Van der Bellen hat eine enorme Aufholjagd hinter sich. Politologen hatten den Vorsprung des FPÖ-Kandidaten als fast uneinholbar bezeichnet. Beim ersten Wahlgang war ein Drittel der rund 6,4 Millionen Wahlberechtigten in Österreich der Abstimmung ferngeblieben. An der Stichwahl beteiligten sich rund 200.000 Wähler mehr, die Wahlbeteiligung lag bei 72,7 Prozent. Die beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP hatten erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs keine Chance mehr, den Bundespräsidenten zu stellen, weil ihre Kandidaten im ersten Wahlgang mit jeweils rund zehn Prozent weit abgeschlagen waren. Auch deswegen trat Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) Anfang Mai zurück.
Das Rennen um das oberste Staatsamt in Österreich war seit der Urnenwahl am Sonntag eine Zitterpartie. Nach Auszählung dieser Stimmen lag Hofer mit 51,9 Prozent noch vor Van der Bellen mit 48,1 Prozent. Ausschlaggebend für das Ergebnis waren daher die überaus zahlreichen rund 700.000 Briefwahlstimmen, die erst am Montag ausgezählt wurden.
WAHLERGEBNIS ZEIGT POLARISIERUNG
Das knappe Ergebnis zeigt Politologen zufolge die Polarisierung in Österreich. "Wir haben in etwa zwei gleich große Hälften in dem Land, die sagen das Land entwickelt sich in die richtige oder in die falsche Richtung. Wenn das keine Polarisierung ist, was dann?", sagte Politologe Peter Filzmaier.
Der 72-jährige Wirtschaftswissenschaftler Van der Bellen hatte im Wahlkampf die Österreicher aufgefordert, sich auf Freiheit, Respekt und Menschlichkeit zu besinnen. Während er sich als pro-europäisch präsentierte und einen liberalen Asylkurs vertritt, schlug der 45-jährige Hofer gegenteilige Töne an. Hofer punktete mit seinem Anti-EU-Kurs und seiner Forderung nach einer strengeren Asylpolitik. Auf seiner Internet-Seite wirbt er damit, dass das wichtigste politische Projekt der Schutz der Grenzen sei. Das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei bezeichnete er als "fatal". Für Aufsehen sorgte Hofer auch, als er sagte, dass er die Regierung entlassen würden, wenn sie seinen Vorstellungen in der Asylpolitik nicht entsprechen würde. Die rot-schwarze Bundesregierung hatte zuletzt ihren Asylkurs im Einklang mit den Staaten auf dem Balkan deutlich verschärft.
Reuters