Für Pferde werden immer wieder Millionen gezahlt. Doch wer investiert, sollte nicht nur Pferde lieben. Von Annika Kintscher und Julia Pfanner

Neugierig kommt Halleluja zum Eingang seiner Box, als die Tür aufgeht. Er schnuppert an den Besuchern, schleckt eine Hand ab. Ganz entspannt, so scheint es, steht er in seiner geräumigen Box, gehüllt in eine dicke dunkelblaue Pferdedecke, die dunkle Mähne kunstvoll zu kleinen Knöpfchen frisiert. Gleich wird der sechsjährige Wallach aufgesattelt und potenziellen Käufern präsentiert, die ihn auch probereiten dürfen. Drei ­Tage später wird er versteigert - für 500 000 Euro.

Insgesamt nimmt Springreiter und Trainer Holger Hetzel an diesem Abend im November für 19 Springpferde - die meisten gehören ihm oder er ist an ihnen beteiligt - gut 3,7 Millionen Euro ein. Schauplatz ist ­seine Reitsportanlage Hetzel Horses, die, umgeben von Wiesen, Feldern und Wind­rädern, im niederrhei­nischen Städtchen Goch nahe der niederländischen Grenze liegt. Menschen aus der ganzen Welt kommen hier das Jahr über her, um sich Pferde anzu­schauen und zu kaufen. Die Kunden sind Springsportbegeisterte, aber auch ­In­­vestoren.

Alternative Investments gibt es viele: Wein, Kunst, Oldtimer oder eben Pferde sind in Zeiten niedriger Zinsen populär geworden. Man kann sie anfassen, und fast immer schwingen Emotionen mit. Dass Spitzenpferde häufig für Millionen den Besitzer wechseln, lässt den ein oder anderen Anleger hellhörig werden. Auch Decktaxen für erfolgreiche Hengste, Zuchtwerte für gute Stuten und hohe Preisgelder locken. Der Bereich ist allerdings für Laien unübersichtlich. Es gibt viele Disziplinen, von Spring- über Dressur- und Vielseitigkeitspferden bis zu Trabern oder Rennpferden. Regulierte Investmentfonds existieren kaum. Pferde-Aktien oder -Anleihen, die für Börsen einen transparenten Preis stellen, gibt es nicht. Investoren müssen sich auf ihr eigenes Urteil verlassen, also Pferdekenner sein, oder Beratern vertrauen.

Hetzel ist so ein Berater. "Vor 15 Jahren war es sehr außergewöhnlich, wenn ein Springpferd eine Million Euro gekostet hat. Heute ist das bei ganz vielen der Fall." Er sieht hierfür mehrere Gründe. Immer mehr Gutbetuchte würden den Sport lieben. Dazu zählen etwa die Töchter des Musikers Bruce Springsteen oder der ­Milliardäre Michael Bloomberg und Bill ­Gates. Die beiden Letztgenannten ­haben bei Hetzel schon Pferde gekauft. Prominente Namen würden den Sport pushen. Dazu seien Käufer aus den Arabischen Emiraten, China, Japan oder Korea neu in den Markt gekommen. "Früher hat sich der Sport allein in Europa abgespielt." Das Know-how für die Zucht und die richtige Umgebung, um Pferde gesund groß werden zu lassen, lägen weiter in Europa. So wachse die Nachfrage, das Angebot stagniere.

Für ein Investment hat Hetzel einen Zeithorizont von ein bis zwei Jahren. 2016 gründete er mit dem Wirtschaftsanwalt Rudolf Pellengahr die Kommanditgesellschaft EAD. Mit 30 000 Euro konnte, wer wollte, Gesellschafter werden. Mit dem Geld kauft Hetzel vielversprechende Pferde, bildet sie aus, um sie dann teurer weiterzuverkaufen. Gewinne werden ausgeschüttet, die Verzinsung lag bisher pro Jahr im hohen einstelligen bis mittleren zweistelligen Bereich. "Man kann jederzeit kündigen und bekommt den Wert seines Anteils an der Gesellschaft innerhalb von zwei Jahren in zwei Raten ausbezahlt", sagt Pellengahr. Die Gesellschaft wendet sich allerdings nicht öffentlich an Anleger.

Dasselbe wie für EAD hat Hetzel schon für den Fonds Equi Future Champions gemacht. Der endete, nachdem John Baumann, der ihn 2012 aufgelegt hatte, 2015 starb. "Wir hatten 20 Pferde im Portfolio, davon gab es einen Verlust, weil das Pferd krank geworden ist", resümiert Hetzel. Mit dem Rest habe man zwischen 11,5 und 113 Prozent Gewinn gemacht, nach allen Kosten. Trotzdem würde er das Konzept so nicht wiederholen, die Fondsnebenkosten seien viel zu hoch gewesen.

Ein Pferd, volles Risiko.


Die zweite ­Investitionsmöglichkeit, die Hetzel bei Springpferden sieht, ist, ein einzelnes Pferd zu kaufen. Bei ihm läuft das so: Investoren sagen, wie viel Geld sie investieren möchten. Er sucht dann ein Pferd aus: Hat es das richtige Alter, die rich­tigen Anlagen, sehr gute Zukunftsaussichten und Abstammung, kann es in ein oder zwei Jahren 50 oder 100 Prozent mehr wert sein? "Da ist wichtig, dass man beim Einkauf einen sehr guten Partner hat, der sich der Aufgabe und der ­Erwartungen des Kunden bewusst ist", sagt er. Der Unternehmer Hans-Ulrich Horrig, der gerade Halleluja ersteigert hat, kauft schon seit vielen Jahren immer ein bis drei Pferde, lässt sie von Hetzel weiter ausbilden und dann verkaufen. "Das ist durchweg sehr lukrativ", sagt Horrig. 50 Jahre Erfahrung habe er mit Springpferden und dadurch ein Auge für gute Pferde. Wer das nicht hat, soll sich gut informieren und beraten lassen. "Ich würde nie jemandem empfehlen, einfach zu einer Auktion zu gehen und ohne Fachberatung blauäugig nach dem optischen Eindruck ein Pferd zu kaufen."

Wer das Geld für ein Pferd nicht allein aufbringen will, hat andere Möglich­keiten wie Besitzergemeinschaften. Die sind etwa für Rennpferde in Deutschland üblich. Ex-Jockey und Rennpferdeagent Manfred Hofer meint: "Das ist das Schönste. Wenn man zu viert oder fünft ein Pferd kauft, macht das richtig Spaß." Ein nicht zu unterschätzender Faktor bei Pferdeinvestments - der Spaß an der ­Sache entlohnt vielleicht manchen Investor ein Stück weit, wenn er Geld verliert. "Man muss das prinzipiell als Hobby für Reiche sehen", sagt Hofer. "Das sind Investments, die unglaublich gut laufen, aber auch danebengehen können." Er hat schon selbst Besitzergemeinschaften gegründet. "In Amerika, Australien oder Japan vor allem gibt es auch Fonds."

Fast 70 Prozent der Rennpferde sind laut Hofer auf wenige Groß­investoren verteilt. "Wir Kleinanleger ­suchen in der Nische. Denn in dem Moment, wo ein Pferd mit guter Abstammung da ist, hat man kaum noch eine Chance, es zu bekommen." Er rät Einsteigern, sich an Pferden zu beteiligen, die schon Leistung in Rennen und Training gezeigt haben. Auch Stuten mit guter ­Abstammung würden das Risiko verringern, weil selbst bei einer Verletzung ein Zuchtwert bleibt.

Teurer Spaß.



Hofer sagt, er habe schon Pferde für 30 000 Pfund gekauft und kein Jahr später für 1,4 Millionen Dollar verkauft. Bei Hetzel ersteigerte etwa Marta Ortega Pérez, Tochter des Gründers der Modekette Zara, Beauville Z im Jahr 2016 für 110 000 Euro. "Der ist nach heutiger, ganz realistischer Schätzung 1,5 Millionen Euro wert", erklärt Hetzel.

Doch es kann auch schiefgehen. "Viele Leute, die das nicht professionell machen, verlieren viel Geld mit Pferden. Die sind einfach teuer", sagt Wirtschaftsanwalt Pellengahr. Sie haben hohe laufende Nebenkosten. Hetzel veranschlagt für alles, von der Box über Tierarzt und Training bis zu Turnieren, im Jahr 25 000 Euro. Hofer beziffert sie bei Rennpferden auf gut 30 000 Euro. Doch dafür, wie sich ein Pferd macht, gibt es keine Garantie. "Wenn ich sehe, dass sich ein Pferd nicht in die richtige Richtung entwickelt, sage ich das den Investoren offen und frage, ob wir das Pferd schnell verkaufen wollen, zum Beispiel an Hobbyreiter, um das Investment in etwa ­zurückzubekommen", sagt Hetzel. Aber ein Pferd ist ein Lebewesen, das sich verletzen, krank werden oder auch psychisch den Sport nicht mitmachen kann. Natürlich gibt es Versicherungen, die kosten aber. Dazu kommen Provisionen. Hetzel bekommt zum Beispiel bei Einzel­investoren vom Verkaufspreis fünf bis zehn Prozent.

Einen Blick darauf, wie Pferde gehalten und trainiert werden, sollten auch Investoren haben. Schließlich geht es um Lebewesen. Wer ein Pferd einfach kauft, ist laut Brigitte Mayer von der Verbraucherzentrale Hessen im rein privatrechtlichen Bereich mit ganz normalen Kaufverträgen unterwegs. Das habe nichts mit Geldanlage zu tun. Werden Gewinne in Aussicht gestellt, fallen Produkte unter das Vermögensanlagegesetz. Die zählen oft zum sogenannten grauen Kapitalmarkt, der kaum reguliert ist.

Hier müssen Anbieter Anlegern lediglich ein Vermögensanlageinformationsblatt bereitstellen, zum Teil auch einen Prospekt. "Diese sollten Sie sich genau durchlesen", rät die Verbraucherschützerin. "Wenn zum Beispiel 30 Prozent Provision bezahlt werden muss, sollte ein Anleger sich fragen, wo der Gewinn für ihn noch herkommen soll." Die Finanz­aufsicht Bafin prüft zwar, ob es ein Infoblatt oder einen Prospekt gibt, aber das Unternehmen selbst prüfen die Aufseher nicht. Auch einen funktionierenden Zweitmarkt, über den Anleger vorzeitig an ihr Kapital - das in der Regel über feste Laufzeiten ­gebunden ist - kommen können, gibt es laut Mayer nicht.

Das Unternehmen Cavisto um den Springreiter Andreas Krieg bot zuletzt ein Crowdinvesting an. Ab 100 Euro konnte man in einen Pool aus Spring­pferden investieren. Auch bei solchen Angeboten gilt: Es gibt verschiedene Ausprägungen und Informationspflichten. Wer sich beteiligt, sollte sich genau informieren. Wer etwa ein Nachrangdarlehen gewährt, bekommt im Ernstfall erst dann Geld, wenn die meisten Gläubiger bedient wurden.

Mayer rät: "Wenn ich persönlich ein Interesse an Pferden habe, mir das Spaß macht und ich einen Totalverlust meines Kapitals verkraften kann, kann man über solche Investments reden." Die Laufzeiten, in denen Anleger womöglich gar nicht an ihr Geld kommen, können aber lang sein. "Und das Risiko eines Totalverlusts besteht immer." Man müsse immer bedenken, dass das Hochrisiko­investments seien. Mit einer Anlage, um Vermögen aufzubauen oder einer Altersvorsorge, haben sie nichts zu tun.

Top Pferde


Wie der Wind: Zwischen 60 und 70 Millionen US-Dollar sollen für das Rennpferd Fusaichi Pegasus im Jahr 2000 bezahlt worden sein. Es gilt als das teuerste ­Rennpferd aller Zeiten. Seine Decktaxe soll bei 150 000 Dollar gelegen haben, aber bald in den vierstelligen ­Bereich gesunken sein. Die Nachkommen waren nicht erfolgreich ­genug.

Überflieger: Der Schweizer Georg Kähny verkaufte im Jahr 2013 das hoch gehandelte Springpferd Palloubet ­d’Halong wohl für einen niedrigen zwei­-stel­ligen Millionen­betrag. Damit löste der ­zehnjährige Fuchs-­Wallach das Dressurpferd Totilas (siehe nächste Seite) als teu­erstes Pferd einer olympischen Disziplin ab.

Eleganz: 2010 kaufte der ehema­lige Springreiter und Pferdezüchter Paul Schockemöhle - der Deutsche gilt als größter Pferdehändler Europas - den Wunderhengst Totilas für geschätzte zehn Millionen Euro. Die Erwartungen an den Dressurhengst waren hoch, doch häufig war das Pferd nicht fit. Auch seine Decktaxe sank - von 8000 Euro auf 2500 Euro.