Mit dem Investieren ist es so eine Sache. Theoretisch hört sich alles ganz einfach an, doch je mehr Gedanken sich Anleger machen, umso schwerer kann die Entscheidungsfindung sein. Erst recht, wenn auch noch das Gewissen mit ins Spiel kommt. Insbesondere trifft das auf den Rohstoffsektor zu - ein Segment, in dem die Preisentwicklungen nicht immer ohne Weiteres nachzuvollziehen sind. Letzteres gilt auch für den Ölmarkt, wobei hier noch der Ruf als wenig nachhaltiger Energieträger hinzukommt.

Kritisch zu sehen ist auch das Gebaren der OPEC. Denn es handelt sich um ein Kartell, dessen Mitglieder regelmäßig Förderabsprachen mit dem Ziel der Ölpreisbeeinflussung treffen. Ein Vorgehen, für das Aufsichtsbehörden bei anderen Branchen schon mal hohe Strafen verhängen. Aber selbst wenn es in diesem Fall keine juristische Handhabe gibt, steht es jedem Einzelnen frei, dieses Vorgehen zu verurteilen oder nicht. Allerdings ist BÖRSE ONLINE keine moralische Instanz, die vorgibt, ob Investments ethisch vertretbar sind oder nicht.

Wer sich mit dem Segment Rohstoffe befasst, dem sticht der Ölpreis ins Auge. Denn der ist verglichen mit dem im Januar 2016 markierten Zwischentief auf bestem Weg zu einer Verdreifachung. Experten zufolge profitierten die Preise dabei zuletzt vom politischen Machtkampf in Saudi-Arabien, der nicht nur intern tobt, sondern auch extern die Spannungen mit dem Iran anheizt.

Hinzu kommen der Kurdenkonflikt im Nordirak und zunehmende militante Bedrohungen in Nigeria - politische Faktoren, die den Ölpreis stützen. Daher haben Spekulanten relativ hohe Wetten auf steigende Notierungen am Ölmarkt aufgebaut. Das bedeutet jedoch auch Rückschlagsgefahren für den Fall abflauender Spannungen.

Als Stütze für den Ölpreis erweist sich aber gleichzeitig eine robuste Nachfrage, was dem überraschend guten Zustand der Weltwirtschaft zu verdanken ist. Zudem sorgt die OPEC mit der vereinbarten Förderdrosselung für ein künstlich etwas verknapptes Angebot - wobei Marktbeobachter demnächst mit einer Verlängerung des Abkommens rechnen. Davon ist auch deshalb auszugehen, weil Saudi-Arabien mit Saudi Aramco im kommenden Jahr die weltgrößte Erdölfördergesellschaft an die Börse bringen will. Die Verantwortlichen im Wüstenstaat dürften im Vorfeld des Börsengangs alles tun, um mithilfe eines möglichst hohen Ölpreises eine hohe Bewertung zu erzielen.

Allerdings gibt es zwei grundsätzliche Herausforderungen. Erstens die rasant steigende US-Schieferölproduktion, die laut Prognose der US-Energiebehörde im Dezember - gegenüber dem Vorjahreszeitraum - um fast eine Million Barrel pro Tag höher ausfallen dürfte. Zweitens sorgen erneuerbare Energien und batteriebetriebene Fahrzeuge für Öl- substitutionsmöglichkeiten. Solange die Konsumenten keinen Riegel vorschieben, dürften - Klimawandel hin oder her - fast alle Staaten alles daran setzen, ihre Ölvorkommen auch tatsächlich zu verkaufen.





Relativer Bewertungsvorteil



Das spricht für einen Ölpreis, der sich zumindest bis auf Weiteres auf dem erreichten Niveau halten kann. Die jüngsten Ölpreissteigerungen haben die Kurse der Ölaktien im Schnitt nicht mitgemacht, hier sehen wir also gute Chancen auf Kursgewinne. Hinzu kommt eine vergleichsweise günstige Bewertung.

"Der globale Energiesektor ist mittlerweile der einzig verbliebene klar unterbewertete Sektor", erklärt Patrick Lang. Als Beleg verweist der Chef des Aktienresearchs bei der Bank Julius Bär unter anderem auf das Kurs-Buchwert-Verhältnis. Hier weise der Energiesektor einen Abschlag von 35 Prozent zum Gesamtmarkt auf.

Vier Profiteure



Ermutigend ausgefallen sind die Ergebnisse der Branchenvertreter im dritten Quartal. Nach Berechnungen der Investmentbank Barclays zeigen die vorgelegten Zahlen, dass Firmen auch bei Ölpreisen von unter 50 Dollar pro Barrel operativ erfolgreich agieren können.

In den vergangenen Jahren haben BP und Royal Dutch Shell ihre Hausaufgaben gemacht. Dies untermauerten die gut ausgefallenen Ergebnisse des dritten Quartals. Beide Gesellschaften sind sowohl in der Exploration und Förderung als auch in der Verarbeitung und dem Vertrieb von Öl tätig. Das verhilft zu stimmigen Risikoprofilen der Geschäftsmodelle, wozu auch sich verbessernde Finanzkennzahlen beitragen. Attraktiv sind zudem die überdurchschnittlich hohen Dividendenrenditen von 6,1 beziehungsweise fast 6,0 Prozent. Deshalb stufen wir beide Werte von "Beobachten" auf "Kaufen".

Zufrieden dürften auch die Raffinerien Motor Oil aus Griechenland oder Valero Energy aus den USA sein. Das spiegelt sich in intakten charttechnischen Aufwärtstrends wider. Bei Motor Oil bewegt sich zudem das Kurs-Gewinn-Verhältnis im einstelligen Bereich. Das ist auch bei Valero Energy der Fall. Zumindest wenn der Analystenkonsens recht behält, der von 2017 bis 2020 einen Gewinnanstieg von 4,87 auf 11,49 Dollar je Aktie für möglich hält. Als Bonbons kommen noch geschätzte Dividendenrenditen für 2017 von 5,6 beziehungsweise 3,8 Prozent hinzu. Aufgrund der guten Entwicklung ändern wir auch bei Valero unsere Einschätzung und stufen den Wert wieder mit "Kaufen" ein.

Hält der positive Trend an, werden die Kurse dieser Aktien gut geschmiert weiterlaufen.