Online statt persönliche Kontakte: Für den Handel mit Büro- und Gewerbeimmobilien wird das Internet immer wichtiger. Wie die Immobilienbranche den Wandel zum Digitalgeschäft vollzieht - und welche Unternehmen profitieren. Von Stefan Rullkötter

Was in den USA angesagt ist, kommt meist mit Verzögerung nach Europa. Das gilt auch für die Immobilienbranche. Schon seit mehr als einem Jahrzehnt sind die einst in Amerika erfundenen Portale für Kauf, Veräußerung und Vermietung von Wohneigentum hierzulande weit verbreitet. Wer Informationen sucht zu Objekten, Markt- und Preisentwicklungen, für den ist das Internet meist die erste Anlaufstelle. Dagegen werden Deals mit Büro- und Industrieimmobilien in Deutschland traditionell nicht über anonyme Plattformen im Internet, sondern mithilfe von persönlichen Netzwerken eingefädelt und abgewickelt.

Das könnte sich bald ändern. Denn auch Kauf- und Mietinteressenten im Gewerbebereich suchen mittlerweile verstärkt über das Internet nach geeigneten Immobilien. Vorreiter der Maklerdigitalisierung ist Jones Lang Lasalle (JLL). Die Deutschland-Niederlassung des US-Immobiliendienstleisters brachte im November vergangenen Jahres eine reine Online-Handelsplattform für Gewerbeimmobilien an den Start.

Neue Kunden aus dem Netz



"Unsere Bilanz nach einem halben Jahr Digital Services ist durchweg positiv - bei der Neuakquise, aber auch bei der Bindung von Bestandskunden haben wir dadurch bereits außerordentlich profitiert", sagt Timo Tschammler, Mitglied der JLL-Geschäftsführung in Deutschland. Auch das Ziel, die Abhängigkeit des Maklerkonzerns von externen Marktplätzen zu reduzieren, sei erreicht worden. Den Grundstein dafür hatte JLL bereits 2012 mit der Gründung einer eigenen Abteilung für "Online Markets" gelegt. Diese relativ lange Vorlaufzeit verschafft dem Großmakler offensichtlich einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz. CBRE, Mitglied im S&P-500-Index und nach eigenen Angaben der weltweit größte integrierte Immobiliendienstleister auf dem gewerblichen Sektor, sowie Knight Frank, die "weltweit führende unabhängige Immobilienberatungsgesellschaft", bieten auf ihren Internetseiten zwar auch Suchmasken für Gewerbeimmobilien. Das sogenannte "Customer Relationship Management" (CMR), also die lückenlose Kundenbetreuung vom ersten Kontakt bis zum Vertragsabschluss, scheint auf deren Portalen im Vergleich zum JLL-Angebot (Details siehe Interview Seite 3) noch stark ausbaufähig - oder ist in diesem Umfang bisher gar nicht vorhanden.

Auf Seite 2: Zusätzliche Reichweite durch Investoren





Zusätzliche Reichweite durch Investoren



Die Zielgruppe der JLL-Handelsplattform soll dagegen nochmals erweitert werden. "Ab Jahresmitte planen wir auch eine eigene Onlinelösung für reine Investoren - zunächst im kleinen bis mittelgroßen Objektbereich", erklärt Immobilienexperte Tschammler. Zwar spielen gerade im Investmentbereich derzeit noch die persönlichen Kontakte die wichtigste Rolle. Aber auch hier dürfte es zu Veränderungen im Hinblick auf das Internet als Angebots- und Nachfragekanal kommen. "Wir reagieren auf diesen Wandel und möchten der Verkäuferseite - korrespondierend zur Vermieterseite - mit dieser Reichweitenvergrößerung mehr Handelsmöglichkeiten bieten", so Tschammler.

Unabhängig von den aktuellen Umstrukturierungen wird der Trend zur Digitalisierung die Immobilienbranche in den nächsten Jahren nachhaltig verändern. Für die Überlebensfähigkeit von Dienstleistern dürfte dabei entscheidend sein, wie sie sich diesem Thema nicht nur technisch, sondern vor allem strategisch widmen.

So hat der digitale Wandel bereits neue Marktteilnehmer und Geschäftsmodelle hervorgebracht. Diese setzen etablierte Konzerne zusätzlich durch ihre agile Arbeitsweise unter Druck, etwa in den Bereichen 3-D-Technologie und virtuelle Realität. Klassischen Vertretern der Immobilienbranche fällt diese Arbeitsmethodik schwer, weil ihre traditionellen Geschäftsstrukturen und -prozesse darauf bislang nicht ausgerichtet sind. Auch andere Klein- Unternehmen stellen mit neuen digitalen oder Online-Geschäftsmodellen die klassische Immobilienbranche vor Herausforderungen. Dazu gehören die unterschiedlichsten Onlinemarktplätze, deren Kerngeschäft die optimale Vermarktung von Inhalten und Produkten im Internet ist und die somit die Immobilie lediglich als ein Vehikel nutzen. Denn dadurch schaffen sie ein Abhängigkeitsverhältnis zum Immobilienanbieter, das es bis dato in diesem Geschäftsbereich in einer solchen Ausprägung nicht gegeben hat.

"Die Immobilienbranche wird sich gerade durch diese Entwicklungen beschleunigt konsolidieren", lautet das Fazit von Experte Tschammler. Isolierte Informationen verlören an Wert. Nur wer es schafft, Daten zu bündeln und auf dieser Basis neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten, werde künftig reüssieren. "Big Data in Smart Data überführen", das scheint dafür der Königsweg zu sein.

Große Spieler entdecken die Branche



Gefahr droht etablierten Immobiliendienstleistern nicht nur durch Start-ups, sondern auch von Internetgiganten, die neu in den Markt drängen. Im Bereich "Smart Home", also der digital vernetzten Haustechnik, ist dieses Szenario schon Realität. Der US-Konzern Alphabet (damals noch Google) hat bereits im Jahr 2014 das Unternehmen Nest Labs übernommen. Der Experte für Heimautomatisierung stellt etwa selbst lernende Raumthermostate und Rauchmelder her. "Da Google darüber hinaus selbst Daten generiert, sind weitere Szenarien als Einstiegsmöglichkeiten in die Immobilienbranche denkbar - solange der Massenmarkt bedient werden kann und die Ansätze skalierbar sind", sagt Kai Zimprich, der in Deutschland das Digital-geschäft von JLL leitet. Die Marktführer reagieren darauf auch mit Akquisitionen und versuchen, höhere Mauern um ihr Dienstleistungsangebot zu ziehen. CBRE übernahm im Frühjahr 2015 für rund 1,5 Milliarden Dollar die Gebäudemanagement-Tochter GWS vom Mischkonzern Johnson Controls. JLL gehörte zu den Hauptinteressenten für die Gebäudedienstleistungssparte des Mannheimer Bilfinger-Konzerns. Der Kaufpreis von rund 1,2 Milliarden Euro war den Amerikanern letztendlich aber zu hoch - den Zuschlag erhielt Anfang Juni der schwedische Finanzinvestor EQT.



Auf Seite 3: Interview mit Kai Zimprich





"Immobranche kann von Start-ups lernen"



Börse Online: Große Vermietungsdeals werden häufig über persönliche Kontakte eingefädelt. Warum haben Sie ein eigenes Portal für Gewerbeimmobilien etabliert?


Kai Zimprich:

Wir müssen unsere digitale Strategie und damit korrespondierende Produkte oder Dienstleistungen dem Wandel des Maklergeschäfts anpassen. Bei Mietgesuchen insbesondere im kleinen bis mittleren Segment hat das Internet eine sehr wichtige Rolle als Nachfragekanal übernommen. Mehr als die Hälfte aller Gesuche nach Büro- und Industrieimmobilien generieren wir bereits über Onlinekanäle. Das ist ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Wie funktioniert Ihr Angebot konkret?


Mit unserem Vermietungsportal können die Eigentümer das Internet professionell als Distributionskanal für Angebote nutzen.Mietsuchende können verfügbare Büro- oder Industrieimmobilien ohne Anmeldung oder Registrierung einsehen.

Um welche Größenordnung geht es dabei?


Aktuell haben wir rund 3750 Büro- und Industrieimmobilien auf unserem Portal gelistet. Das sind 20 000 Einzelflächen mit rund 16 Millionen Quadratmetern. Das Angebot geht weit über die "Big 7" der deutschen Immobilienhochburgen hinaus.

Wann zahlen die Nutzer Ihres Gewerbeimmobilienportals für eine Leistung?


Die reine Nutzung des Portals ist kostenlos. Eine Honorierung erfolgt nur im Erfolgsfall zu marktüblichen Konditionen. Jedem -Eigentümer steht es aber frei, sein Objekt für Mieter provisionspflichtig oder frei anzubieten. Zusätzliche Kosten, etwa für das Onlinemarketing, fallen nicht an.

Ist mit dem Einstellen des Vermietungsangebots auf dem Portal alles erledigt?


Nein, in regelmäßigem Austausch werden die Objektdetails gemeinsam mit den Eigentümern abgeglichen und aktualisiert. Jedem Immobilienangebot ist ein Makler als Objektbetreuer zugeordnet, dessen Kontaktdaten dem Suchenden auf dem Portal für An- oder Rückfragen direkt zur Verfügung stehen. Dieser übernimmt auch die Begleitung des Interessenten von der Besichtigung bis hin zur Vertragsverhandlung.

Ist es wichtig, bei der Digitalisierung im Immobiliensektor der Erste zu sein?


Die digitale Transformation ist nicht mit einem Produkt vergleichbar, das einem Projektplan folgt, sondern eher mit einem Programm oder einem Prozess. Zwar kommt es auch darauf an, dass man nicht zu spät startet - und sicherlich muss auch an der einen oder anderen Stelle getestet und adjustiert werden. Wichtiger ist, zu verstehen, dass man nachhaltig nur erfolgreich sein kann, wenn man entweder selbst Innovationen liefert oder sich rasch an veränderte Rahmenbedingungen anpassen kann. Das bringt Vorteile gegenüber Wettbewerbern.

Kann die Immobilienbranche in diesem Punkt auch von Start-up-Firmen lernen?


Die von Gründern vorgelebte Schnelligkeit, Flexibilität und Agilität können grundsätzlich auch im Immobiliensektor wichtige Erfolgsfaktoren sein. In der Start-up-Szene werden Ideen und Ansätze im Kleinen ausgerollt, überprüft, adjustiert oder gar komplett verworfen und neu aufgesetzt, bevor es um die Finalisierung des End-produkts geht. Die Immobilienbranche kann hier sicherlich noch viel von den Ansätzen und Methoden der Start-ups lernen, insbesondere bei der Einführung neuer Produkte, Tools oder Dienstleistungen.

Welche Anbieter sind künftig Ihre Hauptkonkurrenten im Digitalbereich?


Klassische Immobilienportale wie Immoscout24 und Immowelt haben die Nachfrage über das Internet etabliert. Sie nutzen die Immobilie aber lediglich als Vehikel - und nicht als wesentliche Geschäfts- und Dienstleistungsgrundlage. Unsere Hauptkonkurrenten sind deshalb auch in Zukunft solche Firmen, die sich in ihrem Kerngeschäft auf Gewerbeimmobilien konzentrieren und vergleichbare Dienstleistungen wie JLL anbieten. Das sind besonders Unternehmen unserer Peergroup auf nationaler wie auch internationaler Ebene.

Auf Seite 4: Maklermarkt auf einen Blick