Mit Nebenwerten konnten Anleger in der Vergangenheit wenig falsch machen. So auch in diesem Jahr: Während der DAX seit Anfang 2017 um 7,2 Prozent zugelegt hat, sind bei den Small- und Mid-Cap-Indizes MDAX, SDAX und TecDAX Gewinne von 11,7 Prozent, 20,8 Prozent und 28,7 Prozent aufgelaufen. Die Outperformance der Nebenwerte ist kein neues Phänomen. Auch auf mittel- und langfristige Sicht haben die "Kleinen" die Nase vorn.

Besonders starke Zuwächse sind bei den Aktien unterhalb der Indizes zu beobachten: 22 Papiere unserer Datenbank Deutsche Aktien, die 522 Titel umfasst, haben sich allein im laufenden Jahr mehr als verdoppelt. 20 davon sind in keinem Index gelistet. Spitzenreiter Staramba, Spezialist für Anwendungen im Bereich Virtual Reality, bringt es sogar auf einen Kurszuwachs von fast 250 Prozent. Platz 2 unter den Top-Performern belegt der Finanzportalbetreiber Wallstreet:Online mit einem Plus von 244 Prozent. Auf Rang 3 liegt der Spezialmaschinenbauer Aixtron mit 212 Prozent. Auch wenn aus Branchensicht kein eindeutiger Trend auszumachen ist, eines haben die meisten Nebenwerte gemeinsam: Anders als bei den großen DAX-Konzernen handelt es sich in der Regel um Firmen, die in Nischen tätig sind und sich dort führende Positionen erarbeitet haben. Das schlägt sich oftmals in einer außerordentlich hohen Profitabilität oder überdurchschnittlich hohen Wachstumsraten nieder.

Viele Nebenwerte sind bei der breiten Masse der Anleger noch gar nicht bekannt. Kein Wunder: Aktuell bringt knapp die Hälfte der 522 Unternehmen unserer Datenbank weniger als 250 Millionen Euro auf die Waage - klassische Nebenwerte, die kaum jemand auf der Rechnung hat (siehe Grafik).



Allerdings gibt es einige wenige Profis, die genau auf solche Unternehmen spezialisiert sind. Die Redaktion von BÖRSE ONLINE hält seit jeher zu solchen Nebenwerte-Kennern Kontakt, um für Sie die lukrativsten Aktien ausfindig zu machen.

Dieses Mal haben wir den Spieß umgedreht und lassen die Experten selbst zu Wort kommen. Dazu haben wir insgesamt acht professionelle Marktteilnehmer nach ihren aktuellen Small-Cap-Favoriten gefragt. Darunter sind Analysten wie Klaus Schlote von Solventis, Portfoliomanager Josef Scherrer von der Principal Vermögensverwaltung, Manfred Piontke von MPPM sowie Vermögensverwalter Michael Kollenda von Salutaris. Die insgesamt acht Profis bringen teilweise jahrzehntelange Erfahrung in der Nebenwerte-Szene mit und haben schon so manche Perle ausgegraben.

So auch im vergangenen Jahr, als wir exakt die gleichen Experten gebeten hatten, ihre Nebenwerte-Lieblinge zu nennen. Von den 24 damaligen Empfehlungen haben 21 im Kurs zugelegt, nur bei drei Papieren gab es Verluste. Insgesamt hätten Anleger mit einem gleichgewichteten Portfolio aus allen 24 Aktien satte 55,2 Prozent verdienen können - das Ganze in 14 Monaten wohlgemerkt. Selbst der beste Nebenwerte-Index in diesem Zeitraum, der TecDAX, legte "nur" um 47,8 Prozent zu.

Vier Top-Favoriten



Interessant ist, dass unter den 24 Tipps der Profis zahlreiche alte Bekannte sind. Das bedeutet: Zehn Aktien gehörten auch schon im Vorjahr zu den Favoriten. Das zeigt zum einen, dass die Experten einen langfristigen und nachhaltigen Investmentansatz verfolgen. Zum anderen lässt sich daraus schließen, dass viele Nebenwerte trotz der Rally scheinbar immer noch nicht ausgereizt sind. Ein ganz besonderer Blick sollte den Aktien von Cliq Digital, Freenet, K + S und Softing gelten. Denn diese Nebenwerte wurden jeweils zwei Mal genannt. Welche Aktien die Profis sonst noch auf ihrer Kaufliste führen, erfahren Sie auf den nächsten Seiten.



SC Consult (SMC-Research): Neubewertung bei Softing in Sicht



Die Geschäftsführer von SC Consult, Adam Jakubowski und Holger Steffen, sind seit mehr als 15 Jahren in der Finanzbranche aktiv, wobei der Schwerpunkt auf der Unternehmens- und Kapitalmarktanalyse liegt. In dieser Zeit haben die Profis unter anderem zahlreiche Studien zu deutschen Nebenwerten verfasst.



Aktuell zählt die Industriegruppe Gesco zu ihren Favoriten. Nach Problemen im Beteiligungsportfolio, die über mehrere Jahre belastet hatten, sei dem Unternehmen eine erfolgreiche Trendwende gelungen. "Die neue Strategie verspricht eine hohe Umsatz- und Ergebnisdynamik für die kommenden Jahre", ist sich Steffen sicher.

Softing hält der Experte für eine interessante Turnaroundstory. Der Anbieter von Steuerungs- und Kommunikationstechniken habe sich zwar mit Entwicklungsproblemen in der Sparte Automotive verhoben, die Probleme sollten aber gelöst sein. Die Gesellschaft habe ein starkes zweites Halbjahr in Aussicht gestellt. "Eine Erfüllung der Prognose könnte eine Neubewertung einleiten", meint Steffen.

Bei Mutares überzeugt die Nebenwertekenner vor allem der sehr hohe Abschlag zum inneren Wert (NAV). Der marktbedingte Geschäftsrückgang bei den Beteiligungen aus der Öl- und Gasindustrie habe den Aktienkurs stark zurückkommen lassen, Geschäftsmodell und Wachstumsstory seien intakt.





Principal Vermögensverwaltung: China treibt Singulus an



Josef Scherrer, Fondsmanager des Scherrer Small Caps Europe, ist ein Fan von internetbasierten Geschäftsmodellen und Firmen, die von großen Zukunftstrends profitieren können. Entsprechend sind zwei seiner Vorjahresfavoriten weiterhin auf der Kaufliste.



Pferdewetten.de zählt Scherrer zu den profitabelsten und rentabelsten Gesellschaften in Deutschland. "Wir trauen dem kostenbewussten Management zu, dass es die Erträge in den kommenden Jahren kontinuierlich steigern kann", sagt der Fondsmanager. Fantasie birgt die Aktie vor allem aufgrund des bevorstehenden Einstiegs in den Markt für Sportwetten.

Beim Handymarketing-Spezialisten Cliq Digital sieht der Experte die jüngste Akquisition von UME als Wachstumstreiber: "UME passt gut ins Portfolio und bringt rund eine Million neue Abonnenten zu den bisherigen 2,2 Millionen hinzu."

Scherrers Neuempfehlung ist Singulus Technologies. Der Hersteller von Anlagen zur Produktion von Dünnschichtsolarzellen (CIGS) profitiere von den Investitionen in der chinesischen Solarindustrie. "China rüstet kräftig auf. Die CIGS-Technologie ist inzwischen schon sehr kostengünstig und wird sich wohl weiter durchsetzen können", meint der Profi. Man sollte sich aber bewusst sein, dass Singulus in einem hochzyklischen Sektor mit starken Nachfrageschwankungen tätig ist.





Manfred Piontke Portfolio Management (MPPM): Kursvervielfachung bei Formycon möglich



Manfred Piontke gehört zu den Urgesteinen in der deutschen Nebenwerteszene. 1993 mit einer Vermögensverwaltung gestartet, konzentriert sich der Fondsmanager seit 2014 auf die MPPM Manfred Piontke Portfolio Management. Piontke berät eine wachsende Klientel in Vermögensfragen und legte auch einen eigenen Fonds auf - den MPPM Deutschland (WKN: A1W 8EF). Priorität hat für Piontke der regelmäßige Kontakt zu den Vorständen der Unternehmen. "Auf dieser Grundlage absolvieren wir rund 400 Termine auf Managementebene im Jahr."



Obwohl die Formycon-Aktie bereits deutlich zugelegt hat, zählt sie Piontke weiterhin zu seinen Favoriten. Der Spezialist für Biosimilars arbeite an drei Nachahmermedikamenten, die ab 2020 und dem sukzessiven Auslaufen der Patente der Originalprodukte in den Markt eingeführt werden sollen. "Im Erfolgsfall kann sich der Kurs vervielfachen", sagt Piontke.

Beim Fintech-Unternehmen Ferratum sei das aktuelle Ertragswachstum von mehr als 40 Prozent noch nicht ausreichend in die Bewertung eingeflossen.

Bei Freenet ergeben sich "neben dem nachhaltigen, starken Freien Cashflow aus dem angestammten Mobilfunkgeschäft zusätzliche Wertegenerierungen aus dem neuen TV-Geschäft und der 25-prozentigen Beteiligung an der Schweizer Sunrise".





Scherzer & Co.: Spekulative Einstiegsmöglichkeit bei K + S



Wie Manfred Piontke (siehe vier) hält auch der erfahrene Nebenwertespezialist Hans Peter Neuroth die Freenet-Aktie für aussichtsreich.



"Freenet TV ist der einzige kommerzielle Anbieter des neuen DVB-T2-HD-Standards in Deutschland", sagt der Vorstand der Beteiligungsgesellschaft Scherzer & Co. Im ersten Halbjahr wurden bereits mehr als 500 000 zahlende Kunden gewonnen. Eine stabile Dividendenpolitik runde das Bild ab.

Seit dem Einstieg der Günther-Gruppe erfolge bei MAX Automation eine konsequente Transformation von einer Beteiligungsgesellschaft hin zu einer dezentral organisierten Hightech-Maschinenbaugruppe. "Im Fokus steht klar das Segment Industrieautomation", erklärt Neuroth. Deutlich unterlegt sieht der Fondsmanager dies durch die jüngste Akquisition von Shanghai Cisens und der erfolgreich durchgeführten Kapitalerhöhung im August.

K + S habe das lang erwartete Legacy-Projekt in Kanada in Betrieb genommen. Dies stelle laut Neuroth "nach wie vor eine spekulative Einstiegsmöglichkeit dar". Mit dem Wechsel des langjährigen Vorstandsvorsitzenden komme die gesamte Firma auf den Prüfstand. Ein Ankerinvestor werde ebenfalls gesucht. Auch habe sich der wichtige Kalipreis von seinem Tief gelöst und steige langsam wieder. 2018 sollten die Margen wieder zweistellig werden.





Salutaris Capital Management: Umsatzverdopplung bei IBU-Tec erwartet



Michael Kollenda von der Münchner Vermögensverwaltung Salutaris hat einen alten Bekannten mit im Gepäck: Delignit, den Erfinder des Buchensperrholzes. Trotz des Kursanstiegs von fast 65 Prozent in den vergangenen 14 Monaten erwartet der Experte, der über mehr als 37 Jahre Erfahrung in der Vermögensanlage verfügt, bei der Aktie "ein schönes Wertsteigerungspotenzial, da der Großaktionär MBB volle Kassen hat und wir bei Delignit weitere gravierende Zukäufe erwarten".

Softing stelle hoch spezialisierte Messtechnikprodukte her und profitiere angesichts der vielen Kunden aus der Automobilindustrie von der immer weiter steigenden Modellvielfalt. "Dabei ist es egal, ob das Fahrzeug von einem Elektro-, Diesel- oder Benzinmotor befeuert wird", sagt Kollenda. "Als klassisches Softwareunternehmen ist die Gesellschaft aktuell nur mit dem einfachen Umsatz an der Börse bewertet und das ist eine gute Kaufgelegenheit."



Unter den Börsenneulingen des Jahres 2017 gefällt dem Vermögensverwalter IBU-Tec. Das hochprofitable Unternehmen veredle als hochspezialisierter Dienstleister Rohstoffe für die Medizintechnik, Batterien und Katalysatoren. "Der IPO-Erlös wird vollständig in die Erweiterung der Produktionskapazitäten gehen. Wir erwarten eine Umsatzverdopplung über die kommenden zwei Jahre."





GBC: Globalisierung treibt Aves One



Bei dem unabhängigen Augsburger Invest-menthaus GBC gehört unter anderem die Veranstaltung von Kapitalmarktkonferenzen zum Repertoire.



Bei der 7. Zürcher Kapitalmarkt Konferenz am 6. September war auch Cliq Digital mit von der Partie - ein Internetunternehmen, das sich auf die Vermarktung und Abrechnung von digitalen Inhalten (Apps) im Abo-Modell spezialisiert hat. "Wir gehen davon aus, dass Cliq Digital das profitable Wachstum auch in Zukunft fortsetzen wird, und sehen das Kursziel bei zwölf Euro", sagt GBC-Vorstand Jörg Grunwald.

Auch bei Aves One, Bestandshalter von Logistik-Equipment, erwarten die Analysten für 2017 einen deutlichen Umsatz- und Ergebnissprung. Mittelfristig ist ebenfalls für Potenzial gesorgt. Als Treiber fungiert das erhöhte Transportvolumen im Zuge der Globalisierung. Dadurch sollen die verwalteten Assets bis 2020 auf mindestens eine Milliarde Euro ausgebaut werden.

Bei MS Industrie, eine Industriegruppe mit den Spezialgebieten Antriebstechnik und Spezialmaschinenbau, hat GBC nach Vorlage der Halbjahreszahlen die Umsatz- und Ergebnisprognosen für 2017 und 2018 leicht nach oben angepasst. Grunwald: "Wir erachten die von der Gesellschaft kommunizierte Unternehmensguidance als etwas zu konservativ formuliert und sehen das Kursziel bei 4,70 Euro."





Value-Holdings Capital Partners: Gute Einstiegsgelegenheit bei Schaeffler



Beim Investmentansatz von Value-Holdings Capital Partners stehen Firmen im Fokus, deren Substanz, Ertragskraft oder künftiges Potenzial vom Finanzmarkt noch nicht genügend honoriert werden.



Ein Beispiel ist SMT Scharf. Der global führende Anbieter von schienengebundenen Transportsystemen im Bergbau, im Tunnelbau und anderen Industrien hat zuletzt unter niedrigen Investitionen der Hauptabnehmerbranche Kohle gelitten, die aktuell aber sukzessive wieder anzieht. "Aufgrund der gesunden Bilanz mit einer Eigenkapitalquote von weit über 50 Prozent und Nettofinanzguthaben ist SMT bestens aufgestellt, um bei anziehenden Investitionsausgaben der großen Minenbetriebe zu partizipieren", erklärt Roland Könen, Geschäftsführer von Value-Holdings.

Bei K + S sollte sich nach Meinung der Experten der Blick der Investoren in den kommenden Monaten "auf die erfolgreiche Aufnahme der Produktion des neuen kanadischen Werks richten, mit dem K + S seine weltweite Präsenz vergrößern und die Produktionskosten verringern wird".

Der Autozulieferer Schaeffler hatte jüngst mit einer Prognosesenkung die Investoren verschreckt, zudem belasten negative Branchennachrichten. Doch Könen meint: "Angesichts Bewertung und mittelfristigem Ausblick stellt der Kursrücksetzer eine gute Einstiegsgelegenheit dar."





Solventis Beteiligungen: Prognose von Demire ist zu konservativ



Klaus Schlote, Geschäftsführer und Head of Research bei Solventis Beteiligungen, beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit deutschen Small und Mid Caps. Als einen der Erfolgsfaktoren sieht der Profi den direkten Zugang des Solventis-Teams zum Management der Unternehmen. Zudem wird ein engmaschiges Netzwerk gepflegt. Schlote hat vor allem Sondersituationen im Blick.



Zum Beispiel Bastei Lübbe - eine Aktie, die im Wettbewerbsvergleich günstig bewertet sei. "Mit der erwarteten steigenden Profitabilität von Bastei Lübbe dürfte der Bewertungsabschlag sukzessive abgebaut werden", sagt Schlote. Einen ersten Hinweis darauf hat das Medienunternehmen mit dem guten Start ins Geschäftsjahr 2017/18 gegeben.

Beim Immobilienunternehmen Demire sieht Schlote bei den aktuellen 2017er-Planzahlen - operatives Ergebnis von acht bis zehn Millionen Euro - noch Luft nach oben. "Wir halten die Prognose für konservativ und rechnen mit mindestens zehn Millionen Euro."

Auch der Vorjahresfavorit Yoc steht weiterhin auf der Kaufliste. Wachstumstreiber des Spezialisten für Mobile Marketing ist der automatisierte Vertrieb über interagierende Handelssysteme in Realtime (Programmatic Advertising), über den bereits mehr als ein Drittel der Umsätze generiert werden. Das Solventis-Kursziel lautet zehn Euro.