Die Piloten der Lufthansa wollen mehr Geld, doch Gewerkschaft und Fluggesellschaft konnten sich bislang nicht auf Gehaltssteigerungen einigen. Deshalb wollen rund 5.000 Flugkapitäne und Erste Offiziere am morgigen Freitag nicht fliegen. Allein an den Drehkreuzen Frankfurt und München werden aufgrund des ganztägigen Streiks 800 Flüge gestrichen. Die Lufthansa-Aktie reagiert empfindlich. 

Die Piloten der Lufthansa haben für diesen Freitag (2. September) einen ganztägigen Streik beschlossen. Bestreikt werden sollen sämtliche Abflüge aus Deutschland der Kerngesellschaft Lufthansa sowie der Lufthansa Cargo, wie die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) in Frankfurt mitteilte. Das habe der Vorstand nach intensiven Verhandlungen mit dem Unternehmen und auf Antrag der Tarifkommission beschlossen, erklärte ein Sprecher.

Wegen des angekündigten Streiks streicht die Lufthansa am Freitag nahezu ihr komplettes Programm. Es fallen an den Drehkreuzen München und Frankfurt rund 800 Flüge mit voraussichtlich 130.000 betroffenen Passagieren aus, wie das Unternehmen am Vormittag mitteilte. Reisende können sich unter Lufthansa.com informieren.

"Um Arbeitskämpfe abzuwenden, muss Lufthansa ein deutlich verbessertes Angebot vorlegen", erklärte VC-Tarifchef Marcel Gröls laut einer Mitteilung. Offizieller Anlass des Arbeitskampfes sind die aus Sicht der Gewerkschaft gescheiterten Verhandlungen über einen neuen Gehaltstarifvertrag. Auch eine Sondierungsrunde hinter verschlossenen Türen und ein verbessertes Angebot des Unternehmens aus der vergangenen Woche hatten keinen Durchbruch gebracht. Zuletzt waren an diesem Mittwoch Gespräche ergebnislos geblieben.

Lufthansa-Angebot reicht der VC nicht

Die Lufthansa habe den Termin nicht für ein verbessertes Angebot genutzt, erklärte die VC. Die Lufthansa hatte zuletzt eine Erhöhung der monatlichen Grundvergütung um pauschal 900 Euro angeboten. Bezogen auf die Laufzeit von 18 Monaten würde das Zuwächse von 18 Prozent für Berufsanfänger und fünf Prozent für Kapitäne in der Endstufe ergeben, teilte die Lufthansa mit. Die Gewerkschaft verlangt für die rund 5.000 Kapitäne und Ersten Offiziere Gehaltssteigerungen von 5,5 Prozent im laufenden Jahr und einen automatisierten Inflationsausgleich ab dem kommenden Jahr.

Die Lufthansa hat in Reaktion auf den Streikbeschluss die lange Liste der Tarifforderungen veröffentlicht und diese in einen hohen Kostenanstieg umgerechnet: Die Personalkosten im Cockpit in Summe von 2,2 Milliarden Euro würden mit den VC-Forderungen um voraussichtlich mehr als 40 Prozent beziehungsweise circa 900 Millionen Euro über die nächsten zwei Jahre erhöht. "Dies ist, auch ohne die finanziellen Folgen der Corona-Krise zu berücksichtigen, außerhalb des Vertretbaren", erklärte die Lufthansa.

Nach Angaben vom "Handelsblatt" verdienen Piloten, die für die klassische Kernmarke Lufthansa fliegen, im ersten Jahr etwa 69.000 Euro. Als Kapitän in der höchsten Senioritätsstufe können später bis zu 275.000 Euro drin sein. Hinzu kommt eine Gewinnbeteiligung, sofern die Airline profitabel ist.

Konflikt um künftige Konzernstrategie

Im Hintergrund schwelt zudem ein Konflikt über die künftige Konzernstrategie. Die VC hatte sich in der Vergangenheit die exakte Zahl von 325 Flugzeugen garantieren lassen, die ausschließlich von den Kapitänen und Ersten Offizieren geflogen werden durften, die dem Konzerntarifvertrag unterlagen. Die Lufthansa hatte unter dem Eindruck der Corona-Krise die entsprechende Vereinbarung aufgekündigt und begonnen, unter dem Kranich-Logo einen neuen Flugbetrieb (AOC) mit niedrigeren Tarifbedingungen aufzubauen. Die neue Airline mit der internen Bezeichnung "Cityline 2" soll im Europa-Verkehr zahlreiche Flüge der bisherigen Kerngesellschaft übernehmen.

Laut VC haben bei der Urabstimmung in der Lufthansa-Passage 97,6 Prozent für den Arbeitskampf gestimmt, bei der kleineren Lufthansa Cargo waren es sogar 99,3 Prozent. Die Beteiligung lag laut Gewerkschaft in beiden Flugbetrieben bei über 93 Prozent. Erforderlich war eine Zustimmung von mehr als 70 Prozent aller Stimmberechtigten.

Auch Eurowings könnte streiken

Die Piloten-Gewerkschaft hat sich auch bei der größten Lufthansa-Tochter Eurowings mit ihren rund 100 Flugzeugen streikbereit gemacht. Laut der am Mittwoch ausgezählten Urabstimmung haben dort 97,9 Prozent für einen möglichen Arbeitskampf gestimmt. Allerdings steht dort in der kommenden Woche noch ein Verhandlungstermin zum strittigen Manteltarif aus, so dass für die Eurowings zunächst kein konkreter Streiktermin genannt wurde.

Die Lufthansa Cargo war mit ihren rund 4.000 Beschäftigten selbst in der tiefsten Corona-Krise die Ertragsperle des Konzerns. Angesichts der weltweit gestörten Lieferketten stieg die Bedeutung der Luftfracht, so dass die Logistik-Tochter auch im Corona-Jahr 2021 rund 1,5 Milliarden operativen Gewinn ablieferte, was sich im laufenden Geschäftsjahr ungefähr wiederholen soll.

Letzter Pilotenstreik kostete die Lufthansa über 500 Millionen Euro

Erst im Juli hatte die Gewerkschaft Verdi mit einem Warnstreik des Bodenpersonals den Flugbetrieb der größten deutschen Airline für einen ganzen Tag nahezu lahmgelegt. Es fielen über 1.000 Flüge aus, und rund 134.000 Passagiere mussten ihre Reisepläne ändern. In der anschließenden Verhandlungsrunde erreichte die Gewerkschaft für die rund 20.000 Bodenbeschäftigten Gehaltssteigerungen, die insbesondere in den unteren Lohngruppen deutlich zweistellig ausfielen.

Der vorerst letzte Pilotenstreik bei Lufthansa endete im Februar 2017 nach 14 Runden und einer letztlich erfolgreichen Schlichtung. Der 2012 begonnene Arbeitskampf hat die Lufthansa nach damaligen Angaben mindestens 500 Millionen Euro gekostet.

Am Donnerstag-Vormittag leiden die Aktien der Lufthansa unter dem bevorstehenden Pilotenstreik. Im frühen Handel via Tradegate geben die Papiere zeitweise mehr als zwei Prozent nach verglichen mit dem Xetra-Schluss. Zuletzt notierte der MDax-Wert bei 5,84 Euro.

Deutsche Lufthansa (WKN: 823212)

BÖRSE ONLINE hat die Lufthansa-Aktie im Juli bei 6,17 Euro neu zum Kauf empfohlen und sieht ein längerfristiges Kursziel von 8,80 Euro. Eine Stop-Loss-Order sollte bei 4,90 Euro zur Verlustbegrenzung platziert werden.  (Mit Material von dpa-AFX)

Hinweis auf Interessenkonflikte: Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Deutsche Lufthansa.