Auf das höchste Niveau seit Oktober 2018 ist der Ölpreis geklettert. Damit verbessert sich das Umfeld für die Multis und deren Zulieferer zügig. Viele Länder kommen mit ihren Impfkampagnen voran, das sorgt für eine Belebung der Weltwirtschaft und damit für steigende Ölnachfrage. Darauf regiert die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) gemeinsam mit ihren Partnern, allen voran Russland, und erhöht die Förderung im Juni um 700 000 Barrel pro Tag, im Juli sollen 840 000 hinzukommen. Deutlichen Rückenwind erhält der Ölpreis zudem vom sinkenden Dollar. Je schwächer der Dollar ist, umso mehr davon müssen Investoren für ein Barrel des Rohstoffs auf den Tisch legen.

Für großes Aufsehen bei Investoren hat eine Studie des Branchenverbands International Energy Agency (IEA) gesorgt. Demnach dürfen ab sofort keine neuen Öl- und Gasfelder mehr erschlossen werden, wenn der Sektor sein Ziel erreichen will, bis 2050 klimaneutral zu werden. Würde die Industrie das tatsächlich tun, würde das zwangsläufig für Aufwärtsdruck beim Ölpreis sorgen. Denn das Angebot wäre dann künftig deutlich geringer als bislang erwartet, während die Nachfrage laut der US-Behörde Energy Information Administration (EIA) im Jahr 2022 und den Folgejahren auf neue Rekordhochs steigen soll. "Bis wohin wird der Ölpreis steigen, auf 200 Dollar?", fragte der russische Vizeregierungschef Alexander Nowak in Anspielung auf die IEA.

Eine Entscheidung eines Gerichts in Den Haag könnte dazu beitragen. Es hat entschieden, dass Royal Dutch Shell die Treibhausgase bis 2030 um 45 Prozent gegenüber 2019 senken muss, und damit deutlich stärker als geplant. Zwar will das britisch-niederländische Unternehmen gegen das Urteil Widerspruch einlegen. Dennoch hängt es wie ein Damoklesschwert über der gesamten Branche, könnten doch auch andere Firmen verklagt werden. Diese Sorge treibt den Ölpreis nach oben.

Teures Öl beflügelt indes das Geschäft der europäischen Unternehmen und ermöglicht es ihnen, den Umbau in Richtung erneuerbare Energien voranzutreiben. Das spiegelt die Umfirmierung des französischen Konzerns Total zu TotalEnergies eindrucksvoll wider. Er hat im ersten Quartal den bereinigten Gewinn um 69 Prozent auf drei Milliarden Dollar gesteigert. Für Rückenwind sorgten neben deutlich gestiegenen Ölpreisen ein höherer Absatz von Flüssiggas sowie höhere Gewinne bei erneuerbaren Energien und Strom.

"Der Konzern beschleunigt seine Transformation hin zu einem breit aufgestellten Energieunternehmen", sagt Vorstandschef Patrick Pouyanné. Er hat den Start neuer Ölprojekte in Uganda und Tansania vorangetrieben. Pouyanné will 2021 die konzernweiten Investitionen mit zwölf bis 13 Milliarden Dollar stabil halten, die Hälfte davon soll in Wachstum fließen. Bei einem Preis von 60 Dollar je Barrel Brent werde der Konzern einen Cashflow von rund 24 Milliarden Dollar erwirtschaften.

Der bereinigte Gewinn des Wettbewerbers BP ist im ersten Quartal auf 2,6 Milliarden Dollar nach oben geschossen. Verantwortlich dafür war vor allem ein prächtiges Geschäft im Gashandel. Der Konzern profitierte von einer Kältewelle in Texas, deretwegen viele Windkraftanlagen ausgefallen waren. Daher sanken die Nettoschulden auf 33,3 Milliarden Dollar, womit BP die Marke von 35 Milliarden rund ein Jahr früher als geplant unterschritten hat.

Vorstandschef Bernard Looney hat deshalb für das zweite Quartal ein Aktienrückkaufprogramm von 500 Millionen Dollar angekündigt. Er will im Gesamtjahr mehr als 60 Prozent des überschüssigen Cashflows über Aktienrückkäufe an die Anteilseigner zurückgeben. Zudem sollen sie eine Quartalsdividende von 5,25 US-Cent bekommen, was aufs Jahr gerechnet einer Rendite von 4,5 Prozent entspricht.

Aufgrund des starken Cashflows hat Royal Dutch Shell die Nettoschulden im ersten Quartal um 4,1 Milliarden Dollar auf 71,3 Milliarden abgebaut, das ist das niedrigste Niveau seit Anfang 2019. Dabei profitierte der Konzern vom florierenden Chemiegeschäft. Damit ist er gut unterwegs in Richtung seines Ziels von 65 Milliarden Dollar. Wird dieses Ziel unterschritten, will Royal Dutch Shell die Zuwendungen an die Aktionäre über Dividenden und Aktienrückkäufe erhöhen. Zudem hat das Unternehmen die Dividende für das erste Quartal um vier Prozent erhöht.

Aktivistischer Investor

Der Preisanstieg bei Öl sowie deutlicher Rückenwind aus dem Chemiegeschäft haben Exxon Mobil im ersten Quartal einen Gewinn von 2,7 Milliarden Dollar beschert. Dabei hat der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit von 9,3 Milliarden Dollar ausgereicht, um die Dividende und die Investitionen zu finanzieren und die Nettoschulden um 3,4 Milliarden Dollar auf 59,8 Milliarden abzubauen.

Vorstandschef Darren Woods muss den Konzern auf Druck des aktivistischen Investors Engine No. 1 zügig umbauen, damit Exxon das Klima künftig merklich weniger belastet. Woods hat für 2021 einen kräftigen Rückgang der Investitionen auf 16 bis 19 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt. Zudem sollen 90 Prozent der neuen Projekte zwischen 2021 und 2025 Förderkosten von höchsten 35 Dollar je Barrel Brent haben.

Hingegen ist der Gewinn des Wettbewerbers Chevron im ersten Quartal auf 1,4 Milliarden Dollar kräftig gesunken, wozu der Einbruch des Ergebnisses im Raffineriebereich beigetragen hat. Im Gegenzug tritt Vorstandschef Michael Wirth stark auf die Investitionsbremse. Zudem hat er die Prognose für die Synergien aus der Übernahme des kleineren Konkurrenten Noble Energy für 2021 auf 600 Millionen Dollar verdoppelt, was zu einer Senkung der operativen Kosten um zehn Prozent gegenüber 2019 beitragen soll. Außerdem soll aufgrund von kapitaleffizienten Investitionen und Kostensenkungen die Rendite auf das eingesetzte Kapital bis 2025 auf mehr als zehn Prozent verdoppelt werden.

Mit den steigenden Ölpreisen hellen sich die Perspektiven für die Zulieferer spürbar auf. Der weltweite Branchenprimus Schlumberger erwartet allerdings, dass die Wachstumsdynamik auf dem Heimatmarkt Nordamerika im zweiten Halbjahr nachlassen wird. Im Gegenzug soll jedoch der Aufwärtstrend im Auslandsgeschäft bis Ende 2021 und darüber hinaus anhalten. Vorstandschef Olivier Le Peuch will sich daher verstärkt darauf konzentrieren, zumal es rund 80 Prozent zum Gesamtkonzernerlös beisteuert. Das soll dazu beitragen, die operative Marge in diesem Jahr konzernweit um 250 bis 300 Basispunkte zu steigern.

Der Konkurrent Halliburton hat zwar davor gewarnt, dass sich das Auftragswachstum in Nordamerika, das rund 40 Prozent zum Konzernumsatz beisteuert, im laufenden Quartal abschwächen könnte. Zudem werde es in der Sparte Auslandsgeschäft zu einem Margenrückgang kommen. Allerdings erwartet Finanzchef Lance Loeffler eine Beschleunigung des Auslandsgeschäfts im zweiten Halbjahr. Er will auf Digitalisierung und neue Materialien setzen, weshalb sich die Investitionen künftig auf nur fünf bis sechs Prozent der jährlichen Umsätze belaufen sollen. Von 2015 bis 2019 waren es im Schnitt noch 7,2 Prozent.