2023 als "grünen" Energieträger einstufen. Dazu zählen Energien, die wesentlich zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen beitragen. Das Hauptargument der Kommission für die Aufnahme der Kernkraft in die Taxonomie ist dabei, dass sie zu einer stabilen Grundlastversorgung beiträgt, die die Schwankungen der erneuerbaren Energien auszugleichen hilft.

Diese Einstufung ist ein Anreiz, dass künftig mehr private Investitionen und Anlegergeld in die Atomkraft fließen. Ökofonds dürfen Aktien von AKW-Betreibern, Servicefirmen oder Uranminen kaufen. Überdies hat der Krieg in der Ukraine die Atomkraftbefürworter gestärkt, da Europa die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren will.

Gates und Buffett wittern Geschäft

Auch Bill Gates und Warren Buffett glauben an die Zukunft der Kernkraft. 2021 gründeten sie deswegen die Firmen TerraPower und GE Hitachi Nuclear Energy. Diese sollen Small Modular Reactors produzieren, die in Fabriken vorgefertigt und vor Ort zusammengebaut werden. Die zwei Starinvestoren wollen frühestens 2026 Hunderte dieser Minireaktoren aufstellen. Durch die Serienfertigung sollen diese billiger sein als normale Kernkraftwerke und zudem weit sicherer. Da sie weniger Energie erzeugen, ist eine Kernschmelze erheblich unwahrscheinlicher. Überdies fällt weniger Atommüll an, der auch noch geringer strahlt.

Ob sich die Idee der beiden Amerikaner durchsetzt, ist unklar. Da angereichertes Uran benutzt wird, besteht die Gefahr, dass davon etwas abgezweigt wird. Damit wäre der Bau einer Atombombe möglich. Zudem müssten viele Minireaktoren aufgestellt werden, um die Leistung eines großen Atommeilers zu erreichen. Das dürfte bei der Bevölkerung schwer durchzusetzen sein.

Egal, ob sich die Minikraftwerke in großem Stil durchsetzen oder nur in Maßen, klar ist: Der Abgesang auf die Atomkraft war verfrüht. Das Comeback bedeutet, dass Firmen aus diesem Sektor künftig gut verdienen werden und damit auch die Aktienkurse Potenzial nach oben haben. Nach Fukushima kannten diese zehn Jahre lang nur eine Richtung - nach unten. Selbst Big Player der Branche verloren 80 Prozent oder mehr an Wert.

Seit Mitte 2021 hat sich der Trend umgekehrt und die Titel haussieren. So hat sich etwa die Aktie der kanadischen Cameco, einem der größten globalen Uranminenbetreiber, seit Juli 2021 verdoppelt. Die Unternehmen sind aber noch ein gutes Stück von ihren Hochs beim letzten Uranboom in den Jahren von 2006 bis 2008 entfernt.

Uranpreis hat sich verdoppelt

Auch der Uranpreis hat stark zugelegt. Innerhalb eines Jahres verdoppelte er sich. Da die AKW-Betreiber langfristige Lieferverträge zu fixen Preisen abgeschlossen haben, kommt es bisher nur zu geringen Käufen über die Börse. Ab 2025 laufen aber viele dieser Verträge aus. Dann sind rund 75 Prozent des zur Energieerzeugung benötigten Urans nicht mehr vertraglich abgesichert. Für die derzeit global laufenden Reaktoren werden jährlich 170 Millionen Pfund Uran gebraucht. Die Minenproduktion deckt einen Teil dieser Bedarfsmenge noch ab, doch seit 2015 weitet sich die Angebotslücke aus. "Die Versorgungslücke beträgt aktuell 50 Millionen Pfund", sagt Christian Schärer, Uranexperte beim Liechtensteiner Vermögensverwalter Incrementum.

Das Defizit wird in den nächsten Jahren weiter wachsen. Auch kurzfristig könnte es größer werden, da rund acht Prozent des globalen Urans aus Russland stammen. Sollte es sanktioniert werden, fehlt es am Weltmarkt. Das billige russische Uran ist zwar durch welches aus anderen Ländern ersetzbar, aber zu weit höheren Kosten.

Das dürfte den Uranpreis anziehen lassen. Davon profitieren große Uranförderer, deren Gewinne dann steigen. Anleger können das nutzen und solche Titel kaufen. Diese Aktien sind sehr volatil und nur für sehr risikobereite Investoren geeignet, die hohe Schwankungen ertragen können. Um die Risiken auf mehrere Titel zu streuen, ist es ratsam, über einen Fonds oder ein Zertifikat einzusteigen. Mit geringem Anteil kann auch der Kauf eines Bluechips wie Cameco erwägt werden. Auf den Uranpreis selbst gibt es keine Produkte.

Investor-Info


Cameco

Profiteur des teuren Urans

Der kanadische Betreiber mehrerer großer Uranminen ist der Branchenführer. Nach mehreren Verlustquartalen wurde im vierten Quartal 2021 ein leichter Gewinn je Aktie erzielt. Die Firma profitiert stark vom gestiegenen Uranpreis, da sie zu hohen Kosten produziert. Daher wurden einige Minen, die wegen Unrentabilität geschlossen waren, wieder in Betrieb genommen. Die Aktie ist sehr volatil.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 33,00 Euro
Stoppkurs: 18,00 Euro

Uranzertifikat

Minenfirmen im Paket

Mit dem Endlos-Uranium-Mining-Zertifikat können Anleger die 15 global größten Uranminengesellschaften im Paket erwerben. Die bekanntesten sind Cameco, NAK Kazatomprom (Kasachstan), Paladin Energy (Australien) und Uranium Energy (USA). Es gibt ein Währungsrisiko. Halbjährlich wird die Zusammensetzung nach der Kapitalisierung geprüft. Die Nettodividenden werden reinvestiert.

BO-Index Grüne Zukunft

Alternative Energien

Der von der Redaktion entwickelte BO-Index Grüne Zukunft enthält Aktien von Unternehmen, die von der Abkehr von russischen Importen und der Energiewende profitieren. Anleger investieren in ein Zertifikat, das den Index eins zu eins abbildet. Er enthält 16 gleichgewichtete Aktien. Die Anteile werden halb- jährlich auf die ursprüngliche Gewichtung gebracht. Informationen unter: https://boerse-online-invest.de/gruene-zukunft

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