Die Ökonomen, die sich mit Behavioral Finance (also dem Verhalten bei der Kapitalanlage) befassen, haben viele sogenannte Anomalien bei Anlegern entdeckt. Unter Anomalien verstehen Fachleute, wie der Ökonom Hanno Beck:
"Beobachtungen an der Börse, die sich nicht mit der Idee effizienter Kapitalmärkte vereinbaren lassen. In der traditionellen Kapitalmarkttheorie bewerten Investoren Risiko und Rendite einer Aktie, nutzen alle vorhandenen Informationen und sorgen mittels Arbitrage (Ausnutzung von Preisunterschieden) dafür, dass sich die Marktpreise kaum von ihrem wahren, fundamentalen Wert entfernen können."
Beck und viele andere Autoren zählen zahlreiche Anomalien im Verhalten der Anleger auf, die im Ergebnis zu niedriger Rendite für die Anleger führen. Dazu gehört zum Beispiel die Idee des Überoptimismus. Menschen überschätzten ihre Fähigkeiten an den Finanzmärkten. So zeigen Studien,
"dass Anleger ihre Rendite verbessern könnten, wenn sie weniger häufig ihre Investments verkaufen oder neue Investments kaufen (auch wegen der damit verbundenen höheren Transaktionskosten). Dabei zeigt sich, dass Männer überoptimistischer sind als Frauen, sie weisen ein höheres Handelsvolumen auf: Während Frauen im Schnitt 53 % ihres Portfolios pro Jahr Umschlägen, sind es bei Männern 77%. Dieses häufigere Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren reduziert die Nettoerträge der Investments der Männer im Schnitt um 2,65 Prozentpunkte; Frauen reduzieren ihre Rendite nur um 1,72 Prozentpunkte."
Solche Anomalien dürfte es eigentlich nicht geben, wenn die Teilnehmer auf den Finanzmärkte sich so verhalten würden, wie es die ökonomische Theorie fordert.
Eine Möglichkeit, diese "Irrationalität" und viele andere für die Rendite schädliche Verhaltensweisen aus dem Anlageverhalten zu treiben, bieten die "digitale Vermögensverwalter", die Anlage-Roboter oder in der englischen Version Robo-Advisors genannt werden. Die Idee dahinter: "Robo-Advisors" wählen nach streng rationalen Kriterien die Anlageobjekte aus. Theoretische Grundlagen dafür bieten die Portfolio-Theorie und das Capital Asset Pricing Modell nebst ihrer Weiterentwicklungen. Die Vermögensverwaltung wird also nicht mehr einem Menschen, sondern einem Algorithmus anvertraut. International sind in den letzten Jahren zahlreiche Plattformen entstanden. Der Pionier in Deutschland Yavalu gehört mittlerweile zu Finanzscout. Cashboard, Easyfolio, Ginmon, Scalable Capital oder Vaamo heißen bekannte Vertreter der digitalen Anlageberatung in Deutschland. Sie versprechen bessere, billigere, bequemere und obendrein transparentere Angebote als Banken und Vermögensverwalter.
Diese Webplattformen fragen Informationen zur persönlichen und finanziellen Lage des Anlegers ab, wollen wissen, welche Ziele der Anleger verfolgt und versuchen die Risikoneigung der Anleger anhand verschiedener Fragen zu ermitteln.
Viele bieten als Ergebnis den Kunden ein Interface, in dem man die persönlichen Werte, wie Risikoneigung, Anlagebetrag, Zeithorizont variieren kann.
Abbildung: Vermögensplaner von Scalable Capital: Entwicklung des Vermögens auf Basis Anlagebetrag und Risikoneigung
Manche zeigen den Korridor der potenziellen Wertentwicklung an, wie etwas Scalable in der Abbildung. Der Vorteil solcher Darstellungen ist, die Anleger bekommen das Risiko visualisiert. Sie können mit den Parametern spielen und sehen sofort die potenziellen Veränderungen.
Leider suggerieren solche Darstellungen, hier entstünden keine Verluste. Schlimmstenfalls würde das angelegte Kapital zwischendurch geringfügig angefressen werden. Das mag zwar den zugrunde gelegten statistischen Modellen entsprechen, nicht aber der Realität. Die Bewertungsmodelle, die aber nicht offengelegt werden, wurden nach der Finanzkrise von vielen Fachleuten stark kritisiert. So berücksichtigen sie zum Beispiel keine "Schwarzen Schwäne".
Unabhängig von dieser Kritik, die man durch eine etwas realitätsnähere Darstellung schnell heilen kann, ist aber die Grundidee richtig. Sehr breite Streuung des Anlagebetrags und die Ausschaltung von Emotionen, die kontrakproduktiv für Geldanlagen sind. Die Anlageroboter lassen sich weder von Gier noch Angst beeinflussen. Der vorgeschlagene Ansatz der Anlageroboter macht also prinzipiell Sinn und hat sich bei Profis in den letzten Jahren bewährt.
Genau schauen sollten Anleger freilich auf die Verwaltungsgebühren, die hier auf zwei Ebenen anfallen.
1. Die Robo-Advisor verlangen selbst zwischen 0,5 und 2 % Entgelt vom verwalteten Vermögen. Dafür sorgen sie für regelmäßige Anpassungen, wenn dies angesichts der Entwicklung an den Finanzmärkten erforderlich ist (Fachleute sprechen von Rebalancing), liefern Berichte und meist erfrischend aufgeräumte Webangebote.
2. Da nahezu alle Robo-Konzepte in der Umsetzung auf Investmentfonds bzw. Exchange Traded Funds setzen, kommen dazu noch die Managementgebühr und Verwaltungskosten, die an die Fondsgesellschaft fließen. Hier kann man sicher auch noch einmal im Schnitt zwischen 0,5% und 1,5% dazu rechnen.
Addiert man also diese beiden Komponenten, erhält man im Minimum 1% Gebühren und kann als Obergrenze schon mal über 3% liegen. Wer hier die Anlagekategorie mit dem niedrigsten Risiko wählt, für den sind daher die automatischen Anlageberater keine Alternative.
Trotz aller Transparenzversprechungen bleibt außerdem in einer Blackbox verborgen, wie die Plattformen auf Basis der Fragen eigentlich genau zu den Risikoeinschätzungen kommen und daraus wiederum die Risikomischung ermitteln.
Ich denke man kann den vorgeschlagenen Strategien der Anlageroboter vertrauen. Sie schlagen mit großer Wahrscheinlichkeit die durchschnittliche Anlagestrategie der meisten Amateure und Profis. Wenn sie noch etwas deutlicher die Schwankungsrisiken visualisieren würden, wäre ich hoch zufrieden.
Dirk Elsner arbeitet als Unternehmensberater für die Innovecs GmbH.