Pünktlich zum meteorologischen Sommeranfang und mit dem Rückenwind weiterer Corona-Lockerungen hat der DAX am Dienstag ein neues Rekordhoch erreicht. Der Leitindex stieg am ersten Juni-Tag in der Spitze auf 15 685 Punkte. "Der positive Trend ist vorerst weiter intakt", erläuterte Donner-&-Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm die Lage. "Neue Rekordhochs ziehen oftmals weitere Anschlusskäufe nach sich. Daher ist kurzfristig das Erreichen und Überschreiten der Marke von 16 000 Punkten nicht unwahrscheinlich."

Dabei ist im aktuellen Bewertungsniveau bereits viel von den guten Unternehmens- und Konjunkturdaten eingepreist - insbesondere die Erwartung eines breiten globalen Aufschwungs mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten in diesem und im nächsten Jahr. Allmählich dürfte es für einige Unternehmen allerdings schwerer werden, die hohen Gewinnerwartungen zu erfüllen. Zudem werden Vorleistungen und Rohstoffe knapp, und es gibt teilweise extreme Kostensteigerungen. Auch die konjunkturellen Risiken nehmen zu, insbesondere in Schwellenländern.

Wenig beeindruckt zeigen sich die Anleger bislang von der anziehenden Inflation. Europaweit ist die Teuerungsrate im Mai auf 2,0 (Vormonat: 1,6) Prozent geklettert, in Deutschland erreichte sie 2,5 Prozent - der höchste Wert seit zehn Jahren.

Die meisten Ökonomen gehen derzeit davon aus, dass der Inflationsschub vorübergehend und von Sonderfaktoren geprägt ist. Ein Problem für Aktien ergibt sich erst, wenn die Preise stark steigen und zu deutlich anziehenden Zinsen führen. Eine einsetzende Preis-Lohn-Spirale könnte diesen Effekt noch verstärken. Hinzu kommt, dass die expansive Geldpolitik der Notenbanken zusammen mit großen Fiskalpaketen in ohnehin boomender Konjunktur ebenfalls inflationär wirken. Mumm zufolge macht dieses Umfeld dauerhaft höhere Inflationsraten wahrscheinlicher. Der Donner-&-Reuschel-Experte rechnet damit, dass die EZB noch stillhält, die US-Notenbank Fed aber auf dem Notenbankertreff in Jackson Hole im August erste Schritte eines weniger expansiven Kurses ankündigen könnte. In den USA lag die Teuerung zuletzt schon bei 4,2 Prozent.

DAX-Schreck Grün-Rot-Rot

Dennoch blieben Aktien auch in diesem Umfeld attraktiv. "Mit großen Neupositionierungen sollte man sich derzeit aber zurückhalten", so Mumm. "In den kommenden Monaten könnte es auch mal wieder eine für Aktienmärkte nicht ungewöhnliche Korrektur in der Größenordnung von zehn bis 20 Prozent geben, die für Nachkäufe genutzt werden kann."

Noch wenig kümmern sich Börsianer derzeit um die Bundestagswahl im Herbst. Ohnehin gibt es laut DZ Bank nur eine Regierungskonstellation, die den DAX signifikant abrutschen lassen könnte: "Nur Grün-Rot-Rot wird überhaupt als mögliche Belastung für den Aktienmarkt gesehen", so die DZ Bank in einer soeben vorgestellten Studie zur Bundestagswahl. "Wohl auch wegen der schlechten Erfahrungen mit der linken Regierungspolitik, die seit Jahren im Bundesland Berlin-Brandenburg betrieben wurde."

Generell sei der Ausgang von Bundestagswahlen aber nie besonders bedeutsam für die Entwicklung des Leitindex gewesen. Aufgrund von möglichen Regulierungen dürften bei Grün-Rot-Rot Einzelwerte aus der Immobilienbranche wie Vonovia und Deutsche Wohnen verlieren. Einbußen könnte es auch bei einigen der Konzerne mit großem Klimafußabdruck geben. HeidelbergCement, Lufthansa und Thyssenkrupp wären wohl schlechter gestellt als unter der jetzigen Regierung. Diese sind im DAX jedoch nur gering oder gar nicht gewichtet, sodass auch hier der DAX-Effekt überschaubar bliebe.

"Für die langfristige Kursentwicklung des DAX ist vor allem die Entwicklung der Unternehmensgewinne entscheidend", so ein Fazit der DZ-Bank-Studie. "Und die hängt in hohem Maße von den Absatzmärkten außerhalb Deutschlands ab."