Am Dienstag sackte er auf bis zu 1,1445 Franken ab - der tiefste Stand seit mehr als einem halben Jahr. Sollte die problematische Regierungsbildung in Italien die Devisenmärkte länger in Atem halten, könnte die SNB nach Einschätzung von Experten mit einer ersten Zinserhöhung länger warten. Auch neuerliche Interventionen zur Schwächung des Franken sind für Ökonomen wieder denkbar - allerdings erst ab einem Euro-Kurs von 1,10 Franken und darunter.

Aktuell gehen die meisten Experten nicht von einem längeren Höhenflug der Schweizer Währung aus. Die Analysten des Vermögensverwalters Mirabaud sehen den Euro zwischen 1,15 und 1,20 Franken. Auch die Ökonomen der Bank Vontobel halten eine Euro-Aufwertung Richtung 1,20 Franken für möglich. Wichtig ist der Wechselkurs vor allem für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft - etwa die Metall- und Maschinenindustrie, Luxusgüterkonzerne und die Tourismusbranche. Denn ein starker Franken macht Waren und Dienstleistungen im Ausland teurer und bremst somit die Nachfrage.

Ähnliche Entwicklungen gab es zuletzt während der Griechenland-Krise. Die SNB hat sich darauf eingestellt und mit Hunderten Milliarden Franken am Devisenmarkt interveniert. Sie kaufte vor allem Euro und Dollar, um den Franken künstlich zu schwächen. Zudem hat sie Negativzinsen von minus 0,75 Prozent eingeführt, um die Währung für Investoren unattraktiv zu machen. Von diesen beiden Grundpfeilern ihrer Geldpolitik sind die Währungshüter bislang nicht abgerückt - auch wenn Marktinterventionen in den vergangenen Monaten nicht nötig waren.

Beim aktuellen Euro-Niveau von rund 1,15 Franken sehen Experten noch keine Notwendigkeit für solche Eingriffe. "Es würde uns überraschen, wenn die SNB intervenieren würde", sagte Devisenexperte Thomas Flury von der Großbank UBS. "Es kann höchstens sein, dass sie sich dazu verleiten lässt, um die aktuell sehr schnelle Kursbewegung etwas abzufedern." Auch Mirabaud-Chefökonom Gero Jung sieht keine Indizien für Interventionen der SNB: "Die Wachstumsaussichten für die Schweizer Wirtschaft sind gut und es sind keine deflationären Tendenzen absehbar."

SNB WILL EZB DEN VORTRITT LASSEN



Bevor sich die SNB zu einer Zinserhöhung durchringt, muss nach Einschätzung der Experten die EZB vorlegen. Doch auch hier sind angesichts der Krise in Italien und schwächeren Wachstumsaussichten rasche Schritte unwahrscheinlich. Mit Spannung erwarten daher viele Experten die nächste Lagebeurteilung der SNB am 21. Juni. "Die Wortwahl könnte schon so ausfallen, dass der stärkere Franken einer geldpolitischen Normalisierung im Weg steht. Die Chancen steigen, dass die SNB verstärkt die Risiken betonen wird", sagte Vontobel-Experte Sven Schubert.

Nach Einschätzung der Ökonomen der Regionalbank Valiant könnte die SNB den Franken wieder als überbewertet und nicht mehr nur als hoch bewertet bezeichnen. Codewörter wie diese gelten am Devisenmarkt als Indiz für die Interventionsbereitschaft der Notenbank. Die UBS-Experten halten einen Zinsschritt der SNB zum Jahreswechsel für möglich - vorausgesetzt der Euro steht bei etwa 1,20 Franken und die EZB hat das Ende ihres Anleihen-Kaufprogramms fixiert. "Es ist nach wie vor möglich, dass diese beiden Bedingungen erfüllt sind. Ich würde deshalb eine Zinserhöhung der SNB zum Jahresende noch nicht abschreiben", so Devisenexperte Flury.

rtr