Für Staramba war schon immer Fantasie nötig. Bei einem Anbieter virtueller 3-D-Welten ist das nicht ungewöhnlich, doch bei den Berlinern dürfte noch weit mehr Vorstellungskraft nötig sein als bisher angenommen.

Das Unternehmen wollte eine virtuelle 3-D-Welt erschaffen, in der Nutzer mit fotorealistischen Avataren von Stars interagieren. Vom Realitysternchen Paris Hilton bis hin zu den Spielern des FC Bayern sollten zahlreiche Berühmtheiten Nutzer an den "Materia.One" getauften Ort locken. Für Erlebnisse mit ihren Idolen sollten die User zahlen. Ein Geschäft, das, wie Firmenchef Christian Daudert gern betonte, "unendlich skalierbar" sei.

Bis Mai 2018 stieg die Aktie auf 63 Euro, der Börsenwert erreichte fast 150 Millionen Euro - bei weniger als 20 Millionen Euro Umsatz. Doch nicht nur Materia.One lockte mit Prominenz. Rolf Elgeti, Chef der Deutsche Konsum REIT-AG, ist Großaktionär, ehemalige Fußballstars wie Fredi Bobic, Marko Rehmer oder Oliver Neuville zählen zu den Anlegern.

Trotz der Starpower notiert der Kurs heute rund 92 Prozent niedriger als einst im Mai. Grund: Hiobsbotschaften in Serie. Was mit einem verweigerten Testat für den Jahresabschluss 2017 begann, fand unlängst seinen vorläufigen Höhepunkt: Staramba musste 2018 den Verlust von mehr als der Hälfte seines Grundkapitals melden.

Laut Wirtschaftsprüfer ist der Verkauf einer eigenen Kryptowährung nicht als Umsatz, sondern als Anzahlung zu werten. Die mit den Staramba-Token (STT) eingenommenen gut 17,3 Millionen Euro müssen daher umgebucht werden. So erreicht der Umsatz im Vorjahr statt der erwarteten 17,6 Millionen nur 330 000 Euro, und aus einem operativen Gewinn von 5,7 Millionen Euro wird ein Verlust von 11,1 Millionen. Die bilanzielle Überschuldung will Staramba nun mittels einer 20 Millionen Euro schweren Kapitalerhöhung beheben.

Liquiditätsprobleme aber wurden noch diesen März zurückgewiesen. Gleichzeitig dementieren Daudert und Elgeti, den Token maßgeblich selbst gekauft zu haben, sowie Gerüchte, die STT-Mittel seien nie komplett auf den Staramba-Konten eingegangen. Stimmen ihre Angaben, müsste der Token die Kassen trotz laufender Ausgaben gefüllt haben. Auch weil es für den STT laut Staramba nur ein "abstraktes Leistungsversprechen" gibt und Rückforderungen ausgeschlossen seien. Die Fehlbuchung wäre damit zwar für die Bilanz, aber nicht zwangsläufig für die Gesellschaft desaströs. Zusätzlich wurden bereits Mitte Mai 40 Prozent der Belegschaft entlassen. Materia.One wird seither nur noch "langfristig" entwickelt.

Dem Unternehmen fehlt damit das skalierbare Geschäft, dem STT-Besitzer das prickelnde Erlebnis für seine Token - und Staramba die Fantasie. Denn selbst mit dem neuen Fokus auf 3-D-Scanner und Bilddaten sowie Projekten wie der 3-D-Welt für den FC Bayern dürften schwarze Zahlen so schnell nicht drin sein. Wofür auch immer die 20 Millionen Euro benötigt werden, besonders viel Vorstellungsvermögen braucht man nicht, um sich auszumalen, wie es mit dem Geld weitergeht.