Größere Volumina sind für die Autobauer überlebenswichtig, um die Produktionskosten in Schach zu halten. Und dabei spielen Zusammenschlüsse eine entscheidende Rolle.

Der Druck wächst


"Der Druck ist enorm - nach zwei schwachen Jahren im Weltmarkt und hohen Investitionen in die Elektromobilität bei gleichzeitig miserablen Margen. Ich glaube, alle Zusammenschlüsse sind heute denkbar, die man mit dem Wettbewerbsrecht in Einklang bringen kann", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. So wird bereits über eine Wiederaufnahme der zwischenzeitlich auf Eis gelegten Ge-spräche zwischen Fiat Chrysler (FCA) und Renault spekuliert.

Beide Firmen würden sich vor allem regional gut ergänzen - und bei einer Fusion Synergien von fünf Milliarden Euro liefern. Nord/LB-Autoanalyst Frank Schwope erwartet bei FCA allerdings eher eine Annäherung an den französischen PSA-Konzern (Peugeot). Die FCA-Gespräche mit Renault sieht er daher nur als Mittel zum Zweck, PSA gefügiger zu machen. "Wegen ihrer gemeinsamen Produkthistorie wäre Peugeot/Citroën der natürlichere Fusionspartner."

Bei den deutschen Herstellern sind Zusammenschlüsse noch Zukunftsmusik, doch auch hier wächst der Druck. So kooperieren BMW und Daimler bereits bei der Fahrzeugentwicklung. "Für BMW und Daimler wäre eine Zusammenarbeit bei Plattformen für Elektroautos richtig", sagt Dudenhöffer. "Mit gemeinsamen Werken, die nur Elektroautos bauen, hätte man die Chance, rascher in bessere Kostenstrukturen zu kommen." Dafür müssten aber beide "über ihren Schatten springen". Schwope sieht das ähnlich: "Für eine Fusion ist der Druck noch nicht groß genug."

Den wiederum bekommt Tesla immer stärker zu spüren - die Börse traut dem kalifornischen Elektroautopionier einen Alleingang immer weniger zu. Pro-blem ist hier die hohe Bewertung. Volkswagen ist als Übernahmeinteressent bereits ins Spiel gebracht worden. Die Wolfsburger haben zwar dementiert, allerdings könnten sie bei anhaltenden Verlusten oder gar einer Insolvenz wieder auf den Plan treten, glaubt Dudenhöffer. "VW wäre aber nicht allein. Die Marke Tesla hat einen hohen Wert, und in der Technik sind die Kalifornier Innovationsführer. Tesla könnte wohl eher an einen chinesischen Konzern gehen - oder an Google."

Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler setzt längerfristig auf ein Bündnis von BMW und Daimler mit dem chinesischen Daimler-Aktionär Geely. "Die Nischenlabels werden bei den Großen unterkommen. Und die Chinesen werden immer aktiver", prognostiziert Pieper. VW wiederum könnte sich noch intensiver seinem Kooperationspartner Ford zuwenden oder einen großen Wurf in China oder Indien landen. In Japan wiederum formiert sich derzeit ohnehin ein großes Bündnis aus Toyota/Subaru und Suzuki/Mazda.

"Too big to fail"


Bleibt die Frage, wer den Ausleseprozess überleben wird. Gut ein Dutzend große Hersteller gibt es noch. Experten rechnen damit, dass ein Viertel davon in den nächsten zehn Jahren vom Markt verschwinden könnte. Dudenhöffer hält das für überzogen. "Die Geschichte, dass am Ende nur fünf oder sieben übrig bleiben, hat man schon vor 20 Jahren erzählt. ,Too big to fail‘, also zu groß, um einfach vom Markt zu verschwinden, ist für die Autoindustrie in den jeweiligen Heimatländern ein schlagkräftiges Argument. Also wird man aufkaufen, fusionieren und kooperieren."

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer im Interview: Fusionsspekulationen in der Autoindustrie


BÖRSE ONLINE: Die Autokonzerne Fiat Chrysler (FCA) und Renault haben ihre Fusionsgespräche vor kurzem auf Eis gelegt. Rechnen Sie damit, dass es zu einer Neuauflage kommt?
Ferdinand Dudenhöffer: Ich denke, ja. Renault wird mit Nissan allein langfristig nicht glücklich. Mit einem Merger FCA-Renault können die Franzosen ihre Position in Europa und USA erheblich verbessern. Und FCA schafft es erst recht nicht allein. Der französische Konkurrent PSA (Peugeot, Citroen, Opel) setzt Renault massiv unter Druck.

Könnten Daimler und BMW enger zusammenrücken?
Ich denke, es würde auf jeden Fall sehr viel Sinn machen. Aber sie müssten da schon über ihren eigenen Schatten springen. Beide wollen ja offensichtlich nicht die Elektro-Plattform von VW-Porsche. Die heutige Struktur, dass man Werke hat, die Verbrenner und Elektroautos im Wechsel bauen, ist nicht optimal in der Kostenstruktur. Für beide, BMW und Daimler, wäre eine Zusammenarbeit bei Plattformen für Elektroautos spannend und richtig. Dabei kann man sich durchaus vorstellen, dass man gemeinsame Werke hat, die nur Elektroautos bauen. So hätten beide die Chance, in beste Kostenstrukturen zu kommen und Skalenerträge auch schon in den nächsten Jahren umzusetzen.

Dem Elektroauto-Pionier Tesla traut die Börse immer weniger zu, es allein zu schaffen. Volkswagen war bereits als mögliche Käufer im Gespräch, hat aber abgewunken. Könnten die Wolfsburger doch noch zuschlagen?
Volkswagen und Tesla klingt nett. Aber das ist nach meiner Einschätzung nur dann möglich, wenn Tesla in Insolvenz geht und VW eine Übernahme macht. Aber VW wäre sicher nicht allein daran interessiert. Und der Preis für Tesla wäre selbst im Fall einer Insolvenz noch sehr hoch. Die Marke ist sehr wertvoll, und in der Technik ist Tesla klar Innovationsführer bei Elektrofahrzeugen. Ich persönlich glaube, dass Tesla eher an einen chinesischen Konzern geht - oder an Google.

Dann könnte sich VW ja stärker seinem US-Partner Ford zuwenden.
Die Kooperationspartner VW und Ford rücken ja schon enger zusammen. Das passt für VW in USA mit den Pick-ups und für Ford mit den Elektroautos in Europa, und natürlich mit den Transportern (Transit) in Europa. Für VW könnte aber auch noch eine engere Zusammenarbeit mit Konzernen in China oder Indien spannend sein. Man ist zwar dort schon bei Elektroautos in gemeinsamen Werken, aber ein großer Deal steht hier noch aus.

Wie weit könnte der Konsolidierungsprozess gehen?
Ich glaube, das einzige Ausschlusskriterium ist heute das Wettbewerbsrecht. Alles was man damit in Einklang bringen kann, ist denkbar. Der Druck ist enorm - zwei Jahre miserabler Weltmarkt, hohe Investitionen in Elektromobilität mit sehr schlechten Margen, und dann das autonome Fahren. Das bedeutet: In den nächsten fünf Jahren wird es aus dem operativen Geschäft heraus allein nirgendwo eine Wachstumsgeschichte geben. Deshalb braucht es Zusammenschlüsse, Kooperationen und Joint Ventures.

Welche Rolle spielen dabei neue Marktteilnehmer außerhalb der klassischen Autobauer?
Interessant wird die Rolle der Tech-Riesen wie Google, Huawei, Tencent, Apple und die Rolle der Fahrdienste wie Uber. Die Idee für die nächsten 20 Jahre ist sicher die Plattform-Ökonomie. Software ist prädestiniert dazu. Interessant sicher auch die Rolle der Chemie - also der Batteriehersteller. Der chinesische Lithium-Ionen-Akku-Hersteller CATL, der Akkubauer BYD oder auch Samsung könnten künftig für Anleger interessanter sein als manche Auto- oder Zuliefereraktie.

Derzeit gibt es weltweit noch ein gutes Dutzend große Autohersteller. Wie viele könnten die bevorstehende Konsolidierungsphase überleben?
Was heißt denn überleben? In der Finanzkrise hatte es man ja auch mit Banken zu tun, die als "Too big to fail" galten, also als zu groß und systemrelevant, als dass man sie einfach vom Markt verschwinden lassen könnte. Das ist sicher auch in der Autoindustrie ein Argument, vor allem in jenen Ländern, in denen die Konzerne eine wichtige volkswirtschaftliche Rolle einnehmen. Also wird man Aufkaufen, Fusionieren und Kooperieren. Die Geschichte, dass nur fünf oder sieben übrig bleiben hat man aber schon von 20 Jahren erzählt. Tatsächlich hat die Realität gezeigt, dass es heute so viele Autobauer gibt wie nie.