Wer an den Neuen Markt denkt, hat in der Regel kein richtig gutes Gefühl dabei. Das einstige Börsensegment steht wie kein anderes in Deutschland für Aufstieg und Fall von Aktien. Den fantastischen Gewinnen in den Jahren 1997 bis 2000 folgten dramatische Verluste in den Folgejahren. Der Auswahlindex Nemax 50, in dem die 50 größten Unternehmen des Neuen Markts gelistet waren, startete zurückgerechnet auf den 31. Dezember 1997 mit 1000 Punkten und erreichte seinen Höchststand im März 2000 bei 9666 Punkten. Von da an ging es unter hohen Schwankungen mit dem Kurs stetig ­abwärts, rund drei Jahre später wurde das Segment von der Deutschen Börse dichtgemacht.

Als Nachfolger wurde dann der auf Technologiewerte ausgerichtete TecDAX ins Leben gerufen. Aber die Bandbreite der Unternehmen des Neuen Markts kann der TecDAX nicht abbilden. Eher gilt das für das am 1. März 2017 von der Deutschen Börse initiierte Marktsegment Scale. Es beinhaltet - ähnlich wie seinerzeit der Neue Markt - zwei Indizes: den Scale All Share mit 49 Werten und den Scale 30, in dem die 30 liquidesten Aktien des Scale abgebildet sind. Unternehmen, die in den ­Scale wollen, müssen vier Kriterien erfüllen: Sie brauchen mindestens zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr, einen positiven Jahresüberschuss, Eigenkapital und mindestens 20 Mitarbeiter.

Der Scale All Share startete bei einem Punktestand von 1000 und notiert derzeit bei 1076 Punkten. Damit kann er bisher nicht mal annähernd an die rasante Entwicklung des Neuen Markts nach seiner Gründung heranreichen. Zudem hat er zuletzt auch gegenüber dem DAX an Boden verloren. Offenbar robben sich die Investoren nach den Erfahrungen am Neuen Markt nur stückchenweise an das neue Marktsegment heran. Schließlich sind die Risiken bei kleinen Aktien ungleich höher als etwa bei Papieren aus dem DAX.

Der große Scale-Check.

Das hat im Umkehrschluss dazu geführt, dass im Scale eine ganze Reihe von attraktiven Unternehmen zu einem recht günstigen Preis zu haben sind. €uro hat das Marktsegment einem großen Check unterzogen, um die besten und attraktivsten Werte ausfindig zu machen. Dabei wurde auf die Bewertung der Aktien geachtet, und es wurden dafür die Kriterien Kurs-­Gewinn-Verhältnis (KGV), Kurs-­Buch-Ver­hält­nis (KBV) und Kurs-Umsatz-­Ver­hältnis (KUV) berücksichtigt. Bei allen drei Kennziffern gilt grob gesagt, dass ­eine Aktie umso günstiger bewertet ist, je niedriger diese Werte sind.

Aber eine niedrige Bewertung allein macht noch keine attraktive Aktie aus. Entsprechend hat €uro auch geprüft, welches der Unternehmen eine Divi­dende zahlt und wie hoch es verschuldet ist. Zudem hat die Redaktion auch darauf geachtet, ob ein Unternehmen gemessen an der Eigenkapitalrendite profitabel ist. Die Tabelle zeigt die jeweiligen Kennzahlen für alle Werte des Scale All Shares. Die drei Topwerte der Redaktion (farblich in der Tabelle hinterlegt) stellt €uro nachfolgend vor. Dazu kommt noch ein Zertifikat, das die Entwicklung des Scale 30 eins zu eins abbildet.

Datron-Aktie:


Datron ist ein Maschinenbau-Unternehmen, das vor allem auf Fräsmaschinen für Zahn­labore, Dosiermaschinen und Präzisionswerkzeuge für den Maschinenbau setzt. Entsprechend breit ist die Produktpalette des Unternehmens mit Sitz in Mühltal-Traisa bei Darmstadt: von der Fertigung von Zahn­ersatz über Abgabesysteme für Kleb- und Dichtstoffe bis hin zu Fräswerkzeugen für industrielle Anwendungen. After-Sales-Dienstleistungen wie Schulungen, Service, Zubehör- und Ersatzteilverkauf runden das Portfolio ab.

Die Hessen legen Wert auf Inno­va­tion, fast ein Viertel der Mitarbeiter arbeitet im Bereich Forschung & Entwicklung. Davon verspricht sich Datron, "rasch auf neue Markttrends und die Bearbeitung von zukunftsorientierten Werkstoffen wie zum ­Beispiel Komposit-Materialien" reagieren zu können, so die Selbstbeschreibung. Mehrheitsaktionär ist Datron-Chef Arne Brüsch, dem fast 65 Prozent der Aktien gehören, etwa ein Drittel der Papiere ist im Streubesitz. Das Unternehmen ist kaum verschuldet und gemessen an den fundamentalen Bewertungskennzahlen nicht zu hoch bewertet. Die Aktie bietet zudem eine attraktive Dividendenrendite von zwei Prozent, für die Datron weniger als ein Viertel des Jahresgewinns ausschüttet.

Ibutec-Aktie:


Ibutec entwickelt thermische Verfahren zur Behandlung anorganischer Pulver und Granulate. Das klingt erst einmal ziemlich sperrig, ist aber zukunftsträchti g - etwa in der ­E-Mobilität. So forscht das Unternehmen mit Sitz in Weimar derzeit für einen seiner Großkunden an einem neuartigen Batteriematerial mit dem Ziel, den Anteil von Lithium in Energiespeichern deutlich zu reduzieren. "Dass wir mit diesem Projekt beauftragt wurden, zeigt die Expertise unseres Teams, die Qualität der Technologieplattform, auf der wir aufsetzen können, und die hohe internationale Reputation, die Ibutec im Bereich der Batteriematerialien aufgebaut hat", frohlockt Chef Ulrich Weitz.

Aber die Autobranche ist nur ein Bereich, in dem die Verfahrenstechnik der Thüringer zum Einsatz kommt. Auch in der Medizintechnik wird sie etwa bei künstlichen Gelenken und bei Zahnersatz ver­wendet. Ebenso kommen in der Chemie-, der ­Keramik- und der Baubranche Ibutec-Produkte zum Einsatz. Das Unternehmen kam im März 2017 zu einem Kurs von 16,50 Euro an die Börse und notiert derzeit in etwa auf dem gleichen ­Niveau. Familie Weitz hält fast 40 Prozent der Aktien. Diese haben eine Lock-up-­Periode von 69 Monaten ab Börsengang, in der sie nicht verkauft werden dürfen.

Nabaltec-Aktie:


Das Chemieunternehmen Nabaltec setzt auf umweltfreundliche, flammenhemmende Füllstoffe und Spezialoxide. Was auf den ers­ten Blick nach einem recht engen Produktportfolio aussieht, hat weitreichende Anwendungsmöglichkeiten. Die Füllstoffe werden beispielsweise bei Verkabelungen in Tunneln, Flughäfen und Hochhäusern eingesetzt. Im Brandfall verzögern sie die Ausbreitung von Feuer und unterdrücken die Entwicklung von Rauchgasen. Aber auch in der Feuerfest­industrie sowie in Brems- und Reibbelägen bei Fahrzeugen und sogar in schusssicheren Westen finden sich die Produkte des Unternehmens mit Sitz im bayerischen Schwan­dorf. Nabaltec profitiert mit einem Füllstoff, der in Lithium-Ionen-Akkus verwendet wird, zudem von der E-Mobilität.

Im ersten Halbjahr 2019 stieg der Umsatz um 6,1 Prozent auf 97,4 Millionen Euro. Interessant ist dabei, dass die Profitabilität sogar noch stärker zulegte: So kletterte das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 27,8 Prozent auf 12,4 Millionen Euro. Das Unternehmen hat zwei Großaktionäre: zum einen die Familie von Nabaltec-Chef Johannes Heckmann (Aktienanteil 28,3 Prozent) und Familie Witzany (27,2 Prozent). Knapp 45 Prozent der Nabaltec-Papiere ­befinden sich im Streubesitz.

Scale 30 Zertifikat:


Das Zertifikat der Unicredit/Hypovereinsbank bildet die Wertentwicklung des Scale-30-Preisindex ab. In dem Index befinden sich die 30 liquidesten Werte des Marktsegments. Die Auswahl findet hierbei nach dem Börsen­umsatz der letzten zwölf Monate statt, wobei sowohl Umsätze an der Börse Frankfurt als auch bei Xetra berücksichtigt werden. Laut Deutscher Börse richtet sich der Scale-30-­Index "vornehmlich an qualifizierte Inves­toren, welche die Chancen und Risiken eines Segments einschätzen können, das auf kleine und mittlere Unternehmen zugeschnitten ist". Gemessen am Börsenwert ist das Software-Unternehmen Mensch & Maschine am größten, gefolgt von der Gewerbe­immo­bi­lien­­firma Publity und der auf Unternehmenssoftware spezialisierten Datagroup. Das Zertifikat läuft endlos, kann vom Emittenten aber unter Einhalten einer Frist gekündigt werden.